„Kaiser“ Franz Beckenbauer ist tot

Sport / 08.01.2024 • 20:21 Uhr
Am 7. Juli 1974 durfte Franz Beckenbauer als Kapitän der Nationalelf der Bundes­republik Deutschland in München den WM-Pokal in die Höhe stemmen.apa
Am 7. Juli 1974 durfte Franz Beckenbauer als Kapitän der Nationalelf der Bundes­republik Deutschland in München den WM-Pokal in die Höhe stemmen.apa

Er war die Lichtgestalt des deutschen Fußballs – mit Schattenseiten. Die FC-Bayern-Legende verstarb mit 78 Jahren.

München Franz Beckenbauer ist gerade einmal zwölf Jahre alt, als das Leben Schicksal spielt. Mit seinem SC 1906 tritt der Bub aus Giesing gegen 1860 München an – der Wechsel zu den Löwen ist längst ausgemacht. Doch eine deftige Watsch‘n seines Gegenspielers Gerhard König verändert im Jahr 1958 alles. „Zu dem Verein“, sagt der kleine Franz stur, „wechsle ich nicht.“ Vielmehr schließt er sich aus verletztem Stolz dem Rivalen FC Bayern an – und startet dort eine Weltkarriere, die ihresgleichen sucht. Am Sonntag ist der „Kaiser“ des Fußballs im Alter von 78 Jahren gestorben. Weltmeisterkapitän Lothar Matthäus sprach von einem tiefen Schock: „Ein guter Freund hat uns verlassen. Er wird mir fehlen – er wird uns allen fehlen!“ Bundestrainer Julian Nagelsmann betonte: „Wenn Franz Beckenbauer einen Raum betrat, hat der Raum geleuchtet.“

Weltmeister als Spieler und Trainer

Denn Beckenbauer war zur Lichtgestalt geworden, auch wenn auf diese durch die nie ganz aufgeklärte „Sommermärchen-Affäre“ ein Schatten fiel. Er war Weltmeister als Spieler und Trainer, Organisator der Heim-WM 2006, dazwischen Bayern-Präsident und Werbe-Ikone. „Der Tod“, sagte Franz Beckenbauer einmal, „der kommt irgendwann, und keiner kann sich verstecken. Du musst den Tod als Freund begreifen, der dich in ein anderes Leben begleitet.“ Nun begleitet er Beckenbauer selbst.

Der „Kaiser“ hinterlässt eine große Lücke, auch wenn er sich aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen hatte. Der viel zu frühe Tod seines Sohnes Stefan mit 46 Jahren, gesundheitliche Probleme inklusive Herzoperationen und der mutmaßliche Bestechungsskandal um die WM 2006 hatten Beckenbauer in seinen letzten Jahren „schon sehr mitgenommen“, wie er verriet.

Und bis dahin? Da sei er „ein vom Glück verwöhntes Sonntagskind“ gewesen, das „aus dem Nichts“ gekommen war: „Alle Sonntage der Welt sind in mir vereint“, behauptete Beckenbauer, der zweite Sohn eines Postobersekretärs. Doch wenn er, der in der Zugspitzstraße 6 im Arbeiterviertel Giesing in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, über Glück sprach, dann meinte er in der Regel, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Entscheidungen getroffen hatte.

Beckenbauer war aber keiner, der einfach sagte: „Schau‘n mer mal.“ Erfolg, betonte er, sei „auch vom Glück abhängig“, aber: „Vor allem steckt harte, konsequente Arbeit dahinter. Glück muss man sich erarbeiten.“ Und das tat er. Sein Leben sei „perfekt“ gelaufen, und wenn er wiedergeboren werden sollte – „dann als Beckenbauer“.

Zahlreiche Brüche und Fehltritte

Was häufig jedoch unterging: Dieses Leben war auch von zahlreichen Brüchen gekennzeichnet, von zahlreichen Widersprüchen. Er brachte zwei gescheiterte Ehen hinter sich und ein paar Beziehungen. Mit seiner dritten Frau Heidi hat er als Mittfünfziger noch zwei Kinder bekommen. Dass er für seine Fehltritte nicht groß verurteilt wurde, hatte auch mit seiner Art zu tun. Ein Spruch von Beckenbauer, Schmunzeln oder Gelächter, und alles erschien plötzlich nur noch halb so wild. „Der liebe Gott freut sich über jedes Kind“, sagte er etwa über die außereheliche Zeugung seines Sohnes Nummer vier.

Der charmante Beckenbauer konnte aber auch aufbrausend, cholerisch und verletzend werden. Da kann man bei seinen ehemaligen Weggefährten nachfragen. Auch einige seiner Entscheidungen oder Ansichten waren fragwürdig. Als Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees votierte er für Russland als Ausrichter der WM 2018. Und unterschrieb danach einen Vertrag mit den russischen Gasproduzenten. Zu Katar als WM-Gastgeber 2022 sagte er: „Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen da frei rum.“

Doch Beckenbauer wurden solch unbedachte Sprüche meist verziehen. Er war eben der „Kaiser“.

Franz Beckenbauer holte die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland. Doch das ehemalige Sommermärchen ist mit vielen Schatten behaftet.apa
Franz Beckenbauer holte die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland. Doch das ehemalige Sommermärchen ist mit vielen Schatten behaftet.apa
Sie prägten einst den Weltfußball: Brasiliens Pelé und Franz Beckenbauer.
Sie prägten einst den Weltfußball: Brasiliens Pelé und Franz Beckenbauer.
Heidi war die dritte Ehefrau an der Seite von Franz Beckenbauer.
Heidi war die dritte Ehefrau an der Seite von Franz Beckenbauer.
Den zweiten WM-Titel bejubelte Franz Beckenbauer als Teamchef 1990 in Rom.
Den zweiten WM-Titel bejubelte Franz Beckenbauer als Teamchef 1990 in Rom.
Mit seinem FC Bayern München feierte Franz Beckenbauer als Spieler, Trainer und als Präsident seine größten Erfolge auf Vereinsebene. apa
Mit seinem FC Bayern München feierte Franz Beckenbauer als Spieler, Trainer und als Präsident seine größten Erfolge auf Vereinsebene. apa
Franz Beckenbauer (links) war im November der Stargast beim Wirtschaftsforum, wo er nach seinem Auftritt bei den Autogrammjägern sehr begehrt war.vn
Franz Beckenbauer (links) war im November der Stargast beim Wirtschaftsforum, wo er nach seinem Auftritt bei den Autogrammjägern sehr begehrt war.vn
Franz Beckenbauer (l.) mit Paul Breitner nach dem 0:1 gegen die DDR.
Franz Beckenbauer (l.) mit Paul Breitner nach dem 0:1 gegen die DDR.
Die WM-Medaille in der Hand, Franz Beckenbauer nach dem Sieg 1990.apa
Die WM-Medaille in der Hand, Franz Beckenbauer nach dem Sieg 1990.apa

Zur Person

Franz Beckenbauer

Geboren 11. September 1945

Geburtsort München-Giesing

Wohnort Salzburg

Vereine als Spieler

1964 bis 1977 Bayern München

1977 bis 1980 New York Cosmos

1980 bis 1982 Hamburger SV

1983 New York Cosmos

Erfolge als Spieler

Weltmeister 1974

Vize-Weltmeister 1966

WM-Dritter 1970

Europameister 1972

Vize-Europameister 1976

Europacup-Sieger der Landesmeister 1974, 1975 und 1976

Europacup-Sieger der Cupsieger 1967

Weltpokalsieger 1976

Deutscher Meister 1969, 1972, 1973, 1974, 1982

US-Meister 1977, 1978, 1980

Europas Fußballer 1972, 1976

Deutschlands Fußballer 1966, 1968, 1974, 1976

Deutschlands Fußballer des 20. Jahrhunderts

396 deutsche BL-Spiele (44 Tore)

103 DFB-Länderspiele (14 Tore)

Erfolge als Trainer

Weltmeister 1990 mit Deutschland

Vizeweltmeister 1986 mit Deutschland

UEFA-Cup-Sieger 1996 mit Bayern

Deutscher Meister 1994 mit Bayern

Französischer Meister 1991 mit Olympique Marseille