„Kulturpolitik ist Demokratiepolitik“

Andreas Babler über seine Festspielrede, seinen kulturpolitischen Zugang und den Wert demokratischer Teilhabe.
Magdalena Raos
Andreas Marte
Bregenz Bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele schlug die Rede von Andreas Babler hohe Wellen, da er nicht auf die Rolle der Kultur im Allgemeinen bzw. auf die Festspiele im Besonderen eingegangen ist, sondern eine politische Grundsatzrede gehalten hatte.
Warum haben Sie den Kulturaspekt ausgelassen und auch die Subventionskürzung nicht erwähnt?
Die Festspiele bieten einen spannenden gesellschaftlichen Raum mit fast 300.000 Besucherinnen und Besucher. Die Kunst stößt Diskussionen an, lädt zum Nachdenken ein und stellt Überlegungen zu den großen Fragen des Lebens an. Mir war es wichtig, diesem Raum auch Gedanken über unsere Demokratie, unser Zusammenleben mitzugeben. Egal, wohin wir gerade schauen sind autoritäre, antidemokratische und damit auch kunstfeindliche Kräfte heutzutage auf dem Vormarsch. Diese Kräfte haben auch kein Interesse an sozialpolitischen Fragen, sie wollen die herrschenden Verhältnisse, die ungleiche Vermögensverteilung einzementieren. Ich finde es also essenziell, dass wir diese gesellschaftliche Debatte führen, gerade an solchen Orten wie den Festspielen, wo Platz für echte Debatten ist.

Weshalb haben Sie sich bei der Regierungsbildung für das Kulturressort entschieden?
Ich habe mich sehr bewusst für das Ressort Kultur und Medien entschieden – das war kein Zufall, sondern ein echtes Anliegen. Kultur ist für mich keine bloße Begleiterscheinung der Politik, sondern eine tragende Säule unserer demokratischen Gesellschaft. Wenn man, wie ich, den Bereich Kultur zusammen mit Medien, Sport und Wohnen denkt, erkennt man die gemeinsame Klammer: Es geht um Teilhabe, um Zugänglichkeit, um Leistbarkeit – kurzum: um gelebte Demokratie. Ich bezeichne dieses Ressort daher auch als „Demokratieministerium“, denn hier geht es nicht nur um kulturelle Ausdrucksformen, sondern um den Zugang zu grundlegenden gesellschaftlichen Räumen.
Was bedeutet das konkret für Ihre kulturpolitische Arbeit?
Mir geht es darum, die gesamte kulturelle Breite abzusichern – von der freien Szene bis zur Hochkultur, vom ländlichen Raum bis zu den großen Bundesinstitutionen. Und das unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen. Ich bin stolz darauf, dass wir es geschafft haben, den Kulturbereich insgesamt zu stabilisieren, obwohl massive Einsparungen notwendig waren. Die Bundesmuseen haben über 60 Millionen Euro beigetragen, aber zugleich konnten wir den Druck auf die freie Szene reduzieren. Diese solidarische Umverteilung ist mir ein echtes Anliegen. Ich bin überzeugt: Wer starke Schultern hat, soll auch mehr tragen – damit das kulturelle Fundament insgesamt bestehen bleibt.
Was sind Ihre Prioritäten im Umgang mit Kulturarbeiterinnen und Kulturschaffenden?
Die soziale Absicherung von Kulturschaffenden liegt mir sehr am Herzen. Wir haben aktuell einen enormen Spardruck, aber mein langfristiges Ziel ist, dass wir auch lohn- und sozialrechtlich jene besserstellen, die das kulturelle Leben dieses Landes prägen. Wir reden hier nicht nur über Identität oder ästhetischen Ausdruck, sondern auch über einen enormen wirtschaftlichen Faktor: Über 40 Milliarden Euro Wertschöpfung, mehr als 300.000 Beschäftigte in der Kreativwirtschaft – das ist beachtlich. Aber noch wichtiger: Kultur ist ein demokratischer Grundpfeiler. Wer sie stärkt, stärkt das Gemeinwesen.
Wie sehen Sie die Rolle der Kultur in Zeiten demokratischer Herausforderungen?
Gerade jetzt ist es entscheidend, kulturelle Räume gegen autoritäre Tendenzen zu verteidigen. Kulturpolitik kann – neben der Bildung – einer der wirksamsten Hebel sein, um demokratische Prinzipien zu stärken. Wenn wir nach Ungarn oder in andere Länder blicken, sehen wir, wie rasch kulturelle Vielfalt unter Druck geraten kann. In Österreich will ich das Gegenteil: kulturelle Breite ermöglichen, nicht verengen. Das bedeutet auch, Institutionen zu schützen.
Und ganz persönlich: Wo liegen Ihre kulturellen Vorlieben?
Ich habe einen weiten Kulturbegriff. Als Jahrgang 1973 bin ich mit Austropop aufgewachsen, viele Musikerinnen und Musiker dieser Generation durfte ich persönlich kennenlernen. Zugleich bin ich eng mit der heimischen Literaturszene verbunden – auch mit zahlreichen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, mit denen ich seit Jahren im Austausch bin. Und ja, ich liebe auch klassische Musik, manchmal sehr laut im Auto. Aber entscheidend ist nicht mein persönlicher Geschmack – sondern dass Kulturpolitik allen etwas gibt: Raum, Zugang, Resonanz. Darum geht es.