Diesen Spieler hat ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick auf dem Radar

Sport / 29.08.2022 • 06:30 Uhr
Ralf Rangnick sprach mit den Bundesländerzeitungen über seine Ziele und über neue Spieler. <span class="copyright">Lorbeer</span>
Ralf Rangnick sprach mit den Bundesländerzeitungen über seine Ziele und über neue Spieler. Lorbeer

Im VN-Interview spricht der 64-jährige Deutsche über neue Spieler und den besonderen Duft im Reichshofstadion.

Wien Erstmals seit 1984 – Erich Hof bei einem Testspiel des ÖFB-Teams – besuchte mit Ralf Rangnick ein österreichischer Teamchef die Heimstätte der Lustenauer Austria. Am Tag danach nahm sich der 64-Jährige im Vorfeld der Nations-League-Spiele gegen Frankreich (22. September in Paris) und Kroatien (25. September in Wien) Zeit für ein Interview.

Was sagen Sie zu Aufsteiger Austria Lustenau?
Die waren ja bis zum gestrigen Spieltag Dritter. Also war das ein Spitzenspiel. Sie haben es sehr gut gemacht in der ersten Hälfte, weil sie sehr mutig agierten. Ein 2:2 wäre da nicht unmöglich gewesen. Aber in der zweiten Hälfte ist es relativ schnell gegangen. 0:6 klingt extrem, aber Lustenau hat das lange gut gemacht. Was ich noch sagen muss: Ich bin jetzt seit 40 Jahren im Fußball tätig. Es war herrlich in Lustenau. Es war Fußball, wie man ihn sich vorstellt. Ich fand es süß, weil der Stadionsprecher gesagt hat: „Wir bedanken uns bei 4500 Zuschauern und sind damit ausverkauft.“ Das passiert in einer ersten Liga sehr selten, dass du mit 4500 Zuschauern ausverkauft bist. Es war eine tolle Atmosphäre, der Platz war super. Und auch rundherum war es so, wie du dir Fußball vorstellst. Es war überall der Geruch von Bratwurst. Ich fand es klasse und habe es genossen.

Wieder Torschütze bei Clermont Foot: Muhammed Cham. <span class="copyright">afp</span>
Wieder Torschütze bei Clermont Foot: Muhammed Cham. afp

Der Ex-Lustenauer Muhammed Cham trumpft aktuell bei Clermont Foot auf. Findet sich sein Name auf Ihrem Zettel?
Klar, es gehört zu unserem Job, out-of-the-box-Spieler zu finden. Wenn sie dann noch so ein Profil haben, mit dem wir sonst nicht so üppig gesegnet sind, ist er natürlich interessant. Schnellere Konterstürmer, Tempodribbler etwa. Er hat bei Clermont in jedem Spiel von Anfang an gespielt. Da gibt es auch ein paar andere wie Marlon Mustapha bei Mainz, Flavius Daniliuc bei Nizza, Dijon Kameri macht es bei Liefering auch richtig gut.

Maximilian Wöber hat bei Ihnen schon linker Verteidiger gespielt. Bei Salzburg geht man ab von diesem Experiment. Was sagen Sie dazu?
Ich glaube nicht, dass es ein Experiment ist. Man hat ja auch im Nationalteam gesehen, dass Maxi es dort macht. Und ich habe Riesenrespekt vor Andi Ulmer, aber er wird nicht jünger. Er hat noch ein Jahr Vertrag. Da muss man sich Gedanken machen, wer sonst noch die Position spielen kann. Und es hängt davon ab, welche Alternativen es im Zentrum gibt. Im Nationalteam haben wir viel mehr Innenverteidiger, die den Anspruch haben, zu spielen. Salzburg hat ja auch nicht vier oder fünf Innenverteidiger auf hohem Niveau. Deshalb hat Maxi in Lustenau wieder einmal Innenverteidiger gespielt.

Wie sehr schmerzt der Rücktritt von Martin Hinteregger?
Überraschend kam es für alle Beteiligten. Man muss es einfach respektieren, wenn ein Spieler im besten Fußballeralter in einer Situation, in der sich sein Verein zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte und er selbst sich zum ersten Mal für die Champions League qualifiziert, sagt, er will nicht mehr. Dann muss es dafür schon ernstzunehmende Gründe geben. Es gibt ja viel mehr Gründe, die von der Ratio dafür sprechen. Bei aller Professionalität im Fußball ist das mehr als zu respektieren. Denn hier geht es um den Menschen. Martin hat sich dafür entschieden. Wenn er das für die richtige Entscheidung hält, muss man das akzeptieren.

Wie schauen Ihre Ziele für die beiden ausstehenden Spiele in der Nations League aus?
Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Das war in der Vergangenheit so und das wird auch in der Zukunft so sein. Wir versuchen auch in Frankreich zu gewinnen, obwohl wir wissen, dass es eine große Challenge ist. Aber das ist das Ziel und wir werden die Mannschaft so einstellen, dass wir versuchen das Spiel zu gewinnen, und das gleiche gilt für Kroatien auch. Der hauptsächliche Fokus ist dann natürlich die EM-Qualifikation. Es hilft nichts, beide Spiele zu gewinnen, Zweiter zu werden und uns nachher nicht für die EURO zu qualifizieren, deshalb sind wir gespannt auf die Auslosung im Oktober.

Gibt es diesbezüglich Wunschgegner?
Da gibt es auch Töpfe. Ich weiß gar nicht, wie diese aussehen. Da wird auch noch die Nations- League-Abschlusstabelle hineinspielen. Das ist dann noch einmal ein Punkt, weshalb es schön wäre, wenn wir zumindest Dritter werden. Das könnte ein Vorteil bezüglich der Töpfe sein. Ich denke, wir sind im zweiten. Aber sei es wie es will, wir werden alles tun, um uns zu qualifizieren.

Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Ich pendle noch zwischen Leipzig, wo ich meine Wohnung habe, und meiner Heimatstadt Backnang (Anm. d. Red.: in Baden-Württemberg) und bin auch öfter in Salzburg. Ich bin jetzt auf der Suche nach einem Ersatzstandort für Leipzig, das kann durchaus in Österreich sein. Kein Tag ist gleich, ich bin im ständigen Austausch mit meinen Kollegen, wir haben auch am Mittwoch einen Zoom Call, wo wir den Kader für den nächsten Lehrgang vorbesprechen wollen. Dann sind wir an jedem Wochenende unterwegs und schauen spiele an. Entweder live im Stadion oder Stefan Ösen schickt die Videos der Spiele zu.

Wie beurteilen Sie: Hat der Teamchef mehr oder weniger Arbeit?
Workaholic ist ja negativ behaftet. Doch es liegt immer an einem selbst, wie viel Zeit man investiert. Es ist sicher während der Lehrgänge gleich intensiv, aber ansonsten nicht vergleichbar mit der Tätigkeit eines Vereinstrainers. Wir haben ja keine Spieler, die wir trainieren können. Wir haben keinen Standort, wo wir sagen, wir machen heute irgendwas. Entscheidend ist, dass wir wissen, wie die Jungs drauf sind, dass keiner durch den Raster fällt. Ich habe auch vor, mich mit Irene Fuhrmann zu treffen, um sie kennenzulernen. Nicht, weil ich mich im Frauenfußball einbringen möchte, da hat sie selbst viel mehr Erfahrungswerte. Aber es ist wichtig, sich kennenzulernen und austauschen.

Eine persönliche Frage, entstammen Sie doch einer Flüchtlingsfamilie: Wie erleben Sie den Krieg in der Ukraine?
Es kann sich niemand vorstellen, dass wir mitten in Europa, ein paar Stunden von Wien aus, einen solchen Krieg haben. Das versteht keiner.

Kommen da Erinnerungen?
Mein Vater stammt aus Königsberg in Ostpreußen. Meine Mutter aus Breslau. Mein Vater ist 1931 geboren, meine Mutter 1932 – im Herbst 1944 mussten beide ihre Heimat verlassen, weil die Kriegssituation sie gezwungen hat. Ein paar Wochen später sind beide Städte in Schutt und Asche gelegt worden. In Backnang hat mein Vater Arbeit gefunden. Dort bin ich dann aufgewachsen.

2024 findet die EURO in Deutschland statt? Ihre Ziele mit der Nationalmannschaft?
Zunächst mal müssen wir uns qualifizieren. Das erwartet jeder von uns, das erwarte ich auch von uns. Und wenn wir uns qualifizieren, dann wollen wir auch in der Gruppe weiterkommen. Wir wollen auch aufzeigen und nicht einfach dabei sein.

Was trauen Sie RB Salzburg in der Champions-League-Gruppenphase zu?
Rang zwei ist möglich.