“Eineinhalb Beine über dem Abgrund” – Lustenau steht vor dem Abstieg

Spätestens nach dem Remis bei der WSG Tirol hat Austria Lustenau den Klassenerhalt nicht mehr in der eigenen Hand. Trainer Andreas Heraf hat aber noch “genug” Hoffnung.
Innsbruck Das torlose Remis im Innsbrucker Tivoli sorgte nur bei einem Team für Begeisterung. Thomas Silberberger – der die WSG Tirol zu Saisonende verlassen wird – bekam in der Kabine eine Bierdusche, er führte die Wattener erneut zum Klassenerhalt. Ebenjener rückt für die Lustenauer Austria nach dem 0:0 in ganz weite Ferne. Da die WSG punktete und Blau-Weiß Linz im Parallelspiel den WAC mit 2:0 besiegte, durften gleich zwei Konkurrenten im Kampf um den Bundesliga-Verbleib vorzeitig feiern. Der einzig verbliebene Mitstreiter – der SCR Altach – bewies bereits am Freitag Moral und knöpfte dem Tabellenführer der Qualigruppe, Austria Wien, einen Punkt ab.
Mehr vom Spiel, zu wenig vor dem Tor
“Die Hoffnung stirbt zuletzt. Alle anderen schauen die Tabelle an und denken sich, die sind der Fixabsteiger. Wir als Mannschaft geben die Hoffnung auf, wenn es rechnerisch nicht mehr möglich ist”, meinte Lustenaus Kapitän Pius Grabher nach dem Spiel. Wohl wissend, dass man spätestens jetzt nichts mehr in der eigenen Hand hat.
Gegen die WSG Tirol war Grabhers Austria spielbestimmend. Erstmals hatte man unter Trainer Andreas Heraf mehr Ballbesitz als der Gegner (54,3 Prozent), die Ausrichtung war offensiv. Nur so wirklich Kapital schlagen konnten die Lustenauer aus ihrem Ballbesitz und der Zeit, die ihnen am Ball gewährt wurde, nicht. Man merkte: Wattens musste nicht, Lustenau konnte nicht.
“Ich habe beide Hälften so gesehen, dass wir die bessere Mannschaft waren, dass wir von Anfang an vorne draufgegangen sind, Druck auf den Gegner gemacht haben”, analysierte Heraf. Damit hatte er nicht unrecht. Lustenau war tatsächlich engagierter – aber halt auch viel zu ungefährlich.
“Es ist vielleicht die Qualität im Abschluss, die uns zurzeit daran hindert, mehr Punkte zu machen.”
Pius Grabher,
weiß, woran es hapert
“Es ist vielleicht die Qualität im Abschluss, die uns zurzeit daran hindert, mehr Punkte zu machen”, wusste auch Grabher. “Das einzige Problem ist: Der Ball will nicht hinter die Linie. Das müssen wir so hinnehmen, das war auch in den anderen Spielen so, daran müssen wir weiter arbeiten”, so Heraf. Nur: Allzu zwingend waren die Lustenauer Torannäherungen nicht. In der ersten Hälfte blieb man ohne gefährliche Aktion, in Hälfte zwei agierte man etwas zielstrebiger, hatte neben Versuche durch Bobzien (49.), Grabher (51. & 83.) und Fridrikas (62.) eine wirklich gute Chance nach einem Freistoß: Der aufgerückte Matheus Lins verlängerte per Kopf, WSG-Torhüter Stejskal konnte parieren (65.).
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Die WSG hatte mit minimalem Aufwand hingegen gleich zwei Top-Möglichkeiten zu verzeichnen – in Hälfte eins vergab Prelec fahrlässig (29.), in Hälfte zwei rettete Schierl mit den Beinen gegen Diarra (79.) den Punktgewinn. Heraf meinte: “Es ist ein Punkt, den wir mitnehmen müssen. Die Mannschaft hätte sich heute einen Sieg verdient, hätte sich in den letzten drei Spielen einen Sieg verdient. Das ist schade für die Jungs, weil ich es ihnen gegönnt habe. Weil sie, seit ich hier hergekommen bin, keine Sekunde aufgesteckt haben, bis zur letzten Minute ihr Hemd auf dem Platz gelassen haben. Das war auch heute so.”
“Hätten wir das die ganze Saison so verfolgt …”
Grabher empfand trotz des verpassten Sieges “einen gewissen Stolz auf die Mannschaft, wie wir die Situation annehmen. Sie ist für viele aussichtslos, aber man sieht, dass wir alles geben.” Solange man alles gebe, den Matchplan umsetze und Überzeugung habe, könne man sich nichts vorwerfen. “Hätten wir das die ganze Saison so verfolgt, hätten wir jetzt eine andere Situation”, so Grabher.
Die aktuelle Situation ist jedenfalls prekär. Wäre der aktuelle Auftritt gegen die WSG zu Beginn der Quali-Gruppe noch ein durchaus stabiler gewesen, ist er in der derzeitigen Situation zu wenig. Lustenau spielte insbesondere in Hälfte eins nicht wie ein Team, das gewinnen muss – sondern wirkte gegen äußerst gemächliche Tiroler ohne zündende Ideen.

“Natürlich sind wir nicht mit dem Ergebnis zufrieden, aber mit der Art und Weise. Mannschaften in so einer Situation haben sich am Feld auch schon anders gezeigt, waren vielleicht ängstlich, haben sich gegenseitig Vorwürfe gemacht. Man sieht, dass wir uns nicht zerfleischen, sondern als Team alles probieren”, sagte Grabher. Während die Wattener vor dem “Sky”-Kamerateam im Hintergrund feierten, richtete WSG-Präsidentin Diana Langes-Swarovski aufmunternde Worte an den Austria-Kapitän. Dieser meinte zu ihr: “Wir haben uns selbst in diese Situation gebracht.” Selbst kann man dieser Situation aber nicht mehr entfliehen. Auch ein Erfolgslauf bringt nichts, wenn Altach anschreibt.
Rechenspiele im Konjunktiv
Will man die verschwindend geringe Chance auf den Ligaverbleib aufrechterhalten, muss Lustenau einerseits die verbleibenden Heimspiele gegen Austria Wien und Blau-Weiß Linz für sich entscheiden, gleichzeitig darf Altach gegen einen strauchelnden WAC und Wattener, für die es um nichts mehr gut, nicht mehr punkten. Dann würde es am letzten Spieltag im Ländle-Derby in Altach zum großen Showdown kommen – den Lustenau gewinnen müsste. Sehr viel Hypothetisches. Wie viel Hoffnung gibt es denn noch?
“Das schöne ist: Wir sind noch immer am Leben. Wer weiß, was das Leben so mit sich bringt.”
Andreas Heraf, mit einem Funken Hoffnung
“Genug”, meinte Heraf. “Weil wir wissen, dass wir gegen jeden Gegner in dieser Quali-Gruppe gewinnen können. Somit ist es möglich, drei Spiele in Serie zu gewinnen. Das klingt jetzt natürlich nicht so wahrscheinlich, wenn du in 29 Spielen nur zwei Spiele gewonnen hast – aber es ist möglich.” Grabher sagte: “Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um diese neun Punkte zu holen. Ob es dann reicht, wird man sehen.”

“Wir sind Realisten genug, dass wir schon mit eineinhalb Beinen über dem Abgrund in die zweite Liga hängen – wenn es passiert, werden wir es zur Kenntnis nehmen, weil es sich ja das ganze Jahr abgezeichnet hat, wir damit leben mussten, dass es passieren kann”, so Heraf. Der aber dennoch hoffnungsvoll wirkte: “Das schöne ist: Wir sind noch immer am Leben. Wer weiß, was das Leben so mit sich bringt.” Fabian Beer aus Innsbruck