Reisetipp Georgien: Aufbruch im Kaukasus

Reise / 13.04.2019 • 14:00 Uhr
Reisetipp Georgien: Aufbruch im Kaukasus
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Das kleine Land beeindruckt mit faszinierenden Landschaften und einer ungewöhnlichen Art der Weinherstellung.

Tiflis „Die Forellen hat mein Mann Wano gerade aus unserem Teich geholt. Das Wasser kommt vom eiskalten Bergfluss Mtkvari. Darin tummeln sie sich zahlreich“, erzählt Valadia stolz. Sie hat für jeden unserer kleinen Reisegruppe einen Fisch auf den Grill gelegt. Derweil bereitet der Rest der Familie gerade nebenan in der Küche ein großes Essen vor. Alles frisch aus dem eigenen Garten. Das versteht sich hier von selbst, auf dieser weit von der Zivilisation abgeschiedenen Hochebene von Dschawachetien. Sie ist eingerahmt von mächtigen Felswänden aus Granit und Tuffstein des Kleinen Kaukasus. In diesen weichen Tuffstein haben Menschen im 12. Jahrhundert hoch oben in einer 500 Meter hohen Flanke des Berges Ereschti eine ganze Höhlenstadt geschlagen, die einst 50.000 Menschen Unterschlupf bot.
Gestärkt vom guten Essen und nach einer kurzen Fahrt steigt die Gruppe gut 100 Höhenmeter dem zerklüfteten Hang mit seinen Höhlen entgegen. Oben erwartet die Besucher ein Labyrinth aus Gängen, Wohnräumen mit Vorratskammern, den Spuren einer Bäckerei und einer Apotheke sowie mehrere Weinkeller und ein Raum, in dem eiskaltes, klares Gebirgswasser gesammelt wurde. Im Höhlenkloster beeindrucken Originalfresken, unter anderem von König Giorgi III. mit seiner Tochter, der späteren Königin Tamara. Der Regent hatte das Höhlenbauwerk einst als Grenzfestung gegen die nur ein paar Kilometer entfernt stationierten Türken errichtet.

Reisetipp Georgien: Aufbruch im Kaukasus

Noch während der Rückfahrt ist die Gruppe tief beeindruckt vom Leben dort oben in den Höhlen. Schaut man aus dem Fenster des Kleinbusses, so wechseln sich tief eingeschnittene Täler mit savannenartigen Landschaften ab. In der Stadt Achalziche muss der Busfahrer Ruhe bewahren, treibt doch ein berittener Viehtreiber mit Peitsche, einem Cowboy ähnlich, seine Rinderherde über eine belebte Kreuzung der 20.000-Einwohner-Stadt. Alle Fahrer warten geduldig, wie so oft bei ähnlichen Situationen, wenn riesige Schaf- oder Rinderherden über Hauptstraßen getrieben werden.

Karsthöhlen und Kloster

Das nächste Ziel liegt tief unter der Erde. Der Weg zum Eingang in die Unterwelt führt vom Osten des Landes über den Rikoti-Pass nach Westgeorgien. Im ehemaligen Kurort Zkaltubo sieht man an den verfallenen Kurhäusern, dass die russischen Kurgäste, die einst Wohlstand brachten, schon seit Langem fehlen. Zählte der Ort doch seinerzeit zu den beliebtesten Kurorten der Sowjetunion. Nicht weit entfernt geht es in Kutaisi tief unter die Erde. Gigantische Stalaktiten und Stalagmiten begleiten den Weg durch diese Karsthöhle. Wanderer haben sie in den 1940er-Jahren zufällig entdeckt, und 2014 wurde sie für Besucher begehbar gemacht. Kutaisi hat aber noch eine weitere Attraktion zu bieten: Hoch oben am Berg thront das Kloster Gelati, eine der vielen Unesco-Welterbestätten des Landes. Es wurde 1106 erbaut und diente bis ins 16. Jahrhundert als Akademie, die sich damals zum kulturellen Zentrum des Landes entwickelte.

Die Dreifaltigkeitskirche Gergeti in Kasbegi. Shutterstock
Die Dreifaltigkeitskirche Gergeti in Kasbegi. Shutterstock

Von Kutaisi in Richtung der Hauptstadt Tiflis, oder Tiblissi, wie sie in Georgien genannt wird, bis Gori, dem Geburtsort von Stalin, den sie in dieser Stadt heute noch zum großen Teil als einen der ihren verehren, sind es gute vier Autostunden. In Gori biegt die Georgische Heerstraße ab in Richtung Großer Kaukasus und weiter ins nahe gelegene Russland. Kurz vor dem Kreuzpass in 2400 Metern Höhe macht sich ein neuer Wintersportort mit schicken Hotels für den Ansturm bereit. Am Pass selbst ist ein Busstopp an einem Friedhof angebracht, an dem deutsche Kriegsgefangene begraben sind, die in russischer Gefangenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg die Georgische Heerstraße unter großen Strapazen gebaut haben. Einige Kurven abwärts in Kasbegi kurz vor der russischen Grenze ist der Anziehungspunkt die kleine Gergeti-Dreifaltigkeitskirche. Sie thront eindrucksvoll auf einem Hügel auf 2170 Metern Höhe in Sichtweite des 5047 Meter hohen schneebedeckten Kasbek. Gebaut wurde sie im 14. Jahrhundert nach dem Mongolenkrieg. Allerdings hatten es die Christen in dieser rauen, unwirtlichen Berggegend seinerzeit schwer, ihren Glauben gegen die alten Brauchtümer und heidnischen Riten durchzusetzen. So bekannten sich damals viele auch nur zum Schein zum Christentum.

Traditionell reift der Wein in den im Boden eingelassenen tönernen Amphoren. Shutterstock
Traditionell reift der Wein in den im Boden eingelassenen tönernen Amphoren. Shutterstock

Tage später an den Südhängen des Großen Kaukasus in der Region Kachetien. Hier, zwei Autostunden von Tbilissi entfernt, herrschen beste Anbaubedingungen für erstklassige Rebsorten. „500 verschiedene endemische Traubenarten gibt es hier bei uns in Georgien. Also Sorten, die nur hier wachsen“, erzählt die Reiseleiterin Tinatin stolz bei der Besichtigung eines Weingutes auf der Kachetinischen Weinstraße. Dabei wird den Gästen gezeigt, wie der Wein hier traditionell seit 8000 Jahren gekeltert wird. So kamen die Trauben früher in ein Holzfass und wurden mit den Füßen zerstampft. Heute hat man dafür Handpressen, die über einer in der Erde eingelassenen tönernen Amphore, der „Kveri“, stehen. Dort hinein kommen dann die zerquetschten Reben samt Schalen und Kernen, die Maische. „Sechs Tage lang wird alles gut verrührt. Dann wird die Amphore sechs Monate lang gut verschlossen und danach die Maische entfernt. Und dann, strahlt Tinatin, kann der Wein getrunken werden. Wozu die Gäste dann auch herzlich eingeladen werden.

Moderne Architektur in Tiflis

Zurück in Tiflis erstaunt die Hauptstadt die Gäste, abgesehen vom Dauerhupen auf den oft verstopften Straßen, mit einem wohltuend entspannten kulturellen Nebeneinander. Befinden sich doch inmitten von hölzernen Terrassenhäusern und Betonkästen aus russischen Zeiten auf engstem Raum armenische und georgische Kirchen neben einer Synagoge und einer sunnitischen Moschee. Vielleicht hat Geldmangel der Stadt seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 auf die eine Weise gut getan. In der einst reichen Stadt am Schnittpunkt mehrerer Handelsstraßen zwischen Asien und Europa blieben auf diese Weise den vielen alten Häusern die Abrissbirnen erspart. Dazwischen moderne Kunst wie die aufwendig gestylte Friedensbrücke aus Powerglas über dem Fluss Mtkwari. In der Nähe zwei riesige Glasröhren, die einst bei der Planung als Kunsthalle gedacht waren. Heute weiß man mit ihnen nichts mehr anzufangen und denkt kurz vor der Fertigstellung über ein Weinmuseum nach. In Reichweite führt eine Seilbahn zur Festung Narikala hinauf. Von dort fällt der Blick auf die runden Steinkuppeln der berühmten Schwefelbäder, die zur Gründung der Stadt im 5. Jahrhundert führten. Zurück in der Altstadt sitzen die Gäste noch lange inmitten von hübschen Backsteinbauten mit Holzbalkonen, trinken Wein und schwärmen von diesem besonderen Reiseziel.  Gerd Krauskopf  (SRT)

Georgien

Hauptstadt Tiflis

Zeitliche Differenz UTC+4

Währung Lari

Schrift Georgisches Alphabet

Sprache Georgisch, Regionale Amtssprache: Abchasisch

Anreise Derzeit werden regelmäßig Direktflüge von Memmingen nach Tiflis angeboten.