Deshalb wird die Formel 1 noch näher zusammenrücken

Im Gespräch mit VN.at klärt Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz (76) auf. Seine Gedanken zur Formel eins sind dabei ebenso interessant wie seine Einschätzung der Salzburger Fußballwelt. Zudem gewährt Redakteur Gerhard Kuntschik einen Blick in sein Privatleben.
Salzburg Auch wenn sich Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz dieser Tage in die „Weihnachts-Quarantäne“, wie er selbst humorvoll sagte, zurückzog, nahm sich der 76-Jährige die Zeit für eine sportliche Bilanz der Saison und zugleich wagt er im Gespräch mit den VN einen Ausblick auf das kommende Jahr.
Ein kurioses Formel-1-Jahr ist eben zu Ende gegangen. Wie beurteilen Sie die Saison im Rückblick?
Bei AlphaTauri war sowohl die Leistung des Autos als auch von Pierre Gasly sehr gut. Da fällt die Bilanz eindeutig positiv aus. Bei Red Bull Racing sind wir immer näher an Mercedes herangekommen. Max (Anm. d. Red: Max Verstappen) war immer schnell, ein paar kleine Fehler können immer passieren. Er hat immer die Situation beherrscht, er zeigte, was er kann. Mercedes ist weiterhin eine große Herausforderung, von der Leistung des Autos noch immer voran. So ist es nun mal. Max verlor durch Ausfälle viele Punkte, mit denen er spielend Zweiter geworden wäre. Zweiter in der Konstrukteurswertung zu werden, das sind wir schon fast gewohnt, dieses Mal mit klarem Vorsprung auf die nächsten Teams. Die Saison war sehr wettbewerbsintensiv mit etwas Pech auf unserer Seite, aber insgesamt gut.
Dietrich Mateschitz und Thomas Überall Dietrich Mateschitz mit Hans-Joachim Stuck
Was erwarten Sie 2021? Kommt Red Bull Racing mit Verstappen/Perez näher an Mercedes heran, können die beiden um den Titel kämpfen?
Ja, nächstes Jahr wird noch viel enger. Alle rücken näher zusammen. Wir kommen Mercedes näher, aber McLaren, Aston Martin, Alpine (Anm. d. Red.: die neuen Namen von Racing Point und Renault) kommen auch näher an uns heran. Der Wettbewerb hinter Mercedes wird intensiv. Nicht zu vergessen AlphaTauri. Gasly hatte fahrerisch eine sensationelle Saison und jetzt viel Selbstvertrauen. Auch Daniil Kwjat hatte hervorragende Rennen, aber ihm fehlte die Konstanz.
Was entschied für Sergio Pérez und gegen Alex Albon?
Dass wir nächstes Jahr zwei starke Fahrer brauchen. Perez ist von der Performance her einer der Besten und hatte noch nie eine Chance in einem Auto wie unserem. Er hat sich diese Chance verdient. Unser Ziel war, das zweite Cockpit bestmöglich zu besetzen – und zwar ausschließlich nach Performance und unter dem Aspekt, wer mehr Punkte holen kann.
Waren die mexikanischen Sponsoren von Pérez ein Thema?
Ich weiß nicht einmal, wen er alles hat. Das gab keinen Ausschlag. Wenn er Sponsoren mitbringt, ist uns das willkommen. Es ist keine Mitgift für ein Cockpit, sondern ein Bonus für das Team.
Dietrich Mateschitz im Gespräch mit Helmut Marko (Mitte) und Dieter Quester
Haben sich Ihre thailändischen Geschäftspartner für Albon ausgesprochen?
Das haben sie noch nie. Das sind Erfindungen von manchen Leuten.
Der bisherige RBR-Titelsponsor Aston Martin bekommt ja sein eigenes Team, wird Red Bull diesen ersetzen können?
Ja, durch uns selbst. Aston Martin war ja der Sponsor für den Motor. Jetzt werden wir unser eigener Sponsor.
Das lässt sich finanziell bewerkstelligen?
Es muss.
Wird Red Bull mit seinen zwei Teams auch 2022, wenn der aktuelle Partner Honda ausgestiegen ist, weiter in der Formel 1 dabei sein?
Nach jetzigem Wissensstand ja.
Das heißt also, dass sich Red-Bull-Technology um den bisherigen Honda-Motor kümmern wird?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Wir können eine Partnerschaft mit einem anderen etablierten Hersteller eingehen oder überlegen, es selbst zu versuchen. Das ist noch nicht entschieden, muss aber bald klar sein. Wir brauchen ein Jahr Vorbereitungszeit.
Für wie lange wurde der Vertrag mit Liberty zum österreichischen GP verlängert?
Drei Jahre. Wir wollten uns nicht länger binden, weil man abwarten muss, wie die Zukunft aussehen wird. Nicht nur in der Formel 1, auch in der Wirtschaft und in der Welt.
Mit dem Saisonstart mit zwei Rennen ohne Zuschauer ebneten Sie in Spielberg den Weg zu einer F1-Saison. Wie ging sich das finanziell aus?
Die Veranstaltergebühren basieren auf Zuschauereinnahmen. Wenn es diese nicht gibt, kommt es zu einer Sondervereinbarung zwischen dem F1-Promotor (Liberty) und dem Veranstalter, und diese hatten wir. Das Projekt Spielberg kam gut durch die Zeit.
Die Formel E ist weiterhin kein Thema?
Nein.
Was sagen Sie zur Saison von KTM in der MotoGP?
Gewaltig. Riesenschritte wurden gemacht, die Fahrer waren gut, der Motor und das Motorrad auch – einfach Chapeau! Da muss man zu großartiger Arbeit in einer tollen Partnerschaft gratulieren.
Zum Fußball: Wie beurteilen Sie das Abschneiden von Salzburg und Leipzig, national und international?
Hervorragend. Im Fußball wäre es falsch – und es passiert auch nicht , dass man nur gewinnt. Selbst eine lange Serie, die wir hatten, ist irgendwann vorbei. Jetzt gibt es einen zweiten, dritten, vierten guten Klub in Österreich. Es war ja unsere ursprüngliche Intention, das Niveau der Liga zu heben. Mit unserer Philosophie, mit der Jugendarbeit. Wenn man schaut, wie gut sich heuer der LASK schlägt, auch Wolfsberg und Rapid , ist das nur gut für die Stärkung der Liga.
Dietrich Mateschitz mit seinem Sohn Mark Gerhardter (Mitte) in der Red-Bull-Arena
Sind Sie enttäuscht, dass es Salzburg nicht in die K.o.-Phase der Champions League schaffte?
Nein, im Gegenteil. Es ist nicht Aufgabe Salzburgs, in der Champions League weit zu kommen. Wir müssen uns qualifizieren, ja, aber wenn in der Gruppe Platz drei gelingt mit dem jüngsten Team der ganzen Champions League, ist das gut, damit können wir in der Europe League spielen und dort versuchen, so weit wie möglich zu kommen. Und Leipzig kam mit dem zweitjüngsten weiter.
Es wird immer die Bedeutung von Kontinuität im Sport betont, die scheint aber in Fußball-Salzburg nicht möglich. Ein Talent nach dem anderen wird abgegeben.
Das ist Bestandteil des Konzepts. Talente zu sichten, die ihren Weg machen können. Fast jedes Jahr konnten wir Spieler, die weggingen, gleichwertig durch Nachrücker ersetzen. Man muss auch die Wertschöpfung dazurechnen. Der Schlüssel zum Konzept ist unser tolles Scouting-Team. Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass aus Salzburg kommende Talente den Weg machen in die Premier League, Bundesliga oder Serie A. Die fallen dir ja gar nicht mehr alle ein. Das war unsere Idee, und sie war hervorragend – für Salzburg, für die Akademie. Unsers Scouts werden von Experten zu den besten der Welt gezählt.
Wie geht es in Brasilien voran?
Da sind wir erstmals überregional dabei. Die Akademie dort funktioniert viel besser als früher, als wir nur in Sao Paulo spielten. Jetzt haben die Kids mit Red Bull Bragantino die Chance in einer oberen Liga, das motiviert. Wir bekommen alle Talente dort, die wir wollen.
Wie sind Sie als Unternehmer durch das Coronajahr gekommen, was sind Ihr Wünsche?
Wir sind mit dem Unternehmen kontrolliert und ohne wirklich Schaden zu nehmen durch dieses Jahr gekommen. Die Produktion, die Logistik, die Rohstofflieferung, die Distribution, das alles blieb aufrecht. Von der Nachfrage her war kein Unterschied zu den letzten Jahren. Wirtschaftlich passt es also.
Gab es Kurzarbeit bei Red Bull?
Nie. In der Gastronomie, bei meinen Privatunternehmen, gab es ebenfalls keine.
Wie ging es Ihnen privat?
Meine privaten Befindlichkeiten? Bitte fragen Sie mich nicht! Ich weiß nicht, soll ich lachen oder weinen, es ist teilweise unerträglich. Man muss nicht mehr alles verstehen.
Dietrich Mateschitz mit Lebensgefährtin Marion Feichtner Dietrich Mateschitz mit Lebensgefährtin Marion Feichtner