Eine Stadt im nächsten Umbruch

Breslau, Kulturhauptstadt 2016, verkörpert den Schnittpunkt von Ost und West.
reise. (Arno Miller) Wroclaw ist keine typisch polnische Stadt. Das bekommen Besucher schnell zu hören und oft klingen gemischte Gefühle mit. Die letzten 1000 Jahre gehörte Wroclaw vielen Herrschern. Sie alle haben ihre städtebaulichen Spuren hinterlassen. Die Stadt war polnisch, tschechisch, österreichisch und schließlich eine der großen kulturell und wirtschaftlich bedeutenden Städte Deutschlands, bevor das Ende des Zweiten Weltkriegs alles auf den Kopf stellte. Aus Breslau wurde Wroclaw.
Wer aus der folgenden kommunistischen Ära die charakteristischen Bausünden erwartet, wird angenehm enttäuscht. Innerhalb des Stadtgrabens bestimmen mittelalterliche Häuser, Gründerzeit- und Jugendstilgebäude das Bild. Zbigniew Macków, Architekt und einer der Kuratoren der Kulturhauptstadt, bezeichnet den Stadtkern als „perfektes urbanes Ensemble“. Der knapp vier Hektar große Marktplatz, der Rynek, war und ist einer der größten in Europa. An einer der Ecken geht er nahtlos in den kleineren Salzmarkt über, wo von frühmorgens bis spät in die Nacht die Blumenhändler stehen. Um den Rynek selbst schließt sich ein Ring an Bürgerhäusern, die in früheren Zeiten, getrennt nach Konfessionen, den maßgeblichen Kaufleuten, Zünften und Geldverleihern zugeordnet waren. In der Mitte prangt das Alte Rathaus in einer Mischung aus Gotik und Renaissance.
Streng genommen ist die Altstadt nur das eine, das bürgerliche Herz der Stadt. Das andere, konfessionelle liegt jenseits der Oder auf der sogenannten Dominsel. Von ihr ragen die höchsten Kirchtürme Polens in den Himmel. Postkartenkitsch pur, wenn man vom anderen Ufer über den Fluss blickt. Das gilt aber auch umgekehrt, wo die barocke Nordfront der Universität das Flusspanorama prägt.
Dazwischen liegt die Sand-insel, eine von 13 Inseln in einer Stadt, in der gleich fünf Flüsse zusammenführen. Was über 100 Brücken notwendig macht und Wroclaw als „Venedig Polens“ adelt. Die Sandinsel nimmt eine besondere Stellung ein. Sie, unterstreicht unser Stadtführer Adam, ist der einzige Ort der Stadt und einer der ganz wenigen in Polen, an dem das Trinken von Alkohol im öffentlichen Freiraum geduldet wird. Man dürfe sich im Sommer diesen Treffpunkt der Studenten deshalb durchaus sehr lebhaft vorstellen . . .
Wenngleich es alles andere als an Gelegenheiten