Sanitäter schlagen Alarm: “Wir fahren definitiv an die Wand”

Politik / 26.09.2025 • 19:00 Uhr
Rettung
Sanitäterinnen und Sanitäter in Vorarlberg fordern eine Verbesserung ihre Situation. APA

Schlechte Ausrüstung, zu kurze Ausbildung: Vorarlbergs Sanitäter fordern wesentliche Verbesserungen für ihre Arbeit.

Schwarzach Ein alltäglicher Einsatz: Eine Person stürzt, bricht sich den Oberschenkelhals und ruft die Rettung. Die Sanitäter treffen ein und müssen den Patienten aus dem dritten Stock über die Treppe zum Rettungswagen bringen. Schleppen ist angesagt. Im Gegensatz zu den Kolleginnen und Kollegen in Deutschland und der Schweiz fehlt in Österreich bei vielen Tragen die hydraulische Unterstützung, was zu Rückenproblemen und schließlich zum Jobwechsel führen kann. Für Vorarlbergs Sanitäter ist dies nur einer von vielen Aspekten, die momentan im Sanitätswesen im Land im Argen liegen, zeigt eine Umfrage unter den Rettungskräften im Land.

Marcel Hagen ist seit vielen Jahren Sanitäter in Deutschland, kennt also die Systeme hüben wie drüben. Er sieht die zahlreichen Unterschiede und fragte sich: Wie geht es Vorarlbergs Sanitätern eigentlich? Gemeinsam mit Florian Zahorka vom Bundesverband Rettungsdienst (BVRD) konzipierte er eine Umfrage, um diese Frage zu klären. Das Ergebnis offenbart einigen Handlungsbedarf: bei der Ausrüstung, der Ausbildung, dem Ansehen und den medizinischen Möglichkeiten.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Sonstige angezeigt.

Bei der Ausstattung mit den Arbeitsmitteln sei Österreich im internationalen Vergleich nämlich Schlusslicht, warnt Zahorka. Auch eine flächendeckende hydraulische Unterstützung vermisst er hierzulande. In Deutschland sei dies hingegen längst Standard, berichtet Hagen. Eigentlich sei man auch in Österreich zum bestmöglichen Arbeitsschutz gesetzlich verpflichtet.

Marcel Hagen Sanitäter Deutschland
Marcel Hagen arbeitet im benachbarten Allgäu als Sanitäter.

Ein großer Kritikpunkt der Studienautoren widmet sich aber den Möglichkeiten vor Ort. Niederösterreich hat sich dem Thema bereits angenommen, schildert Zahorka. Bei einem Pilotprojekt ist jemand im Rahmen des Programms Acute Community Nursing (ACN) mitgefahren. Bei diesen 12.000 Fahrten konnnte die Hälfte ambulant vor Ort versorgt werden, nur 6000 Fahrten endeten im Spital. In Deutschland gibt es Regionen, in denen 50 bis 60 Prozent der Fahrten nicht im Spital landen. In Vorarlberg sei das Rettungswesen komplett auf das Spital ausgerichtet. “Es fehlen andere Ansprechpartner”, betont der Experte, der auch an der Ostschweizer Fachhochschule (OST) forscht. Einerseits müsse es möglich sein, andere Ärzte zu kontaktieren, als direkt ins Krankenhaus zu fahren. Andererseits benötigten Sanitäterinnen und Sanitäter das Rüstzeug, um selbst zu entscheiden, was zu tun ist; und etwa zu sehen, dass Ruhe und ein Gips reicht – oder um Medikamente zu verabreichen.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Sonstige angezeigt.

Das Thema Schmerz sei ein gutes Beispiel, ergänzt Marcel Hagen. In Vorarlberg dürfen die Rettungskräfte nur leichte Schmerzmittel geben. Bei einem Skiunfall im Bregenzerwald kann es also etwas dauern, bis der Patient zumindest Schmerzlinderung erhält. In Niederösterreich hingegen hat das Rote Kreuz seinen Sanitäterinnen und Sanitätern auch stärkere Medikamente freigegeben, führt Zahorka aus. In der Schweiz und in Deutschland dürfen sie ebenfalls hochpotente Schmerzmittel verabreichen. Für beide Punkte sei aber vor allem eines entscheidend: die Ausbildung.

Zahorka und Hagen berichten aus den Ländern, in denen sie hauptberuflich tätig sind: In der Schweiz sind 5000 Stunden Ausbildung nötig, in Deutschland 4000. In Österreich gibt es eine Ausbildung mit 980 Stunden – darüber würden aber nur 1,5 Prozent der Rettungskräfte im Land verfügen. Die meisten – rund 80 Prozent – verfügen über die Basisausbildung von 260 Stunden. Sie fordern eine dreijährige Ausbildung für Sanitäterinnen und Sanitäter in Österreich, die in mehr Kompetenzen für das Rettungspersonal mündet. Denn: “Aktuell fahren wir definitiv an die Wand”, warnt Zahorka und fordert: “Es braucht etwas zwischen Notarzt und Sanitäter.”

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Sonstige angezeigt.

Eine höhere Qualifizierung würde das Personal stärken, den Rettungsdienst professionalisieren, Druck von den Spitälern nehmen und vor allem auch das Ansehen der Sanitäterinnen und Sanitäter innerhalb des Gesundheitswesens stärken. Denn auch in diesem Punkt fühlt sich das Rettungspersonal nicht wertgeschätzt. Das Duo hofft, die Politik und die Organisationen wachzurütteln.