Eine ganze Talschaft ist schon verliebt in Europa

Tag eins der Winterspiele im Montafon. Ein Streizug durchs Tal abseits der Sportstätten.
Schruns-Tschagguns. Schon die zwei älteren Schrunser Damen an der Bushaltestelle sind bestens gelaunt. „Isch doch schö, dass mir sowas bi üs hond“, meinte die eine. Und die andere fügte aufgeregt hinzu. „So viel Prominenz im Tal. Des ischt was
bsundrigs.“ Sie selber würden jetzt aber an den Golm Ski fahren gehen. Ein Vergnügen, dass sich die rüstigen Mit-siebziger so oft wie möglich gönnen.
Im Organisationshauptquartier, einen halben Kilometer weiter an der Battlogstraße, wartet Werner Melchhammer auf Kundschaft. Der 72-Jährige ist Fahrer. Einer von 1200 Freiwilligen, ohne die es eine derartige Veranstaltung nicht geben könnte. „Mal sehen, wen ich heute wohin führen darf“, outet sich der Rentner als Mann mit Tatendrang.
Die EYOF-Torte
Das Montafon scheint sich schon am ersten Tag in Europa zu verlieben. Und umgekehrt. Die strahlende Morgensonne tut ihr Übriges zur guten Stimmung im Tal. In Tschagguns begegnen einem in der Früh bereits uniform adjustierte Sportler aus mehreren Nationen, spaziert man nach Schruns, so wird das Bild immer bunter. Im Cafe‘ Frederic direkt neben dem zum „Medal Plaza“ umfunktionierten Dorfplatz hat sich Senior-Chefin Irmgard Senn (74) perfekt gestylt und freut sich schon auf die Gäste. Es stimmt, was man sich herumerzählt hat. Viele Köstlichkeiten des Cafès sind auf EYOF getrimmt. Fast alle Kuchen und Torten tragen ein schokoladenes Logo der Winterspiele. Die extra kreierte EYOF-Torte ist ein einziges Kunstwerk. Stolz zeigt sie die Chefin in die Kamera des VN-Fotografen. „Es tut uns allen gut, eine derartige Veranstaltung bei uns zu haben“, betont Senn. Sie erinnert sich an die legendären Goldschlüsselrennen, als Schruns die Damen-Skistars beherbergen durfte. „Jaja, das waren schöne Zeiten. Aber jetzt sind ja die Jungen da.“ Senn weiß noch nicht, ob sie das Café während der Medaillenzeremonien geöffnet halten soll. „Wir dürfen dann ja nicht zufahren, um Waren zu bringen.“
Betrieb im Käsehaus
Derartige Sorgen plagen Werner Fetz (43), Besitzer des Käsehauses an der Montfortstraße nicht. Der Bregenzerwälder aus Andelsbuch hat fixe Öffnungszeiten. Und vor allem über Mittag mit seinem Team alle Hände voll zu tun. Er verköstigt zahlreiche Mitarbeiter der EYOF. „Ich habe mir für die Veranstaltung einen neuen Backofen gekauft. Mit dem kann ich zum Beispiel 150 Kilo Schweinsbraten machen“, erwähnt der Wälder stolz. Eine riesige Glasvitrine beherbergt sein reichhaltiges Käsesortiment. Damit ist er zu einem kulinarischen Kulturbotschafter geworden. Die deutsche Biathletin Magdalena Liebscher aus Sachsen ist schon nach einem Tag Fan des Käsehauses. „Hier kann ich mich für meine sportlichen Aufgaben stärken“, bemerkt sie grinsend.
650 Mahlzeiten
Eine „Massenstärkung“ findet dieser Tage zu Mittag im Vorarlberger Schulsport-zentrum in Tschagguns statt. „Wir servieren täglich zwischen 600 und 650 Mahlzeiten. Das ist eine riesige Herausforderung. Wir waren sehr angespannt, ob uns das auch ohne Probleme gelingt. Heute, nach dem ersten Tag, kann ich sagen: Es ist uns gelungen.“ Der stellvertretenden Hausleiterin Carmen Rippl (54) fällt der Piz Buin vom Herzen. Zufrieden blickt sie in die nur karg gefüllte zum Speisesaal umfunktionierte Turnhalle. „Es klappt mit dem Essensplan. Die Gruppen kommen schön nacheinander.“
Ich habe für die Veranstaltung einen neuen Backofen gekauft.
Werner Fetz


