Gewaltprävention: “Menschen erkennen früher, wenn Grenze erreicht wurde”

Politik / 09.07.2025 • 13:31 Uhr
ABD0014_20250518 – BERLIN – DEUTSCHLAND: ++ ARCHIVBILD ++ ARCHIV – 01.07.2023, Berlin: Eine Frau hŠlt ihre HŠnde vor das Gesicht. (Gestellte Szene) (zu dpa: ÇPlatzmangel in sŠchsischen ZufluchtsstŠtten vor GewaltÈ) Foto: Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++. (ARCHIVBILD VOM 1.7.2023) – FOTO: APA/dpa/Fabian Sommer – (Gestellte Szene)
Oft erfahren Frauen und Mädchen Gewalt in den eigenen vier Wänden. APA/DPA

In Dornbirn entsteht ein neues Frauenhaus. Die Zahl der Personen, die zur Beratung für Gewaltprävention müssen, stieg zuletzt an.

Dornbirn In Österreich ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen alltäglich und Vorarlberg keine Ausnahme. Oft werden die Betroffenen in den eigenen vier Wänden bedroht, sei es durch den eigenen Partner oder durch Familienmitglieder wie Vater oder Bruder. Schutz können sie in der Frauennotwohnung des Instituts für Sozialdienste ifs finden. Die Nachfrage ist hoch, immer wieder sind die Kapazitäten ausgereizt. In Dornbirn entsteht nun ein neues Frauenhaus mit geändertem Konzept. Künftig sollen mehr Plätze für Frauen und Kinder zur Verfügung stehen.

Seit einigen Jahren stehen auch die Täter stärker im Fokus: Sie müssen seit 2021 eine verpflichtende Beratung absolvieren, auch hier zeigen die Zahlen einen leichten Anstieg. Mario Enzinger, Leiter der ifs-Beratungsstelle für Gewaltprävention, verweist auf eine veränderte Haltung in der Gesellschaft – sie reagiere sensibler auf Gewalt.

Kleinere Wohneinheiten

Momentan ist die Adresse des Frauenhauses geheim. Das ändert sich künftig. Der Neubau entsteht in Dornbirn an der Ecke Poststraße, Altweg. Bauherrin und Eigentümerin ist die Dornbirner Sparkasse AG, sie vermietet das Gebäude dann an das ifs. Am Mittwoch war Spatenstich, der Einzug ist für Herbst 2026 geplant. Das neue Haus biete nicht nur mehr Schutzplätze, sondern kleinere, eigenständige Wohneinheiten, die mehr Privatsphäre ermöglichen, erklärte ifs-Geschäftsführerin Martina Gasser. Auch die Beratungsstelle Dornbirn ist dann im selben Gebäude zu finden. Aktuell stehen in der Frauennotwohnung, zusammen mit Übergangswohnungen, 19 Plätze für Frauen und Kinder zur Verfügung. Künftig sollen es 22 sein.

Neubau Frauenhaus ifs Dornbirn
Dieses Bild zeigt, wie das Frauenhaus in Dornbirn künftig ausschauen soll. JK&P

Dass dies notwendig ist, verdeutlicht die gestiegene Zahl der Betretungs- und Annäherungsverbote. Bis Ende April hat die Polizei 166 ausgesprochen, die VN berichteten. 2024 waren es im selben Zeitraum 151. Dann muss der Gefährder, in den meisten Fällen sind es Männer, die Wohnung verlassen und darf sie für zwei Wochen nicht betreten. Zudem ist es ihm untersagt, sich der betroffenen Person in einem Umkreis von hundert Metern zu nähern.

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Nachdem ein Betretungs- und Annäherungsverbot verhängt wurde, müssen Gefährder zwingend eine Gewaltpräventionsberatung im Umfang von sechs Stunden absolvieren. In Vorarlberg übernimmt diese das ifs. Mario Enzinger nennt auf VN-Anfrage aktuelle Zahlen: Heuer sind dem ifs mit Stand 8. Juli 251 Gefährder neu zugewiesen worden. 2024 waren es insgesamt 459, der Großteil Männer. 56 Prozent waren zwischen 22 und 40 Jahre alt.

Mario Enzinger, ifs
Mario Enzinger ist der Leiter der ifs-Bera­tungs­stelle für Gewalt­prä­ven­tion. Ursula Dünser

2022 sind 427 Gefährder neu zugewiesen worden, 2023 waren es 437. Die Tendenz zeigt also nach oben. “Diese Zahlen schwanken über die Jahre”, gibt Enzinger zu bedenken, ergänzt aber, dass sich der moderate Anstieg auch mit einer veränderten Haltung in der Gesellschaft erklären lässt. “Die Menschen erkennen früher, wenn eine Grenze erreicht wurde. Sie sind bereit, die Polizei zu rufen und sich unterstützen zu lassen.”

Perspektive für gewaltfreies Leben

Der Leiter der Beratungsstelle schildert, dass die kritische Auseinandersetzung mit dem gewalttätigen Verhalten, Eigenverantwortung und die Motivation für weiterführende Gespräche im Mittelpunkt der verpflichtenden Beratung stehen. Er hebt den Austausch als wesentlich hervor: Die Beratungsstelle für Gewaltprävention und die Gewaltberatung kooperierten eng mit den Opferschutzeinrichtungen. Gemeinsam werde eine Risikobewertung vorgenommen und mögliche Interventionen abgestimmt. “Stets mit dem Ziel vor Augen, Gewalt nachhaltig zu verhindern und Perspektiven für ein gewaltfreies Leben zu eröffnen.”

ifs-Frauennotwohnung

Frauen, die zu Hause Gewalt erfah­ren, fin­den im Frau­en­haus mit ihren Kin­dern Schutz und Sicher­heit. Es ist rund um die Uhr unter 05-1755-577 erreichbar. Auf­nah­men sind zu jeder Tages- und Nacht­zeit mög­lich.