Erhöhte Alarmbereitschaft

Spezial / 10.04.2013 • 21:29 Uhr
An der Grenze: Südkoreaner lassen Luftballons mit Friedensbotschaften steigen und hoffen, dass sie im Norden ernst genommen werden. Foto: RTS
An der Grenze: Südkoreaner lassen Luftballons mit Friedensbotschaften steigen und hoffen, dass sie im Norden ernst genommen werden. Foto: RTS

Atomare Bedrohung: USA und Südkorea warnen Nordkorea vor Raketenstart.

Seoul. Südkorea und die USA erhöhten in Erwartung des möglichen Starts einer Mittelstreckenrakete in Nordkorea die Alarmbereitschaft für ihre Streitkräfte. Das gemeinsame Truppenkommando setzte gestern das vierstufige Warnsystem von Stufe drei auf zwei, wie das Verteidigungsministerium bestätigte. Stufe zwei wird bei Anzeichen für eine „kritische Bedrohung“ wirksam, Stufe eins gilt für Kriegszeiten. Allerdings erhöht die Einstufung nicht die allgemeine Alarmbereitschaft der Armee. Stattdessen werden Überwachung und geheimdienstliche Tätigkeiten verstärkt.

Raketenstart jederzeit möglich

Pjöngjang könne jeden Moment aktiv werden, ein Raketentest des Nordens stehe unmittelbar bevor, sagte der südkoreanische Außenminister Yun Byung-se vor dem Parlament. Zwei nordkoreanische Mittelstreckenraketen waren vor Kurzem an die Ostküste des Landes verlegt worden. Der südkoreanische Geheimdienst hält es für wahrscheinlich, dass die Raketen noch in dieser Woche abgefeuert werden.

Wegen der Vorgänge in Korea befindet sich auch die japanische Armee „in vollem Alarmzustand“, wie Verteidigungsminister Itsunori Onodera vor Journalisten sagte. In der Hauptstadt Tokio sind Patriot-Abwehrraketen statio­niert. Zudem entsandte die Marine Zerstörer mit Abfangraketen ins Japanische Meer.

Die nordkoreanische Staatszeitung „Rodong Sinmun“ warf Tokio unterdessen „militärisches Abenteurertum“ vor. Die Armee des kommunistischen Regimes sei in der Lage, „US-Militärstützpunkte nicht nur in Japan, sondern auch anderswo im asiatisch-pazifischen Raum zu vernichten“. Die Rakete könne jedoch nicht das amerikanische Festland treffen, sagte der Kommandeur der US-Streitkräfte im Pazifik, Admiral Samuel Locklear. Auch er bestätigte dass Nordkorea mindestens eine Mittelstreckenrakete an die Ostküste des Landes verlegt habe.

Grenze zu China geschlossen

Unterdessen ist der wichtigste Grenzübergang zwischen China und Nordkorea geschlossen. „Es ist Reisebüros nicht mehr erlaubt, Touristengruppen dorthin zu bringen, da die nordkoreanische Regierung Ausländer bittet, das Land zu verlassen“, sagte ein chinesischer Grenzbeamter. Seines Wissens könnten Geschäftsleute nach Nordkorea aber „frei einreisen und es verlassen“.

USA ändert Sicherheitspolitik

Nur Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un weiß, welche Ziele er mit seinem Kampfgetöse verfolgt. Dass er seinem Erzfeind USA damit in die Hände spielt, gehört sicherlich nicht dazu. Doch Kims Drohungen mit einem atomaren Angriff auf Südkorea und US-Ziele bestärken die Regierung in Washington, ihre Sicherheitspolitik stärker auf die Asien-Pazifik-Region auszurichten. China bedauere das, sagte Sun Zhe, der Direktor des Zentrums für chinesisch-amerikanische Beziehungen an der Tsinghua-Universität in Peking.

Denn selbst wenn die Aufrüstung der USA gegen Nordkorea gerichtet und nur vorübergehend ist, könnte sie jederzeit ausgeweitet werden und die Waffen gegen China und sein enormes Arsenal richten. Dieses soll aber eigentlich im Falle eines Konflikts einen Vormarsch des US-Militärs in Regionen nahe der Volksrepublik abwehren.

Patriot-Raketen zur Abwehr mitten in Tokio. Foto: EPA
Patriot-Raketen zur Abwehr mitten in Tokio. Foto: EPA
Flucht aus der Wirtschaftszone in Nordkorea. Foto: EPA
Flucht aus der Wirtschaftszone in Nordkorea. Foto: EPA
Erhöhte Alarmbereitschaft

Chronologie

22. Jänner 2013: Nach einem Raketenstart Nordkoreas im Dezember 2012 weitet der UN-Sicherheitsrat seine Sanktionen gegen das Land aus.

24. Jänner: Pjöngjang verschärft den Ton und bestätigt Pläne für neue Atom- und Raketentests. Sie sollen direkt auf den „Erzfeind“ USA abzielen.

25. Jänner: Der Norden droht Südkorea für den Fall, dass es den UN-Sanktionsbeschluss umsetzt, mit militärischer Gewalt. Nordkorea erklärt die Vereinbarung mit Südkorea von 1992 über die „Denuklearisierung auf der koreanischen Halbinsel“ für ungültig.

12. Februar: Trotz aller Warnungen unternimmt Nordkorea einen neuen Atomtest und löst damit weltweit scharfe Kritik aus.

13. Februar: Nach dem Atomtest will Südkorea die Entwicklung neuer ballistischer Raketen mit einer Reichweite von 800 Kilometern vorantreiben und beginnt viertägige Seemanöver.

24. Februar: Pjöngjang fühlt sich von den geplanten jährlichen Manövern der USA mit Südkorea provoziert. Ein Militärvertreter aus dem Norden warnt einen US-General per Telefon, die Lage sei so ernst, dass „jeden Moment ein Krieg ausbrechen kann“.

1. März: Die USA und Südkorea beginnen ihre Frühjahrsübung „Foal Eagle“. Etwa 10.000 US-Soldaten nehmen teil.

7. März: Trotz Kriegsdrohungen aus Pjöngjang beschließt der UN-Sicherheitsrat scharfe Sanktionen gegen Nordkorea. Das Regime droht den USA mit einem Atomschlag.

8. März: Das kommunistische Land kündigt an, den Waffenstillstand von 1953 zur Beendigung des Korea-Kriegs nicht mehr anzuerkennen. Pjöngjang kappt den „Heißen Draht“ nach Seoul im Grenzort Panmumjom.

15. März: Nordkorea feuert zwei Testraketen mit kurzer Reichweite ab. Die USA reagieren mit einer verstärkten Raketenabwehr auf die jüngsten Angriffsdrohungen aus Nordkorea.

21. März: Als Reaktion auf Übungsflüge amerikanischer B-52-Langstreckenbomber in Südkorea droht Nordkorea den USA mit möglichen Angriffen auf ihre Militärstützpunkte in Japan und Guam.

26. März: Nordkorea setzt alle Feldartillerieverbände – inklusive der strategischen Raketeneinheiten – in „Gefechtsbereitschaft“.

28. März: Die US-Luftwaffe entsendet zwei atomwaffenfähige Tarnkappenbomber vom Typ B-2 Spirit nach Südkorea.

29. März: Als Reaktion auf die Flüge der Tarnkappenbomber verschärft Nordkorea seine Atomkriegsdrohungen. Kim Jong-un habe den Befehl erteilt, die strategische Raketeneinheiten in Angriffsbereitschaft zu versetzen, berichten die Staatsmedien.

30. März: Nordkorea erklärt, das Land sei im Verhältnis zu Südkorea in den „Kriegszustand“ eingetreten.

2. April: Angesichts immer neuer Kriegsdrohungen Nordkoreas verstärken die USA ihre militärische Präsenz in der Region. Zudem kündigt das nordkoreanische Regime an, einen abgeschalteten Kernreaktor wieder in Betrieb zu nehmen.

3. April: Nach der Entsendung von zwei US-Kriegsschiffen in den West-Pazifik droht Nordkorea den USA offiziell mit einem möglichen Atomschlag. Das Regime verbietet Pendlern aus Südkorea den Zugang zu der gemeinsamen Sonderwirtschaftszone Kaesong.

4. April: Nordkorea verlegt nach Angaben des südkoreanischen Verteidigungsministeriums eine Mittelstreckenrakete an die Ostküste.

5. April: Nordkorea legt mehreren Ländern den Abzug ihrer Diplomaten aus Pjöngjang nahe – auch Deutschland. Einem Medienbericht zufolge wird eine zweite Mittelstreckenrakete an die Ostküste gebracht.

7. April: Die USA senden ein Signal der Entspannung und verschieben den geplanten Test einer Interkontinentalrakete in Kalifornien. Südkorea droht seinem Nachbarland mit schwerer Vergeltung, sollte es zu einem Angriff kommen.

8. April: China und Russland warnen Pjöngjang vor weiteren Provokationen. Damit scheint das kommunistische Regime zwei seiner letzten Verbündeten zu verlieren (zu den Verbündeten zählen noch Kuba und der Iran). Das Regime schließt den Industriepark in Kaesong.

9. April: Pjöngjang legt allen in Südkorea lebenden Ausländern das Verlassen des Landes nahe.