Neue Wehrpflicht noch heuer

Regierungsparteien wollen gleich verhandeln. Ziel: Ordentliche Ausbildung für alle Präsenzdiener.
Wien. (VN-joh) Wochenlang hatte Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) von einer „megasinnlosen“ Wehrpflicht gesprochen. Seit Sonntag ist alles anders. Darabos will das Ergebnis der Volksbefragung akzeptieren und die Wehrpflicht reformieren. Seine Vorstellung dazu will er bereits in der heutigen Regierungssitzung präsentieren. Außerdem will er eine ressortinterne Arbeitsgruppe installieren und das Gespräch mit Vertretern anderer Parteien suchen. Umgesetzt werden soll die Reform noch heuer – und zwar bis zum Ende der Legislaturperiode, also etwa den Nationalratswahlen Ende September, Anfang Oktober.
Mikl-Leitner, Kopf verhandeln
„Ab Herbst darf es keinen einzigen Präsenzdiener mit Leerlauf mehr geben“, meinte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gestern auf einer Pressekonferenz mit ÖVP-Chef Michael Spindelegger und machte damit klar, dass es zumindest in zeitlicher Hinsicht eine Übereinstimmung zwischen Darabos und der Volkspartei gibt. Die ÖVP will mit dem Verteidigungsminister eine Verhandlungsgruppe bilden und neben Mikl-Leitner Klubobmann Karlheinz Kopf dorthin entsenden (siehe auch nachfolgendes Interview dazu).
Ursprünglich hatte Spindelegger angekündigt, am Tag nach der Volksbefragung die Reformvorstellungen der ÖVP zu präsentieren. Gestern winkte er jedoch ab: Zwar zeigten Mikl-Leitner und er Journalisten auf ihrer Pressekonferenz ein Papier; den Inhalt, ein 12-Punkte-Programm, wollten sie aber nicht im Detail vorstellen: „Ich bitte um Verständnis, dass wir unsere Vorstellungen zuerst dem Koalitionspartner zeigen“, so Spindelegger.
Sicherheitsstrategie kommt
Veränderungen wie sie ÖVP-intern im vergangenen Sommer unter dem Arbeitstitel „Österreich-Dienst“ diskutiert wurden, sind allerdings verschwunden, wie Spindelegger und Mikl-Leitner andeuteten. So ist keine Verschärfung der Tauglichkeitsbestimmungen mehr dahingehend vorgesehen, dass jeder, der nicht berufsunfähig ist, eingezogen wird. Verschwunden ist auch der Plan, den Grundwehrdienst in fünf Monate Ausbildung und dann später folgende Übungen im Umfang eines weiteren Monats zu gliedern.
Geht es nach der ÖVP, dann soll zunächst einmal die Sicherheitsstrategie beschlossen werden, die seit bald einem Jahr im Nationalrat liegt. Darin werden Rahmenbedingungen wie die europäische Integration und mögliche Herausforderungen wie Cyberattacken und internationaler Terrorismus, aber auch zunehmende Katastrophen infolge des Klimawandels skizziert. Umstritten war bisher, ob die Wehrpflicht oder ein Berufsheer die beste Antwort darauf ist. Doch dieses Thema hat sich mit der Volksbefragung erledigt.
Die ÖVP-Reformvorstellungen zur Wehrpflicht orientieren sich an den Vorschlägen, die Innenministerin Mikl-Leitner bereits vor zwei Wochen gemacht hat (die VN berichteten). Demnach soll es bei der Stellung einen „Talente-Check“ geben, der einen sinnvollen Einsatz von vornherein sicherstellt. Die Zahl der Systemerhalter, die Rasen mähen, Kartoffeln schälen oder Kanzleiarbeit erledigen, soll um die Hälfte reduziert werden. In der Ausbildung sollen vier Fähigkeiten gefördert werden: Gesundheit, Sport und Ernährung; eine umfassende Erste-Hilfe-Ausbildung; eine ABC- und Katastrophenschutz-Ausbildung; Staatsbürgerschaftskunde und Wertevermittlung. Darüber hinaus soll es Zusatzangebote wie Sprachkurse geben.
Auch Zivildienst reformieren
Attraktivieren will Mikl-Leitner auch den Zivildienst. Dieser soll auch Frauen zugänglich sein. Außerdem sollen die Dienstzeiten besser auf die Bedürfnisse der Teilnehmer abgestimmt werden, so dass es etwa einem Zivildienes erleichtert wird, nebenbei zu studieren.
Die ersten Knackpunkte für die Verhandlungen tun sich bereits auf: Darabos meint, dass mehr Geld nötig wird. Spindelegger winkt ab: „Wer bei Reformen nach mehr Geld ruft, hat den Sinn von Reformen nicht verstanden.“
59,7 Prozent für Wehrpflicht
Seit gestern liegt das amtliche Ergebnis der Volksbefragung vor: 59,7 Prozent für die Wehrpflicht, 40,3 Prozent für das Berufsheer. Die Wahlbeteiligung betrug 52,4 Prozent.
Ab Herbst darf es keinen Präsenzdiener mit Leerlauf geben.
Johanna Mikl-leitner
