
Vorarlbergs erfolgreichster Skifahrer feiert seinen 60. Geburtstag
Skistar und noch vieles mehr. Mit Marc Girardelli feiert einer der berühmtesten Vorarlberger am 18. Juli einen ganz besonderen Jubeltag.
Lustenau Es war in den 80er und 90er Jahren spannend über Marc Girardelli zu schreiben. Ein Skiheld der durch das ganze Spektrum von Triumph und Drama wedelt. Ein Rebell, der zusammen mit seinem Vater gegen unantastbar scheinende Establishments aufbegehrt.

Ein Europäer und Weltenbürger, der Österreich den Rücken kehrt und für Luxemburg siegt. Der in Italien genauso fasziniert, wie in Grönland, wo er als Sportler zum Trainieren kommt und als dekorierter Staatsgast geht.
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Buchautor mit Schriftstellerin Michaela Grünig. VN/Paulitsch
Triumph und Drama
Marc Girardelli hat den Skisport fast zwei Dekaden geprägt: Fünf Weltcupgesamtsiege, 46-Einzelsiege, elf WM-Medaillen (vier davon in Gold), zwei Olympiamedaillen, Sieger in allen Disziplinen.

Der Grat zwischen Held und tragischer Figur ist bei Marc jedoch immer ein schmaler, seine erlittenen Verletzungen sind so dramatisch wie seine Comebacks phänomenal.

Als er im Februar 1983 sein erstes Weltcuprennen, den Slalom im schwedischen Gällivare, gewinnt, folgt wenig später in den USA der Tiefschlag. Marc stürzt bei der Abfahrt in Lake Louise schwer, reisst sich alle Bänder im linken Knie, dazu noch einige Sehnen.

Seitdem ist er teilinvalid, kann das linke Knie nicht mehr abwinkeln. Was ihn nicht davon abhält, in der nächstfolgenden Saison fünf Slaloms zu gewinnen und im Gesamtweltcup den dritten Platz zu erringen.
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Ein eindrucksvolles Kapitel zum Thema Triumph und Tragödie schreibt Marc Girardelli auch 1989, drei Gesamtweltcupsiege später. Im Jänner gewinnt er die Abfahrtsklassiker von Wengen (mit dem damaligen Speedrekord von 158 km/h) und Kitzbühel. Im Dezember desselben Jahres baut er beim Super G von Sestriere einen Horrorsturz, segelt über den Pistenrand hinaus und wird auf dem dort aperen Hang wie eine Puppe herumgeschleudert. Ein Wunder, dass er nicht querschnittsgelähmt wird. Sein Körper ist ein einziges Hämatom.


Nach meinem Karriereende fühlte ich mich noch wie eine unter Volldampf fahrende Lok, die man nicht einfach abstellen.
Mein Vater ist ein ausgesprochen guter Kämpfer. Gleichzeitig ist er kein wahnsinnig talentierter Diplomat.
Am Start der Streif in Kitzbühel zu stehen, ist wie wen du ohne Fallschirm aus dem Flugzeug springst.
Die Beschäftigung mit Wissenschaft im allgemeinen und Physik im besonderen war für mich immer schon pure Entspannung.
Sprüche von Marc Girardelli

Das letzte Gold
Marcs Leben bleibt ein Tanz zwischen Extremen. Sportlich schon abgeschrieben und von vielen Verletzungen gezeichnet, gewinnt er 1996 für Außenstehende überraschend die Kombination bei der WM in der Sierra Nevada. „Es war zu jenem Zeitpunkt meine einzige Chance, noch etwas zu gewinnen. Ich habe sie genutzt“, erklärt er lächelnd im Interview. Bei der WM in Sestriere ein Jahr später ist dann endgültig Schluss. Am 10. Februar verkündet Marc seinen Rücktritt vom aktiven Rennsport. „Der Wille wäre noch da gewesen, aber ich hatte nicht mehr den Körper dazu“, sagt der große Einzelkämpfer zum Abschied.


Der Unternehmer
Über Marc Girardelli zu schreiben, und noch mehr, mit ihm Zeit zu verbringen, bleibt spannend. Der Lustenauer nimmt von Skisport eine Auszeit, wird Unternehmer. „Ich war so unruhig. Ich fühlte mich wie eine unter Volldampf fahrende Lok, die man nicht einfach abstellen kann. Ich musste etwas tun.“ Er tut. Marc macht Geschäfte im Skihandel und dreht dann an einem großen Ding: Er baut eine Skihalle auf einer Berghalde in Bottrop, mitten im deutschen Ruhrgebiet. Marc haut all seine Energie und viel Geld in das Projekt. Das Ganze kommt nicht wirklich ins Laufen, die Brandkatastrophe von Kaprun macht alles noch viel schwieriger. Girardelli stößt das einzigartige Bauwerk mit beträchtlichem Verlust ab.

Der Skistar kehrt zurück in sein Metier. Er wird Berater des bulgarischen Skiverbandes, schreibt Kolumnen, veranstaltet Events für Sportler, Sportvereine und Firmen, entwickelt seine eigene Bekleidungslinie, betätigt sich als Romanautor gemeinsam mit der deutschen Schriftstellerin Michael Grünig.

Kommunikativ und eloquent
Aus dem während seiner Sportkarriere oft grantelnden Eigenbrötler ist schon längst ein kommunikativer, geselliger und eloquenter Zeitgenosse geworden. Marcs Humor und Optimismus wirken ansteckend, seine Motivationskünste sind verblüffend, seine Vielseitigkeit beeindruckend.

Marc Girardelli interessiert sich für Physik, überrascht mit seinem Fachwissen sogar ausgewiesene Experten. Mit dem Nobelpreisträger Jonathan Gross plaudert er 2013 im Rahmen der VN-Veranstaltung „Vision for Future“ wie ein Fachkollege über die jüngsten Entwicklungen der Elementarteilchenphysik, lässt umstehende Zuhörer bass erstaunen. Marc interessiert sich für Geschichte. Eine angeregte Diskussion zu einem bestimmten Thema mit ihm führt leicht dazu, dass er tags darauf Material nachreicht, um einen historischen Sachverhalt zu klären.
Marc Girardelli fliegt gerne mit einem Hubschrauber. Den Pilotenschein hat er noch während seiner Karriere gemacht. Das Fliegen macht ihm Spaß, seinen Gästen im Cockpit noch mehr. Er veranstaltet Events, führt Gruppen, geht mit seinen Kunden Skifahren und haut mit ihnen auch mal auf den Putz. Seine Partner sind über die ganze Welt verstreut. In Bulgarien promotet er das Skigebiet Bansko, das durch ihn ein Weltcup-Veranstaltungsort wird. Sein Kontakt zur Skiwelt ist wieder eng geworden. Mit den großen Kollegen der Branche, Alberto Tomba, Ingemark Stenmark, Pirmin Zurbriggen, Jean Claude Killy oder Franz Klammer steht er in regelmäßigem Kontakt.

Ruhigere nächste 60 Jahre
Der nun in Liechtenstein lebende Lustenauer mit Luxemburger Staatsbürgerschaft ist mit einer geschwollenen sozialen Ader ausgestattet. Für ein humanitäres Anliegen muss man ihn nicht zweimal bitten. „Ma hilft“ schenkt er ein von Tennisstar Rafael Nadal signierte Tennisracket und versteigertes es anlässlich einer Sozialveranstaltung noch selbst. Der vierfache Vater mag Kinder, weiß sie zu unterhalten und zu begeistern. Wie die Mitglieder des VN-Teams beim Weißen Ring, die stets begierig die Tipps des großen Meisters aufsaugen, wenn er mit ihnen vor dem Rennen eine Streckenführung macht.

„Die nächsten 60 Jahre werde ich aber sicher etwas ruhiger angehen“, verkündet der Jubilar mit einem Augenzwinkern. „Ich freue mich auf Reisen mit meiner Partnerin Laurence. Es gibt so viele Plätze, die ich noch gerne sehen würde.“ Den Skisport wird Marc weiter im Auge behalten und für die VN seine fachlich hoch spannenden Kommentare verfassen.

Als frischgebackener 60er fühlt er sich besser als mit 50. „Ich betreibe dank meiner Freundin viel mehr Sport als noch vor zehn Jahren. Das macht mich gesund und fit.“


Zur Person
. . . ist einer der erfolgreichsten Skirennläufer der Geschichte. Er fuhr mit luxemburgischer Lizenz.
Geboren 18. Juli 1963 in Lustenau
Ausbildung Externistenmatura am BG Dornbirn, während er bereits Profi-Skirennläufer war. Heute ist Marc Girardelli Unternehmer
Familie vier Kinder, lebt in Partnerschaft
Erfolge Marc Girardelli gewann fünfmal den Gesamtweltcup, siegte in 46 Weltcup-Einzelrennen und kam 100 Mal aufs Podium. Bei Weltmeisterschaften gewann er viermal Gold, viermal Silber, dreimal Bronze. Dazu zwei olympische Silbermedaillen.