“Manche Medikamente gibt es in Österreich gar nicht mehr”

Politik / 07.10.2025 • 15:49 Uhr
Die Situation hält Apothekerinnen und Apotheker auf Trab. Viele Medikamente sind nur eingeschränkt oder  gar nicht verfügbar.  APA/Gindl
Aktuell sind über 400 Präparate nur eingeschränkt oder gar nicht lieferbar. APA/Gindl

Auch heuer sind viele Arzneien nur eingeschränkt oder nicht verfügbar. Apotheker sehen derzeit Entspannung, Ärzte weniger.

Schwarzach Lieferschwierigkeiten bei Hunderten Arzneien kommen in Österreich regelmäßig vor, besonders in der kälteren Jahreszeit. Selbst mit Rezept kommen Patienten teilweise nicht an ihre Medikamente. Vorarlbergs Ärztekammerpräsident Burkhard Walla warnt: “Wir haben wenig Sicherheit, dass das, was wir verschreiben, auch wirklich erhältlich ist.” Apothekerkammerpräsident Christof van Dellen widerspricht jedoch: “Im Moment schaut es gut aus, die Situation hat sich entspannt.” Es gebe Alternativen, sollte ein Medikament nicht lieferbar sein. Gesundheitsstaatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) ortet eine angespannte, aber nicht alarmierende Versorgungslage.

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Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen listet aktuell rund 450 Arzneien auf, die eingeschränkt oder nicht verfügbar sind. Es werden allerdings auch verschiedene Packungsgrößen des gleichen Medikaments ausgewiesen. Dies bedeute zudem nicht, dass es keine Alternativen gibt, betont ein Sprecher von Königsberger-Ludwig auf VN-Anfrage. Im September seien rund drei Prozent aller in Österreich zugelassenen Arzneimittel betroffen gewesen. “In der Mehrzahl der Fälle stehen therapeutische Ersatzpräparate zur Verfügung. Konkrete Versorgungslücken sind dem Ministerium derzeit nicht bekannt.”

Einschränkungen träfen einzelne Produktgruppen wie Mittel für das Nervensystem, Antibiotika und Herz-Kreislauf-Präparate, heißt es aus dem Ministerium. Für die Wintersaison bereite man sich vor. Und van Dellen vergleicht: “Letztes Jahr waren es um diese Zeit schon um die 700 Arzneien auf der Liste.”

Mag. pharm. Christof van Dellen
Apothekerkammerpräsident Christof van Dellen sieht die Lage derzeit entspannt. MEDIArt/Andreas Uher

Verschiedene Ursachen

Ärztekammerpräsident Walla ist weniger optimistisch. „Einige Medikamente gibt es gar nicht mehr in Österreich.“ Er nennt etwa ein Präparat gegen Schilddrüsenüberfunktion. Für die Engpässe macht er verschiedene Ursachen aus, wie Produktionsprobleme in den Herstellerländern, was sich besonders stark in der Pandemie gezeigt habe. Zum anderen führe eine starke Preisregulierung hierzulande dazu, dass Pharmafirmen Medikamente vom Markt nähmen.

Burkhard Walla
Burkhard Walla, Präsident der Ärztekammer, sagt: “Einige Medikamente gibt es schon gar nicht mehr in Österreich.” ÄK Vorarlberg

2023 machte sich der damalige Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) für eine Wirkstoffverschreibung stark, um Engpässen besser begegnen zu können. Letztlich kam eine solche Regelung nicht zustande. Sie sieht vor, dass Ärztinnen und Ärzte statt eines Präparats nur den Wirkstoff verschreiben. “Das hätte den Vorteil, dass man, sollte ein Medikament einer bestimmten Firma nicht geliefert werden können, einfacher auf jenes einer anderen zurückgreifen kann”, sagt van Dellen. Walla bezweifelt hingegen, dass sich die Probleme damit lösen lassen. “Häufig findet sich keine Alternative mehr. Dann muss die Therapie umgestellt werden.”

"Manche Medikamente gibt es in Österreich gar nicht mehr"
Gesundheitsstaatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig sieht eine angespannte Versorgungslage. Alarmierend sei sie nicht. APA/Hochmuth

In der Bundesregierung ist Wirkstoffverschreibung kein Thema mehr. „Zwar ist sie in bestimmten europäischen Ländern im Einsatz und wurde in der Vergangenheit auch in Österreich diskutiert – aktuell konzentrieren wir uns jedoch auf andere wirksame Maßnahmen: etwa die Bevorratungsverordnung, die Stärkung der heimischen Produktion und die Optimierung bestehender Melde- und Versorgungssysteme“, sagt der Sprecher von Königsberger-Ludwig. Er bezeichnet Österreich europaweit als Vorreiter und verweist etwa darauf, dass Unternehmen verpflichtet sind, Lieferengpässe zu melden. Zudem gibt es einen Exportstopp für verschiedene Medikamente und eine Bevorratungsverordnung. Seit April müssen Hersteller rund 600 besonders versorgungsrelevante Arzneien, wie Antibiotika, Fiebersenker und Schmerzmittel, für vier Monate auf Vorrat halten. Ab 2026 solle außerdem ein tägliches Lagerstands-Monitoring bei Großhändlern verpflichtend werden.