„Schon lange gebrodelt“

Spezial / 12.06.2013 • 21:45 Uhr

Die Türken wollen sich von Erdogan nicht vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben.

Wien. (VN-joh) Die in der Türkei geborene Grünen-Landtagsabgeordnete Vahide Aydin verfolgt die Entwicklungen mit Sorge und hofft, dass sich die Zivilgesellschaft durchsetzt.

Sind Sie vom Ausmaß der Proteste überrascht?

Aydin: Gebrodelt hat es schon lange. Dieser Aufstand der Zivilgesellschaft hat mich dennoch überrascht.

Was hat das Fass zum Überlaufen gebracht?

Aydin: Das gewalttätige Vorgehen der Polizei.

Steht hinter den Protesten die Angst vor einer Islamisierung der Türkei unter Erdogan?

Aydin: Die Politik des Premierministers hat zu einem Wirtschaftswachstum geführt. Auf der anderen Seite will er eine Islamisierung. Das ist paradox: Die Menschen entwickeln sich und sind gut ausgebildet, um erfolgreich sein zu können. Umso weniger wollen sie sich vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben, wie es ­Erdogan möchte, indem er z. B. den Schwangerschaftsabbruch verbietet und meint, jede Frau solle drei Kinder kriegen. Das ist ein zu starker Eingriff ins Privatleben.

Wie wird es weitergehen?

Aydin: Wenn es zu einem Dialog kommt, besteht die Chance, dass sich die Türkei in Richtung einer modernen Demokratie bewegt. Wenn nicht, möchte ich mir nicht vorstellen, was passiert.

Was soll Österreich tun?

Aydin: Österreich, aber auch andere Länder sollten die Türkei dringend auffordern, die Gewalttätigkeiten gegen die Zivilbevölkerung sofort einzustellen.

Das Vorgehen der Polizei brachte das Fass zum Überlaufen.

Vahide Aydin, Abgeordnete