„Kaiser“ Franz Beckenbauer ist tot

Er war die Lichtgestalt des deutschen Fußballs – mit Schattenseiten. Die FC-Bayern-Legende verstarb mit 78 Jahren.
München Franz Beckenbauer ist gerade einmal zwölf Jahre alt, als das Leben Schicksal spielt. Mit seinem SC 1906 tritt der Bub aus Giesing gegen 1860 München an – der Wechsel zu den Löwen ist längst ausgemacht. Doch eine deftige Watsch‘n seines Gegenspielers Gerhard König verändert im Jahr 1958 alles. „Zu dem Verein“, sagt der kleine Franz stur, „wechsle ich nicht.“ Vielmehr schließt er sich aus verletztem Stolz dem Rivalen FC Bayern an – und startet dort eine Weltkarriere, die ihresgleichen sucht. Am Sonntag ist der „Kaiser“ des Fußballs im Alter von 78 Jahren gestorben. Weltmeisterkapitän Lothar Matthäus sprach von einem tiefen Schock: „Ein guter Freund hat uns verlassen. Er wird mir fehlen – er wird uns allen fehlen!“ Bundestrainer Julian Nagelsmann betonte: „Wenn Franz Beckenbauer einen Raum betrat, hat der Raum geleuchtet.“
Weltmeister als Spieler und Trainer
Denn Beckenbauer war zur Lichtgestalt geworden, auch wenn auf diese durch die nie ganz aufgeklärte „Sommermärchen-Affäre“ ein Schatten fiel. Er war Weltmeister als Spieler und Trainer, Organisator der Heim-WM 2006, dazwischen Bayern-Präsident und Werbe-Ikone. „Der Tod“, sagte Franz Beckenbauer einmal, „der kommt irgendwann, und keiner kann sich verstecken. Du musst den Tod als Freund begreifen, der dich in ein anderes Leben begleitet.“ Nun begleitet er Beckenbauer selbst.
Der „Kaiser“ hinterlässt eine große Lücke, auch wenn er sich aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen hatte. Der viel zu frühe Tod seines Sohnes Stefan mit 46 Jahren, gesundheitliche Probleme inklusive Herzoperationen und der mutmaßliche Bestechungsskandal um die WM 2006 hatten Beckenbauer in seinen letzten Jahren „schon sehr mitgenommen“, wie er verriet.
Und bis dahin? Da sei er „ein vom Glück verwöhntes Sonntagskind“ gewesen, das „aus dem Nichts“ gekommen war: „Alle Sonntage der Welt sind in mir vereint“, behauptete Beckenbauer, der zweite Sohn eines Postobersekretärs. Doch wenn er, der in der Zugspitzstraße 6 im Arbeiterviertel Giesing in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, über Glück sprach, dann meinte er in der Regel, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Entscheidungen getroffen hatte.
Beckenbauer war aber keiner, der einfach sagte: „Schau‘n mer mal.“ Erfolg, betonte er, sei „auch vom Glück abhängig“, aber: „Vor allem steckt harte, konsequente Arbeit dahinter. Glück muss man sich erarbeiten.“ Und das tat er. Sein Leben sei „perfekt“ gelaufen, und wenn er wiedergeboren werden sollte – „dann als Beckenbauer“.
Zahlreiche Brüche und Fehltritte
Was häufig jedoch unterging: Dieses Leben war auch von zahlreichen Brüchen gekennzeichnet, von zahlreichen Widersprüchen. Er brachte zwei gescheiterte Ehen hinter sich und ein paar Beziehungen. Mit seiner dritten Frau Heidi hat er als Mittfünfziger noch zwei Kinder bekommen. Dass er für seine Fehltritte nicht groß verurteilt wurde, hatte auch mit seiner Art zu tun. Ein Spruch von Beckenbauer, Schmunzeln oder Gelächter, und alles erschien plötzlich nur noch halb so wild. „Der liebe Gott freut sich über jedes Kind“, sagte er etwa über die außereheliche Zeugung seines Sohnes Nummer vier.
Der charmante Beckenbauer konnte aber auch aufbrausend, cholerisch und verletzend werden. Da kann man bei seinen ehemaligen Weggefährten nachfragen. Auch einige seiner Entscheidungen oder Ansichten waren fragwürdig. Als Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees votierte er für Russland als Ausrichter der WM 2018. Und unterschrieb danach einen Vertrag mit den russischen Gasproduzenten. Zu Katar als WM-Gastgeber 2022 sagte er: „Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen da frei rum.“
Doch Beckenbauer wurden solch unbedachte Sprüche meist verziehen. Er war eben der „Kaiser“.








Zur Person
Franz Beckenbauer
Geboren 11. September 1945
Geburtsort München-Giesing
Wohnort Salzburg
Vereine als Spieler
1964 bis 1977 Bayern München
1977 bis 1980 New York Cosmos
1980 bis 1982 Hamburger SV
1983 New York Cosmos
Erfolge als Spieler
Weltmeister 1974
Vize-Weltmeister 1966
WM-Dritter 1970
Europameister 1972
Vize-Europameister 1976
Europacup-Sieger der Landesmeister 1974, 1975 und 1976
Europacup-Sieger der Cupsieger 1967
Weltpokalsieger 1976
Deutscher Meister 1969, 1972, 1973, 1974, 1982
US-Meister 1977, 1978, 1980
Europas Fußballer 1972, 1976
Deutschlands Fußballer 1966, 1968, 1974, 1976
Deutschlands Fußballer des 20. Jahrhunderts
396 deutsche BL-Spiele (44 Tore)
103 DFB-Länderspiele (14 Tore)
Erfolge als Trainer
Weltmeister 1990 mit Deutschland
Vizeweltmeister 1986 mit Deutschland
UEFA-Cup-Sieger 1996 mit Bayern
Deutscher Meister 1994 mit Bayern
Französischer Meister 1991 mit Olympique Marseille