Estlands Insel Hiiumaa

Eine Wanderung durch die Wälder der Insel führt an den Strand und zu den Hinterlassenschaften der Roten Armee.
Möwen schreien, Wildgänse schnattern, irgendwo in den Wäldern hämmert ein Specht. Kein Wunder, Estlands zweitgrößte Insel Hiiumaa (deutsch: Dagö) ist die waldreichste Region des Baltenstaates. Kiefern und Fichten wachsen hier, aber auch duftender Wacholder. Entsprechend sauber ist einer Studie zufolge die Luft, was die Lokalpolitiker in ihrem Bestreben bestärkt, Hiiumaa zur Bioinsel zu erklären. „Hier ist seit 1941 alles unverändert geblieben“, berichtet Urmas Selirand bei einer Natur- und Militärwanderung auf der Tahkuna-Halbinsel. Als westlichster Vorposten der ehemaligen Sowjetunion war die Insel wegen ihrer Nähe zu Finnland und Schweden lange Sperrgebiet. Profitiert davon hat die Natur. Tahkuna ist jedoch vor allem für seinen Leuchtturm bekannt, mit knapp 43 Metern der höchste in Estland. „Windstill ist es an der Landzunge mit dem Leuchtturm fast nie“, berichtet Historiker Selirand, der 30 Jahre lang das Hiiumaa Museums als Direktor geleitet hat.. Weht es stark genug, erklingt die Glocke des Denkmals für die mit der Fähre Estonia 1994 untergegangenen Kinder. Gestaltet vom Künstler Mati Karmin, ist es der nächste Punkt an Land zum 35 Kilometer entfernten Ort des schwersten Schiffsunglücks der europäischen Nachkriegsgeschichte. Rasch lockert er die Stimmung auf, indem er auf ein weiteres „Denkmal“ zeigt. Dabei handelt es sich um Estlands erstes Windrad, gebaut von einer dänischen Firma, das jedoch mangels Ersatzteilen seit 2005 stillsteht.
Die Badesaison von Juni bis Mitte September ist auf Hiiumaa vergleichsweise kurz. Dafür ist am Strand jede Menge Platz, heißt es doch, dass Esten zum nächsten Strand weiterziehen, sobald sie dort auf andere Menschen treffen. „Am Waldrand vor dem Strand war Stacheldraht“, gruselt es Selirand beim Gedanken an die Sowjetzeiten, als jeder einen Passierschein benötigte, der die Insel besuchen wollte. Mit dem Einverständnis der Wachsoldaten durften die Einheimischen jedoch baden, erinnert sich der Historiker. Gerne präsentiert er Gästen die natürliche Schönheit seiner Insel mit Mooren, Moos und Sanddünen.
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