Rainer Keckeis

Kommentar

Rainer Keckeis

Kommentar: Ungewohnt vernünftig

Politik / 15.12.2025 • 06:55 Uhr

Ein Blick nach Deutschland ist in der Politik nicht immer besonders hilfreich, insbesondere wenn man sich die Energiewende, das Pensionssystem oder die Infrastruktur in unserem nördlichen Nachbarland ansieht. Vielleicht überrascht gerade deshalb der jüngste Vorstoß der deutschen Bundesregierung zur Frage der Zukunft der Altersversorgung. Zumindest zwei der dort andiskutierten Reformschritte könnten auch für Österreich durchaus sinnvoll sein. Zum einen der Aufbau einer kapitalgedeckten, betrieblichen Säule zur Ergänzung des staatlichen Umlagesystems und zum anderen die Koppelung des Pensionseintrittsalter an die Beitragsjahre.

Es ist völlig uneinsichtig, dass man in Österreich mit Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters abschlagsfrei in den Ruhestand treten kann, ungeachtet der zuvor geleisteten Beitragsjahre. Das führt derzeit zu der absurden Situation, dass ein Arbeiter mit 47 Beitragsjahren bei Inanspruchnahme der Korridorpension Abschläge von rund 15 Prozent in Kauf nehmen muss. Tritt ein Arbeiter mit nur 30 Beitragsjahren drei Jahre später, also mit 65, den Ruhestand an, werden gar keine Abschläge fällig. Unser System benachteiligt also jene, die am längsten einbezahlt haben. Genau dort sollte die in der nächsten Legislaturperiode notwendige Pensionsreform ansetzen und damit auch mehr Gerechtigkeit in das Umlagesystem bringen. Egal, ob sich dieser grundvernünftige Ansatz in der deutschen Diskussion durchsetzt oder nicht.

Eine ebenfalls bereits seit Jahrzehnten überfällige Maßnahme ist der Aufbau einer flächendeckenden, betrieblichen Säule der Altersvorsorge. Bislang sind alle Ansätze dafür nicht zuletzt an ideologischen Vorbehalten gescheitert. Tatsächlich kann ein Kapitalstock nicht von einer Generation allein aufgebaut werden. Aber deshalb nie damit anzufangen, ist auch keine Lösung. Ein Einstieg, bei dem sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer Beiträge in Höhe von einem Prozent des Gehalts am Kapitalmarkt veranlagt werden, bringt langfristig einen nicht unbeträchtlichen Gewinn. Auch das Totschlagargument, dass damit ein Risiko verbunden ist, erweist sich bei näherer Betrachtung genau so wenig stichhaltig, als das Jammern über höhere Lohnnebenkosten. In gut österreichischer Manier kann man das machen, was man schon früher gemacht hat und diese Kosten in die nächsten Gehaltsverhandlungen einbauen und sie damit kompensieren.

Das Risiko für die Versicherten ist, wenn man die Beispiele Niederlande, Dänemark oder Schweden betrachtet, äußerst gering. Was deren Zusatzpensionssysteme zudem attraktiv macht, sind die vergleichsweise niedrigen Verwaltungskosten und die hohe Transparenz, was Veranlagung und Risikomanagement betrifft.

Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.