Warum die Zukunft für den Journalismus auch Positives bringt

Politik / HEUTE • 12:00 Uhr
Warum die Zukunft für den Journalismus auch Positives bringt
KI-Apps verändern die Zukunft des Journalismus massiv. APA

Derzeit durchlebt der Journalismus herausfordernde Zeiten. Trotz aller Hiobsbotschaften: Es gibt auch gute Nachrichten für den Journalismus.

Schwarzach Die Befunde darüber, wie es um die Journalistinnen und Journalisten, ja, um den Journalismus in Österreich bestellt ist, unterscheiden sich kaum. “Den Journalisten geht es durchwachsen”, sagt Melanie Haberl von der Uni Wien. Ihre Kollegin Phoebe Maares von der Uni Tübingen stellt fest: “Der Journalismus ist derzeit ziemlich unter Druck.” Und Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien meint: “Dem Journalismus geht es schlecht.” Ein düsteres Bild – auf den ersten Blick lassen sich wenig positive Nachrichten für den Journalismus finden. Aber es gibt sie. Und die hängen auch mit dem aktuellen technischen Fortschritt zusammen.

Vor allem zwei Themen beschäftigen Verlagshäuser, Redaktionen und damit den Journalismus besonders: die ökonomische Situation und die technische Veränderung, speziell durch die sogenannte künstliche Intelligenz. Wobei der Journalismus schon länger mit der angespannten Finanzlage zu kämpfen hat, sagt Maares. “Das Thema begleitet uns sicher schon seit 15 Jahren. Es wird immer schwieriger, Journalismus nachhaltig zu finanzieren.” Nicht nur, weil die Werbezahlen zurückgehen. Die Menschen suchen sich ihre Information verstärkt abseits der klassischen Medien; vor allem Jüngere. Die Abozahlen der rentablen Printprodukte sinken, Online-Abos können diesen Rückgang bisher kaum auffangen. Das Resultat: Die Redaktionen dünnen aus.

Warum die Zukunft für den Journalismus auch Positives bringt
Wiebke Loosen: “Die allermeisten Menschen halten die journalistische Leistung für die Gesellschaft für essenziell. Auch die Zahlungsbereitschaft steigt wieder moderat.”

Pessimismus muss an dieser Stelle aber nicht angebracht sein, betont Wiebke Loosen vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg. “Die allermeisten Menschen halten die journalistische Leistung für die Gesellschaft für essenziell. Auch die Zahlungsbereitschaft steigt wieder moderat.” Maares ergänzt: “Medien, die besonders gut darin sind, ihr Publikum an sich zu binden, haben eine höhere Chance, dass die Menschen Abos abschließen.” Denn auch das ist die gute Nachricht für den Journalismus. Die gelernte Gewohnheit, dass Online-Inhalte gratis zur Verfügung stehen, ändert sich langsam. “Wir sehen, dass sich immer mehr Menschen dazu entscheiden, online Abos abzuschließen”, erläutert die Expertin.

Die KI und der Journalismus

Die zweite Herausforderung ist neu. Sie nennt sich KI und stellt die journalistische Welt auf den Kopf. Wieder einmal. Schon das Internet selbst hat den Journalismus revolutioniert, die Erzählweisen verändert. Social Media ebenfalls. Und nun die KI. Melanie Haberl von der Uni Wien hält fest: “KI ist nicht gut oder schlecht. Aber sie wird vieles verändern.” Gut, dass Journalismus mit Veränderungen umgehen kann, lobt Wiebke Loosen. “Entgegen der landläufigen Annahme, der Journalismus sei zu träge, wenig innovationsfreudig und alles dauere so lange, würde ich als wissenschaftliche Beobachterin sagen, dass Journalismus eigentlich ein hochgradig dynamisches Berufs- und Innovationsfeld ist.” Loosen beschäftigt sich derzeit intensiv mit KI und Journalismus. Sie ist Teil eines vierjährigen Forschungsprojekts zum Thema, das soeben das erste Jahr abschließt.

Warum die Zukunft für den Journalismus auch Positives bringt
Phoebe Maares: “Medien, die besonders gut darin sind, ihr Publikum an sich zu binden, haben eine höhere Chance, dass die Menschen Abos abschließen.”

Auch Maares berichtet von Studien, die sich dem Umgang der Medienhäuser mit KI widmen. “So ist erschreckenderweise aufgezeigt worden, wie unbedacht teilweise damit umgegangen wird. Manchmal werden sogar Kernaufgaben des Journalismus ausgelagert, wie Recherche oder Überprüfung. Und Studien zeigen, dass KI für sogenannten Copy-Paste-Journalismus benutzt wird, also dazu, dass Dinge umgeschrieben werden. Das verringert natürlich die Qualität.”

Gar neue Arbeitsplätze?

Womit wir bei der Kernfrage angelangt sind: Schadet die KI der journalistischen Qualität? Oder hilft sie? “Wie so oft stimmt beides”, antwortet Wiebke Loosen. Wichtig sei, dass der Mensch das letzte Wort hat, Entscheidungen von Maschinen überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Dies wiederum könnte zu einem unverhofften Jobboom in der Branche führen. Loosen schränkt zwar ein: “Es wäre Augenauswischerei, zu sagen, dass wegen der KI keine Arbeitsplätze wegrationalisiert werden.” Und Journalisten nehmen sich in gewisser Weise selbst aus dem Job, wenn sie Grundtugenden der KI überlassen, ergänzt Phoebe Maares.

Warum die Zukunft für den Journalismus auch Positives bringt
Melanie Haberl: “KI ist nicht gut oder schlecht. Aber sie wird vieles verändern.”

Allerdings entstehe gerade ein völlig neues Betätigungsfeld. Wiebke Loosen macht einen Trend aus: “Wo viel Automatisierung drin ist, muss viel geprüft werden. Möglicherweise nehmen diese Prüfroutinen durch den maschinellen Output ein größeres Ausmaß an, als gedacht. Es gibt schon Stimmen, die infrage stellen, ob der durch KI versprochene Effizienzgewinn tatsächlich hält.”

Klar ist hingegen: Journalismus wird sein Erscheinungsbild nachhaltig verändern und – wieder einmal – den technischen Begebenheiten anpassen. Eine Geschichte könnte zukünftig wie ein Chat aufgebaut sein, wie eine Unterhaltung. Hauptsache, der Inhalt stimmt. Laut Befragungen liegen Publikum und Redaktionen in der Frage, welcher Journalismus wichtig ist, nah beieinander: Hintergründig soll er sein, kritisch, erklärend, recherchiert, mit Quellentransparenz. “Bei diesen Antworten des Publikums ist aber auch die Frage, wie viel soziale Erwünschtheit darin steckt”, schränkt Wiebke Loosen ein. Aus Redaktionen ist bekannt, dass oft andere Artikel geklickt werden, jene mit viel Emotion und Skandalisierung. Loosen lässt aber auch dies nicht uneingeschränkt gelten: “Wir wissen: Nur wenn jemand etwas aus Neugierde klickt, heißt es nicht, dass es auch gut ankommt. Mediennutzende haben oft eine differenzierte Meinung dazu.” Journalismus bleibt also gefragt.

Wertschätzung für Journalismus

KI hin, Finanzierung her. Die Bedeutung des Journalismus für die Gesellschaft bleibt vielen bewusst. Seit der Pandemie vertrauen Menschen dem Journalismus auch wieder stärker. Und die Diskussion um Fake News und Deepfakes habe das Vertrauen noch einmal gestärkt, sagt Maares. “Wir wissen, dass es seitdem wieder ein größeres Publikum gibt, das traditionellen klassischen Journalismus wertschätzt. Die Relevanz von Journalismus ist immer dann stark da, wenn es Krisen gibt und Menschen gewährleistete Information finden möchten.” Die KI verursacht einen ähnlichen Trend, fährt sie fort. “Es gibt Studien, die zeigen, dass das Publikum einem Text weniger vertraut und ihn als weniger wichtig erachtet, wenn er mithilfe von KI generiert ist.”

Journalismus steht vor massiven Herausforderungen. Die ökonomische Situation ist schwierig, die technische Transformation stellt sein Umfeld auf den Kopf. Aber der Journalismus wird damit fertig. In welcher Form er auch immer essenziell für Gesellschaft und Demokratie sein wird – er wird es bleiben.