Kommentar: Faschismuskeule
In vielen kleineren Gemeinden Vorarlbergs gibt es die sogenannten „Hand- und Zugdienste“. Die Gemeindebevölkerung wird verpflichtet, entweder bestimmte Arbeiten für die Gemeinde zu verrichten oder sich mit einem Geldbetrag freizukaufen. Die gesetzliche Regelung, auf welcher diese Bestimmung heute beruht, stammt aus dem Jahre 1935 und war Teil der damaligen Gemeindeordnung, die heute nicht mehr in Kraft ist, sondern von modernen Rechtsvorschriften abgelöst wurde. Nur die „Hand- und Zugdienste“ haben überlebt.
Ob diese Institution abgeschafft werden soll, wird gerade im Landtag diskutiert, auch mit dem Hinweis, dass sie aus der Zeit des Austrofaschismus stammt, was freilich Unsinn ist. Wie sich jeder Mensch, der historisches Verständnis mitbringt, denken kann, sind die Hand- und Zugdienste viel älter. Sie hatten früher die Funktion, durch gemeinschaftliche Arbeit der männlichen Dorfbewohner Straßen, Brücken und Wege instand zu halten. In der ersten schriftlichen Gemeindeordnung Vorarlbergs von 1864 finden sich daher selbstverständlich auch die damals bereits uralten Hand- und Zugdienste. Sie sind also keine Erfindung des Austrofaschismus und man muss daher, nur weil die Jahreszahl 1935 leicht zu merken ist, auch nicht reflexartig die Faschismuskeule schwingen mit dem Ziel, dadurch sich und anderen das Nachdenken zu ersparen.
Die rationale Alternative wäre, über die Möglichkeiten der Gemeinden zu diskutieren, ihre prekäre Finanzsituation zu verbessern. Wenn in kleineren ländlichen Gemeinden die Hand- und Zugdienste noch eine gewisse Tradition haben, das Gemeinschaftsleben stärken und alle, die sich nicht daran beteiligen wollen, mit der Leistung eines überschaubaren Geldbetrags „freikaufen“ können, ist daran grundsätzlich nichts auszusetzen. Seltsam ist es allerdings, wenn nun auch Gemeinden im urbanen Raum wie Lochau die Hand- und Zugdienste (wieder) einführen wollen. Die Gemeinde will damit nämlich nicht das Gemeinschaftsleben stärken. Die Verantwortlichen würden ordentlich erschrecken, wenn die Gemeindebürger mit Pickel und Schaufel selbst Hand anlegen wollten. Es geht ihr vielmehr darum, mit der finanziellen Ersatzleistung eine zusätzliche Gemeindesteuer einzuheben. Darüber, nämlich den Finanzierungsbedarf der Gemeinden, und nicht über den Jahrgang eines Gesetzes, sollte der Landtag diskutieren.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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