IS bekennt sich zum Anschlag in der deutschen Hauptstadt

Spezial / 20.12.2016 • 22:44 Uhr
Berlin gedenkt Terroropfern: Das Brandenburger Tor erstrahlt erstmals in den deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold.
Berlin gedenkt Terroropfern: Das Brandenburger Tor erstrahlt erstmals in den deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold.

Mitglied der Terrormiliz soll angeblich mit Lkw in Menschenmenge gerast sein. Verdächtiger freigelassen.

berlin. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat sich zu dem Lastwagen-Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin bekannt. Über sein Sprachrohr Amaq beanspruchte der IS den Angriff mit zwölf Toten am Dienstagabend für sich. Der Täter sei ein „Soldat des Islamischen Staates“ gewesen, meldete Amaq im Internet. Die Echtheit der Nachricht ließ sich zunächst nicht verifizieren. Sie wurde aber über die üblichen IS-Kanäle im Internet verbreitet.

Täter auf der Flucht

Die Sicherheitsbehörden hatten zuvor die Vermutung geäußert, dass der Anschlag einen islamistischen Hintergrund habe. Die Vorgehensweise des Täters und die Tatsache, dass dieser einen Weihnachtsmarkt als Ziel ausgewählt habe, ließen auf ein islamistisches Motiv schließen, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank. Man müsse aber weiter in alle Richtungen ermitteln. Der Täter ist offenbar noch auf der Flucht. Ein am Tatabend festgenommener Verdächtiger wurde am Dienstag wieder freigelassen. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse hätten keinen dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergeben, erklärte Frank.

Der IS hatte sich im vergangenen Juli auch zu dem Anschlag in Nizza bekannt, wo ein Tunesier mit einem Lastwagen 86 Menschen getötet hatte. Die Extremisten reklamierten kurz danach auch die Anschläge in einem Zug in Würzburg und bei einem Musikfestival in Ansbach für sich.

Am Montagabend war ein Mann mit einem vermutlich entführten Lastwagen in den Weihnachtsmarkt nahe der Gedächtniskirche im Herzen Berlins gerast. Zwölf Menschen starben, rund 50 wurden teils lebensgefährlich verletzt. Danach wurde ein 23 Jahre alter Verdächtiger, der aus Pakistan stammt und als Flüchtling nach Deutschland gekommen sein soll, festgenommen. Der 23-Jährige habe in seiner Vernehmung umfangreiche Angaben gemacht, eine Tatbeteiligung jedoch bestritten, erklärte die Bundesanwaltschaft am Dienstagabend. Augenzeugen hätten den Lastwagenfahrer nach dem Anschlag nicht lückenlos verfolgt, die kriminaltechnischen Untersuchungen erbrachten bislang auch keinen Beleg, dass der Mann im Führerhaus des Lastwagens gewesen sei. Dort wurde nach Angaben aus Sicherheitskreisen blutverschmierte Kleidung gefunden, bei dem 23-Jährigen dagegen nicht.

Im Zuge des Anschlags starb auch ein polnischer Lkw-Fahrer. Er lenkte nach bisherigen Erkenntnissen den Lkw, bevor dieser in die Hände des Mannes fiel, der das Fahrzeug dann in die Menschenmenge fuhr. Der polnische Staatsbürger wurde erschossen.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich zutiefst erschüttert. „Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt. Auch wenn es in diesen Stunden schwerfällt: Wir werden die Kraft finden für das Leben, wie wir es in Deutschland leben wollen – frei, miteinander und offen“, sagte die CDU-Politikerin. Sie dankte den Ermittlern, die dabei seien, „diese unselige Tat aufzuklären“, und versprach: „Sie wird aufgeklärt werden – in jedem Detail, und sie wird bestraft werden, so hart es unsere Gesetze verlangen.“ Nach ihren Worten wäre es besonders schwer zu ertragen, wenn der Täter in Deutschland um Asyl gebeten habe – wie zunächst angenommen. „Dies wäre besonders widerwärtig gegenüber den Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind, und gegenüber den Menschen, die unseren Schutz tatsächlich brauchen und die sich um Integration in unser Land bemühen.“

Kritik an Asylpolitik

Nach dem Attentat forderte CSU-Chef Horst Seehofer eine Überprüfung und Neujustierung der Flüchtlingspolitik. „Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren“, sagte der bayerische Ministerpräsident. Staatsoberhaupt Joachim Gauck beschwor Zusammenhalt. „Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen. Er wird unser Miteinander nicht spalten“, sagte der deutsche Bundespräsident.

Der Hass der Täter wird unser Miteinander nicht spalten.

Joachim Gauck
Auf dem Weihnachtsmarkt bei der Gedächtniskirche bot sich ein Bild der Zerstörung.
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In der deutschen Hauptstadt herrscht nach der Bluttat Fassungslosigkeit. Trauernde legten am Tatort Blumen nieder und zündeten Kerzen an.
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