Jesuiten: Ihr Zauberwort heißt Verfügbarkeit

Orden legt enormen Wert auf Bildung und steht der Kirche kompromisslos zu Diensten.
Wien. (VN-tm) Der Feldkircher Jesuit Christian Marte (48) erfuhr von der Papstwahl, als er in Innsbruck „vor 200 Marketingmenschen“ einen Vortrag hielt. Per SMS: „Weißer Rauch.“ Ein Ordensbruder zieht im Petersdom ein? Das hat den 48-jährigen Leiter des Kardinal-König-Hauses schon „sehr überrascht“. Ein historisch einmaliges Ereignis. „Gab es doch noch nie einen Jesuiten als Papst.“ Das hat gute Gründe. Schließlich hat ein Papst den Orden spanischer Herkunft sogar einmal aufgelöst. Doch der Reihe nach.
Gegründet wurde der Jesuitenorden am 15. August 1534 in Paris durch den spanischen Adeligen Ignatius von Loyola und einige Studiengefährten. Der hochfahrende junge Mann hatte Monate hindurch eine herbe Verletzung nach einer Schlacht auskurieren müssen und sich in dieser Zeit bekehrt. Der junge Baske schuf die „Societas Jesu“. Heute führen 17.600 Jesuiten weltweit ein kompromissloses Leben nach seinem Vorbild.
Schwerpunkt Bildung
„Dem Ignatius war es immer wichtig, dass wir keine kirchlichen Ämter anstreben.“ Natürlich kennt Christian Marte Ausnahmen: „Kardinal Martini war so eine Ausnahme, Bergoglio offenbar auch.“ Wie wird man Jesuit? Indem man sich einem bis zu 17 Jahre dauernden Ausbildungsprozess unterwirft. Am Beispiel Martes sieht das so aus: „Zwei Jahre Noviziat, zwei Jahre Philosophiestudium in München, eineinhalb Jahre Jugendarbeit in Innsbruck, zwei Jahre Theologie in London, zwei Jahre Theologie in Innsbruck.“ 2008 wurde Marte zum Priester geweiht. Im selben Jahr übernahm er die Leitung des Kardinal-König-Hauses. Und nun reist er für neun Monate in die USA, um im sogenannten „Tertiat“ seine Ausbildung abzuschließen. Und wie? „In 30-tägigen Schweigeexerzitien, indem ich noch einmal gründlich die Satzungen des Ordens studiere.“ Monatelang wird Marte in der Pfarrarbeit Dienst tun oder in der Hospiz, „wo man mich gerade braucht“.
„Kannst du dir das vorstellen?“
Das wird sich ein Leben lang nicht ändern. Jesuiten tragen keine Kutten und leben nicht in Klöstern. Sie sind für die Kirche überall und jederzeit verfügbar. Demut spielt eine ganz wesentliche Rolle. Die Frage, die ein Oberer dem einzelnen Ordensmitglied stellt, lautet „Kannst du dir das vorstellen?“ Die Antwort lautet in der Regel „ja“.
Jesuiten haben sich immer in den gesellschaftspolitischen Diskurs eingemischt. 1773 löste Papst Clemens XIV. den Orden deshalb sogar auf. 1814 ließ Pius VII. die „Gesellschaft Jesu“ wieder zu.
„Wir sind dazu ausgebildet, einen eigenen Kopf zu haben und selber zu denken“, sagt Marte. Eines der größten Geschenke seines Ordens an die Kirche ist aber eine Methode der Versenkung. Die „Ignatianischen Exerzitien“ sind sozusagen das christliche Pendant zu fernöstlichen Mediationspraktiken. „Ein Weg zu einer inneren Freiheit, den man einüben kann.“ Jesuiten sind „geistlich, herzlich, praktisch“. Als die Kardinäle nach der Papstwahl in ihr Hotel zurück wollten, standen ein Bus und eine Limousine für den Papst bereit. „Franziskus ist in den Bus eingestiegen.“ Marte erwartet ein erfrischend einfaches Pontifikat. ##Thomas Matt##