Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Mächtiger Franziskus

Spezial / 15.03.2013 • 21:56 Uhr

Die Herzen vieler Argentinier hatte der neue Papst mit seinem einfachen Lebensstil und seinem unermüdlichen Einsatz für die Armen von Buenos Aires längst gewonnen. Mittwochabend kamen nach wenigen Minuten auch noch diejenigen der meisten Fernsehzuschauer und Pilger aus anderen Ländern dazu, die seinen ersten Auftritt auf dem Balkon des Petersdoms verfolgten; dazu genügte eine Geste: Franziskus bat, für ihn zu beten und verbeugte sich.

Allein das machte klar, dass sich der 76-Jährige weniger als „Heiliger Vater“ versteht. Sondern als Teil der Herde. Wobei es sich um kein ängstliches Abtauchen, ja Verstecken handelt, sondern ein Zeichen der Größe: Als Kardinal benutzte Jorge Mario Bergoglio die U-Bahn und erfuhr als einer von vielen Passagieren automatisch die Sorgen und Nöte der Menschen. Um dann regelmäßig die herausragende Bedeutung seines Amts zu nutzen, um Politikern die Leviten zu lesen.

Franziskus wirkt wie ein unscheinbarer, netter Pater, harmlos ist er aber nicht. Ganz im Gegenteil, in seiner Heimat hat er es mit seiner Art zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten gebracht. Ex-Präsident Néstor Kirchner soll ihm, seine Worte fürchtend, aus dem Weg gegangen sein.

Auch als Papst ist er sehr mächtig. Nicht nur wegen des öffentlichen Zuspruchs, sondern vor allem wegen des Votums der Kardinäle für ihn: Nachdem er schon nach fünf Wahlgängen die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht hatte, ist er ganz sicher keine Kompromisslösung.

Diesen Vorschuss wird Franziskus in den nächsten Monaten nutzen oder verspielen. Seine erste und wichtigste Aufgabe ist nämlich eine radikale Erneuerung der römischen Kurie, die für die jahrzehntealte Blockade in der katholischen Kirche hauptverantwortlich ist. Das ist ein Kraftakt, der nur schnell oder gar nicht gelingt.

Glückt dem neuen Papst dieses Mammutprogramm, hat er das Zeug, als ganz Großer in die Geschichte einzugehen. Viele seiner Positionen mögen konservativ und verstörend sein. Aber Franziskus hat das Ohr beim Volk, bei den Priestern und den Bischöfen. Und in diesem Sinne wird er die Kirche nicht gegen sie, sondern mit ihnen führen.

johannes.huber@vn.vol.at, 01/3 17 78 34-10