Kommentar: Apostel der Einheitlichkeit
Eines der wenigen verwirklichten Projekte der Kurz-lebigen türkis-blauen Regierungszusammenarbeit von 2017 bis 2019 war die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger, die in der Fusionierung der neun Gebietskrankenkassen zu einer einzigen österreichischen Gesundheitskasse gipfelte.
Schon lange ist bekannt, dass die damals propagierte Einsparungssumme von einer „Patientenmilliarde“ ein Marketinggag war. Wenigstens der PR-Berater, der den Begriff erfand, hat sein Handwerk verstanden. Man spricht noch heute davon. Von jenen, die diese Reform konzipierten, die nichts anderes als die Zerschlagung grundsätzlich funktionierender Strukturen bedeutete, kann man das leider nicht behaupten.
Der Einfluss der Versicherten wurde zurückgedrängt, die regionale Autonomie mit dem üblichen zentralistischen Totschlagargument, dass die Leistungen in ganz Österreich dieselben sein müssten, praktisch ausgeschaltet. Dass mit dem Geld der Vorarlberger Versicherten in erster Linie die Gesundheitsversorgung im Land bereitgestellt werden muss, verstehen die Apostel der Einheitlichkeit natürlich nicht. Argumentiert wurde, dass eine einzige Gesundheitskasse zwangsläufig günstiger sein müsse als neun Gebietskrankenkassen. So simpel denken bei uns Menschen, die eine Verwaltungsreform aufgleisen! Als ob man bei Reformen nicht zunächst bei den Aufgaben ansetzen müsste und dann erst bei den Strukturen.
Der Tiroler Landeshauptmann Mattle hat einen Vorstoß gewagt und die Sinnhaftigkeit der Zentralisierung von 2018 hinterfragt und dafür erstaunlich viel Zustimmung aus der Ärzteschaft, der Sozialversicherung selbst und der Politik geerntet. Vielleicht besteht in der nun angelaufenen „Reformpartnerschaft“ zwischen Bund und Ländern die Chance, die verlorene Autonomie im Interesse der Versicherten, die unter den verzögerten Abläufen und dem Verlust an gesundheitspolitischer Kompetenz im Land am meisten leiden, wiederherzustellen. Vielleicht existiert irgendwo noch die visionäre Kraft, das zu tun, was Sinn machen würde, nämlich in jedem Land eine Kasse zu schaffen.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
Kommentar