VN-Sommergespräch: “Wohnen ist ein Grundrecht”

Mehr Gemeinnützige, neue Modelle: SPÖ-Chef Leiter diskutiert mit Bernhard Ölz von Prisma.
schwarzach Wie teuer ist Wohnen in Vorarlberg? Diese Frage sorgt seit Jahren für Diskussionen. Die SPÖ hält die Lage für alarmierend und pocht auf mehr gemeinnützige Wohnungen. Im VN-Sommergespräch diskutiert SPÖ-Chef Mario Leiter mit Bernhard Ölz von Prisma über die Wohnkosten im Land und welche Lösungen sinnvoll wären.
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Laut einer Umfrage der Arbeiterkammer, für die im Frühjahr rund 2400 Personen befragt wurden, geben Haushalte im Schnitt bereits rund 33 Prozent ihres Einkommens für Wohnen aus. Wie stufen Sie denn die aktuelle Lage ein, Herr Leiter?
leiter Wohnen ist ein Grundrecht. Jeder sollte die Chance und die Möglichkeit haben, sich leistbaren Wohnraum zu schaffen.
Herr Ölz, belastet Wohnen die Haushaltsbudgets mittlerweile zu sehr?
ölz Es hat die Haushaltsbudgets immer schon relativ hoch belastet, wenn man sich die Zahlen der aus der Vergangenheit anschaut. Ich habe es mit dem Herrn Leiter, Wohnen ist ein Grundrecht, Wohnen muss leistbar sein. Es ist die Frage: Wer spielt hier wie zusammen, dass es auch in Zukunft gut abgesichert ist? Da gibt es schon den einen oder anderen Stolperstein.

Spürt Prisma, dass sich die Menschen in Vorarlberg weniger leisten können als früher?
ölz Wir haben einen guten Überblick in Österreich, da wir ja auch in Wien, Salzburg und Tirol tätig sind, ebenso in Süddeutschland. Vorarlberg ist für mich immer eine positive Ausnahme. Trotzdem ist es gerade für junge Menschen anstrengend, auch in Zukunft, eine Wohnung zu erwerben oder Miete zu bezahlen. Da braucht es konkrete, intelligente Werkzeuge, um das möglich zu machen.
Herr Leiter, was wünschen Sie sich von Unternehmen wie Prisma? Welchen Beitrag können Sie leisten?
leiter Ich möchte mich nicht im privaten Wohnungsmarkt einmischen, da sind andere Player am Werk. Es muss ein Profit herauskommen, das liegt in der Natur der Sache. In Vorarlberg hat die SPÖ immer gefordert, dass es mehr Bauträger gibt, die leistbaren Wohnraum sicherstellen können. Mittlerweile sind es vier, die tatsächlich gemeinnützigen oder leistbaren Wohnungen bauen. Umso mehr das sind, umso mehr Bauvolumen gibt es. Wir brauchen viele Wohnungen in Vorarlberg. In Tirol gibt es 13 gemeinnützige Wohnbauträger. Wir haben immer noch zu wenig. Da müssen wir ansetzen.

Warum sind gerade in Vorarlberg die Wohnkosten so hoch, Herr Ölz?
ölz Vorarlberg hat in Summe ein hohes Niveau, auch bei den Gehältern und den Lebenshaltungskosten. Das hält sich dann im Verhältnis die Waage. In Vorarlberg wurden jährlich durchschnittlich circa 2400 Wohnungen gebaut in den letzten Jahren. Die Wirtschaftskammer sagt, wir brauchen 2700. Man muss unterscheiden, was für Wohnungen das sind, gemeinnützige, geförderte oder private. Und es braucht natürlich mehr Wohnungen. Man sieht es an den Baugenehmigungen, das sind zu wenige. Da ist man schon aufgerufen, mehr zu tun. Auf der anderen Seite hat die Zinskurve viel in eine falsche Richtung bewegt, man hat weniger gebaut, es ist weniger Nachfrage da gewesen, wegen der Leistbarkeit. Das ist ein bisschen ein System, das sich gegenseitig hinauf- oder hinunterschaukelt, und ich glaube, es ist schon öffentliche Aufgabe, massiv, konkret und intelligent einzugreifen, damit das Geld an die richtige Stelle kommt. Ich glaube, es braucht mehr Wohnungen in allen Bereichen.
Herr Leiter, Sie haben 11.000 gemeinnützige Wohnungen in fünf Jahren gefordert. Ist das realistisch?
leiter Es wäre realistischer, wenn wir mehr gemeinnützige Wohnbauträger hätten. Zum hohen Lohnniveau: Wir brauchen es, damit sich die Menschen in Vorarlberg den Wohnraum auch leisten und gleichzeitig ein gutes Leben führen können. Mein Angebot an die privaten Bauträger ist ja eigentlich ein simples. Machen wir etwas Gemeinsames. Die Menschen sollen sich ein Eigenheim schaffen können, das geht derzeit kaum, mit den Preisen am Markt und mit dem Einkommensniveau, auch wenn es gut ist. Viele Banken springen ab. Wir müssen schauen, dass wir Wohnraum schaffen, dass Mietkaufwohnungen gefördert werden. Oder wir gründen ein Genossenschaftsmodell. Wir müssen einfach neue Wege suchen. Nicht jeder kann kaufen. Aber auch für diese Menschen braucht es Wohnraum. Ich bin auch der Meinung, dass verdichteter gebaut, nach oben gebaut werden sollte.

Mietkauf, Genossenschaftsmodelle, verdichtetes Bauen. Können Sie mit diesen Forderungen mitgehen, Herr Ölz?
ölz Ich kann in vielen Punkten mitgehen. Wir brauchen Innovation im Wohnbau, in der Finanzierung von Wohnungen. Da kann man sich im Ausland verschiedene Modelle anschauen. Die Schweiz hat zum Beispiel eine ganz andere Form der Wohnungsfinanzierung, eine Art Generationenfinanzierung. Mietkaufmodelle finde ich sehr gut, die gibt es auch in anderen Bundesländern viel mehr als bei uns. Auch Verdichtung ist wichtig, aber es muss qualitätsvolle Verdichtung sein. Wenn man über Wohnbau diskutiert, stört mich, dass man immer über Zahlen redet, nie über den Menschen, der dort lebt. Es muss den Menschen gut gehen, die Kinder sollen mit Freiraum aufwachsen können, das Quartier soll immer qualitätsvoll sein.
Die Landesregierung hat bei der Wohnbauförderung gekürzt. Sie fordern eine Kehrtwende, Herr Leiter. Kann sich das Vorarlberg leisten?
Leiter Der leistbare Wohnraum funktioniert eben nur mit der Wohnbauförderung. Eine junge Familie mit 30 Jahren muss sich ein Darlehen verschaffen, das sie sich irgendwie leisten kann, sodass sie 40 bis 45 Prozent des Haushaltseinkommens zur Rückzahlung braucht. Sonst geht sich der Rest nicht mehr aus. Zuvor wurden 0,25 Prozent Zinsen verlangt, jetzt ein Prozent, die maximale Fördersumme von 150.000 auf 100.000 Euro reduziert. Ich bekomme viele E-Mails von Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern, die sich beschweren, dass sie nun nicht mehr bauen können. Da müssen wir eine Kehrtwende machen.
ölz Ich glaube nicht, dass es eine Verbesserung ist, wenn man etwas reduziert. Ich glaube aber auch, dass die Auswirkungen vom Zinsmarkt, vom Kapitalmarkt viel wesentlicher sind als die Wohnbauförderung.

Herr Leiter, Ihnen hat eine Funktionärin Mobbing und Sexismus vorgeworfen. Gibt es ein Sexismusproblem mit Ihnen als Vorarlberger SPÖ-Chef?
Leiter Ich nehme jede Kritik und wie auch immer geartete Vorwürfe ernst. Ich bin auch im Austausch mit der Vorsitzenden der SPÖ-Landesfrauen, damit das wirklich aufgearbeitet wird. Ich bin seit 25 Jahren in Leitungsfunktionen tätig. Alle Menschen, die mich kennen, wissen, dass ich weder geschrien habe noch sexistische Äußerungen tätige. Mir liegt es fern, jemanden zu diskreditieren oder zu diffamieren. Wir werden das aufarbeiten und intern besprechen.