Beton oder Mensch? Sind 70 Prozent viel oder wenig? Budgetdebatte dreht sich um Kürzungen im Sozialbereich

Landtag diskutiert Budget 2026, das ganz im Zeichen des Spardrucks auf die Sozialinstitutionen steht.
Bregenz Politikerinnen und Politiker halten sich selten an thematische Vorgaben. Sie setzen lieber selbst ein Thema. Praktisch, wenn zu Beginn des Budgetlandtags die sogenannte Generaldebatte ansteht. So kann sich jede Rednerin und jeder Redner einem Aspekt widmen. Am Ende landen am Mittwoch aber alle bei denselben Fragen: Investiert die Landesregierung in Menschen? Oder in Beton? Und sind die Ausgaben in den Budgetbereichen Soziales, Gesundheit, Bildung und Wohnbauförderung Investitionen? Oder nicht mehr als das Pflichtprogramm?

Um die Fragen zu beantworten, hilft ein Blick auf die Zahlen: Das Landesbudget ist 2,8 Milliarden Euro schwer. Rund 70 Prozent davon fließen in die Bereiche Gesundheit, Bildung, Soziales und Wohnbauförderung. Die Landesregierung hat sich zwar einen Sparkurs verordnet, plant aber trotzdem mit einem weiteren Darlehen von 200 Millionen Euro, was die Schulden Ende 2026 auf 850 Millionen Euro anwachsen lassen würde. Öffentlich spitzt sich die Diskussion seit Monaten auf Sozialbereich und Stadttunnel zu: Menschen oder Beton?

Keiner verinnerlicht den Begriff Generaldebatte so wie Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), seines Zeichens auch Finanzreferent des Landes. Er zählt auf, in welche Projekte investiert wurde und wird: Berufsschulen, Fachhochschulen, Erwachsenenpsychiatrie. Wallner fordert das Promotionsrecht für die FH, ruft den “eiskalten russischen Angriffskrieg” in der Ukraine in Erinnerung, spricht über Bürokratieabbau (“Die Stelle für Verwaltungsvereinfachung nimmt zu Jahreswechsel die Arbeit auf”) und schließlich über den Stabilitätspakt, samt Reformvorschlägen in der bundesweiten Aufgabenverteilung – und in Vorarlberg. Eine Idee: Zuständigkeiten für Kinderbetreuung und Spitäler bündeln. Ein Thema bei Gemeinden, eines beim Land. Kein Beton-Sager bisher.

Diesen wirft erstmals der grüne Klubobmann Daniel Zadra in den Raum. Die Landesregierung investiere lieber in Beton statt in Menschen. Zadra zählt noch einmal auf, welche Projekte von den Kürzungen im Sozialbereich betroffen sind: Notschlafstelle, Spagat, Familiendienste, Schulheim Mäder und viele mehr. Dazu ein Minus von mehr als vier Prozent beim gemeinnützigen Wohnbau. Dass 70 Prozent der Ausgaben in die oben genannten Bereiche fließen, lässt Zadra nicht gelten. “Das sind die zentralen Pflichtausgaben der Bundesländer.” Vor allem direkte und indirekte Gehälter sind darin abgebildet. Gleichzeitig sei das Budget für Straßenbau massiv erhöht worden, Beispiel Stadttunnel. “Die Umschichtungen im Budget sind eindeutig: weniger Mensch, mehr Beton.”

SPÖ-Klubobmann Mario Leiter teilt diesen Befund, untermauert ihn mit inflationsbereinigten Zahlen. Dadurch wird aus Budgetposten, die stagnieren, eine Kürzung – bei der Elementarpädagogik, bei Beschäftigungsmaßnahmen … “Und bei den familienpolitischen Maßnahmen ist es ein sattes Minus von zehn Prozent.” Leiter wundert sich: “200 Millionen Euro Schulden, wo ist das Geld hin, wenn gleichzeitig bei den Menschen gekürzt wird?” Auf der anderen Seite stehe der Stadttunnel, dessen prognostizierte Kosten nicht ansatzweise halten würden.
Neos-Klubobfrau Claudia Gamon widmet sich anderen Sprachbildern. Zunächst unterteilt sie Schulden in Käse und Steine, um anschließend die Sprache und Argumente der Landesregierung zu sezieren. “Die Aussage, dass das Vermögen des Landes steigt, ist eine Nebelgranate”, betont sie. Wer wolle wirklich Straßen und Schulen verkaufen? Zudem werde stets über Investitionen gesprochen. “123 Millionen Euro sind tatsächliche Investitionen, davon fließen 50 Millionen in den Stadttunnel.” Sie erwarte sich, dass die Landesregierung zugibt, dass man sich mit dem Projekt übernommen habe. “Aber ständig wird über alles andere gefaselt.”

Auftritt der Klubobleute der Regierungsparteien. Zunächst jener der FPÖ, Markus Klien, der vor allem die Arbeit der blauen Regierungsmitglieder Christof Bitschi und Daniel Allgäuer lobt und den Stadttunnel verteidigt: “Jeder, der täglich im Stau steht, weiß, dass dieses Projekt kein Luxus, sondern notwendig ist.” Kurz widmet er sich der Bundespolitik und bedient sich auch ihrer Sprache: “Die Verliererampel soll endlich ins Arbeiten kommen oder den Weg für Neuwahlen freimachen.” Neos-Abgeordnete Fabienne Lackner analysiert auf der Abgeordnetenbank sofort: “Das kann man auf Instagram gut verwenden.”

Es folgt Veronika Marte von der ÖVP, die sofort ihre Sicht darlegt: “Wir investieren in Menschen.” Weil: 70 Prozent in oben erwähnte Bereiche. Natürlich seien Gehälter dabei, aber auch, weil Vorarlberg mehr Pädagoginnen in der Kinderbetreuung anstelle. “Man braucht viel geistigen Ideologiebeton, um zu meinen, dass die Landesregierung in Menschen statt Beton investiert.” Auch die Vermögenswerte steigen, meint sie mit Blick auf Gamon, die ein Grinsen nicht zurückhalten kann. Und überhaupt: Der Stadttunnel sei eine Investition in Menschen. “Weniger Verkehrslärm, mehr Sicherheit, mehr Platz für Radfahrer”, argumentiert Marte. Letzte Anmerkung: “In Bregenz hat ein Bürgermeister die Wahl gewonnen, weil er Straße und Schiene unter die Erde verlagern will.”


Dann darf noch der Landestatthalter an das Mikrofon. Zusammengefasst: 70 Prozent Ausgaben stehen 1,7 Prozent für den Stadttunnel gegenüber. “Damit werden Sie das Budget nicht sanieren”, ruft er in den Saal. Um in die Spezialdebatte überzuleiten. Erstes Thema: Soziales. Das Budget wird am Ende der Spezialdebatte heute Abend beschlossen.










