Entwicklungsvorsprung als neue Kontroverse

Lewis Hamilton sieht Langzeitdominanz von Red Bull.
Spielberg Die Dominanz von Red Bull Racing schmerzt jene besonders, die selbst eine solche jahrelang genossen: Mercedes und Ex-Champion Lewis Hamilton. Der Engländer plädierte vor dem Grand Prix von Österreich in Spielberg in Interviews und seiner Medienrunde dafür, eine frühe Entwicklung des nächstjährigen Autos zu verbieten. „Red Bull hat jetzt schon 100 Punkte Vorsprung, man braucht also die Konkurrenz nicht mehr fürchten und kann für 2024 arbeiten. Das verschafft wieder einen Vorsprung, denn die anderen, die noch um vordere WM-Ränge kämpfen, müssen sich auf das aktuelle Auto konzentrieren.“ Was Hamilton nicht erwähnte: 2013 machte Mercedes genau das, ließ Vettel und Red Bull triumphieren und arbeitete mit Akribie am neuen Hybridauto für 2014 – das eine Titelserie in der WM bis 2021 einleitete.
Max Verstappen reagierte auf Hamiltons Vorschlag unbeeindruckt bis süffisant: „Das Leben ist manchmal unfair, auch in der Formel 1. Damit muss man sich abfinden.“ Hamilton wiederum schwächte danach ab: „Das war auf niemanden bestimmten gemünzt, sondern allgemein gesprochen. Perioden einer Dominanz hat es immer gegeben und wird es wieder geben.“ Und der 38-Jährige gab zu: „Ich war in so einer glücklichen Phase, wie sie Max jetzt erlebt.“ Dennoch schlug er vor, eine Entwicklung des nächstjährigen Autos vor einem gewissen Datum zu untersagen, wobei er den 1. August als Möglichkeit nannte. „Wenn alle gleichzeitig zu entwickeln beginnen, ergäbe das vielleicht mehr Ausgeglichenheit.“ Wie so ein Zeitlimit zu kontrollieren sei (auch im Hinblick auf die Budget-Obergrenze) ist eine andere (unbeantwortete) Frage.
Dass Mercedes mehr als alle anderen ein Ende von Red Bulls Überlegenheit herbeisehnt, ist verständlich: Das siegverwöhnte britisch-deutsche Team gewann von den letzten 30 Rennen nur eines – durch George Russell im Vorjahr in Sao Paulo. Hamiltons letzter Sieg datiert mit 5. Dezember 2021 (Jeddah/Saudi-Arabien).
Wie sehr kränkelt Pérez?
Im Fahrerlager fiel gestern, dem üblichen Medientag, die Abwesenheit von Sergio Pérez auf. Offiziell wurde der WM-Zweite „krank“ gemeldet, ohne genauere Angaben. Sein Antreten im Training und Qualifying heute gilt aber noch als sicher. Sollte der Mexikaner tatsächlich ausfallen, könnte Daniel Ricciardo weit früher als angenommen zum Comeback bei Red Bull Racing als Rennpilot kommen.
Oder das Team geht ein Risiko ein und verhilft Junior Liam Lawson zum Debüt. Der in der japanischen Super Formula engagierte und dort um den Titel kämpfende Neuseeländer kam Donnerstag nach Spielberg, weil er in Japan derzeit frei hat. Es könnte sich bei Pérez aber auch um eine „taktische“ Abwesenheit gehandelt haben, um ihn nicht der ständigen Fragen nach seiner eventuellen Auswechslung auszusetzen. GK
„Das Leben ist manchmal unfair, auch in der Formel 1. Damit muss man sich abfinden.“
