
Berlin, Berlin . . . wir reisen nach Berlin
Mit Martin Hämmerle (40) und Martin Rinderer (39) gibt es zwei Vorarlberger im Team Rangnick bei der EURO 2024 in Deutschland.
Schwarzach So unterschiedlich ihr Einstieg ist, so hat das Leben für Martin Hämmerle und Martin Rinderer doch immer wieder Berührungspunkte bereitgehalten. Über all die Jahre hat sich eine Freundschaft über die gemeinsame Arbeit hinaus gebildet. “Martin ist ja auch mein Trauzeuge”, sagt Rinderer und “spielt” ein wenig mit dem Vornamen. Gemeinsam ist ihnen auch der trockene Humor und die Hingabe zu musizieren.
Doch jetzt sind die beidem EM-Starter im “Team Rangnick” in anderer Weise gefordert. Gilt es doch, schon im Vorfeld der Teamzusammenkunft (29. Mai) die angeschlagenen bzw. noch rekonvaleszenten Spieler für die EURO in Topform zu bringen.

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Dabei hat Rinderer schon vor seinem Einstieg im “Team Rangnick” Erfahrungen im ÖFB gemacht. So arbeitete er von 2015 bis 2020 im Nachwuchs, u. a. auch zusammen mit A-Teamarzt Dr. Michael Fiedler, als Physiotherapeut und brachte sein Know-how in Bezug auf Ernährung ein. “So war es für mich nicht so schwer, weil es schon Berührungspunkte gab und ich auch das System kannte”, erzählt Rinderer, dessen Arbeitsstart als Ernährungswissenschaftler im Olympiazentrum Vorarlberg im Jahr 2014 war. Spannend für ihn, weil er sowohl mit Einzelsportlern als auch im Teambereich arbeitete. Beim ÖFB betreut er neben dem A-Team noch weiterhin den Nachwuchs, wo er sich zusammen mit der wissenschaftlichen Abteilung um einen Strukturaufbau im Ernährungsbereich kümmert. “Ich sage immer: Essen ist neben Beziehungen Sexualität das Intimste für den Menschen. Und: Am Ende muss Essen auch geil schmecken, dass es wirken kann”. bringt es der 39-Jährige auf den Punkt. “Gerade, wenn du wie in Berlin wochenlang als Team zusammen bist, ist Essen eines der essenziellsten Themen für ein funktionierendes Team.”


Das Duo macht auch kein Hehl daraus, dass sie mit dem Team großes vorhaben gerne über die Vorrunde hinaus mit dem Nationalteam in der deutschen Hauptstadt bleiben wollen.

Gut 20 Jahre vor der EURO 2024 beginnt ihr gemeinsamer Weg. “Mein erstes Jahr im Physiostudium war dein Abschlussjahr in Landquart”, sagt Rinderer mit einem fragenden Blick in Richtung Hämmerle, der während des gemeinsamen Frühstücks immer wieder für frischen Kaffee sorgt. “Wir haben uns schnell verstanden”, nickt Hämmerle. Zumal beide auch sportlich aktiv waren und somit “unsere Endlos-Diskussionen” über Trainings- und Therapeutische Themen oft in Aktivität übergingen. Zumal Hämmerle als ehemaliger Mountainbike-Weltcupfahrer und Skibergsteiger über extreme Sporterfahrung verfügte. Schnell waren sie dann zusammen mit dem Rad unterwegs. “Als Hobby-Leistungssportler”, wie es Hämmerle rückblickend ausdrückt, oder wie Rinderer meint, “als sehr ambitionierte Leistungssportler”.

Ein Sportler mit musischer Ausbildung
In einer “traditionellen Vorarlberger Familie” in Dornbirn-Hatlerdorf aufgewachsen, kam Martin Hämmerle sehr früh mit Musik in Verbindung. “Das Dorfleben, die Dorfgemeinschaft, darauf wurde bei uns viel Wert gelegt. Es war eine coole Zeit”, erinnert er sich sehr gerne an die Zeit, in der er als Ministrant auch aktiv am Pfarrleben teilnahm. “Für mich war es damals quasi der Einstieg in den Sport. Ich habe tatsächlich bei den Ministranten gelernt zu gewinnen und zu verlieren, mich einzuordnen, Verantwortung zu übernehmen, zu reflektieren und trotzdem alles für die Sache zu geben. Damals noch spielerisch und ohne Druck! Nach Abschluss der Musikhauptschule mit Schwerpunkt Schauspielunterricht und musikalischer Ausbildung stand ich vor der Frage: Konservatorium oder Gymnasium im Schoren.” Es wurde Zweiteres und sein ehemaliger Sportlehrer Peter Rümmele (“Mein sportlicher Ziehvater”) lehrte ihn die Lust am Training und der Leistungssport ließ ihn seit damals nicht mehr los.

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Gemeinsames Training mit Michael Liendl
Martin Rinderer, aufgewachsen in Thüringerberg, ist im Gegensatz zum Einzelsportler Hämmerle im Mannschaftssport groß geworden. “Gemeinsam mit Michael Liendl haben wir auf der steilen Bergwiese Fußball gespielt”, erzählt er. Später, auf der Sportmittelschule Nenzing hat ihn Gernhard Sieß geprägt und schließlich besuchte er das Sportgymnasium in Dornbirn. “Als Nachwuchsleistungssportler im Tischtennis”, erzählt er. Über Hanno Halbeisen (Beide unisono: “Das Urgestein in Bezug auf Physiotherapie im Sportbereich”) führte sein Weg an die Fachhochschule für Pyhsiotherapie nach Landquart.

“Adi (And. d. Red.: Hütter) war einfach sensationell”
Für Hämmerle sollte als damals aktiver Leistungssportler ein Gespräch mit dem ehemaligen Sport-LR Siegi Stemer sowie dem Sportservice-Entwickler Martin Kessler der Einstieg in die professionelle Physiotherapie werden. “Ich sprach über das ungenützte Potenzial therapeutischer Begleitmaßnahmen, die vielen Möglichkeiten in der Vernetzung von Sportwissenschaft und Physiotherapie und die fehlenden Spitzensporttauglichen REHA-Möglichkeiten im Land und sie meinten: und sie meinten: Mach’ mal.” Schon bald sollte der SCR Altach hinzukommen. “Die ersten Kontakte waren im Abstiegsjahr 2009. Unter Adi Hütter wurde ein Kooperationsvertrag über zehn Wochenstunden ausgehandelt. Daraus wurde schnell ein Fulltimejob.” Noch heute schwärmt Hämmerle über den heute international erfolgreichen Coach. “Wir sind sonntags oft stundenlang zusammengesessen oder haben telefoniert, um jede Trainingswoche so optimal wie möglich vorzubereiten und durchzudenken. Adi war einfach sensationell. Ihn hat einfach alles interessiert.”

Ungenutzte Möglichkeiten
Während für Hämmerle der Einstieg in den Fußball mit viel Verwunderung (“Für mich war es der Sport mit den meisten ungenutzten Möglichkeiten”) verbunden war, kam Rinderer sehr früh mit Clubs in Berührung. Der FC Dornbirn, BW Feldkirch und zehn Jahre bei der Fußballakademie haben ihm zu viel Praxis verholfen. Was beide wiederum verbindet, ist der Ansatz: Die Verbesserung von Leistung ist bei Trainings auf höchstem Niveau nicht durch noch mehr Belastung, sondern durch ein optimales Management an gezielten Reizen und bestmöglicher Regeneration erreichbar. “Da kommen dann auch die wichtigen Themen wie Essen, Schlaf und Lifestyle-Management ins Spiel.”

Die schwierigste Entscheidung
Als Leiter der Physiotherapie im Olympiazentrum in Dornbirn und als Athletik- und Reha-Verantwortlicher in Altach verließ Hämmerle nach zwölf Jahren in Altach den Club im Sommer 2021. “Es waren zu viele Themen, weshalb ich die Übergabe lange plante.” Dass sich sein “normales Arbeitsleben” wenige Monate wieder komplett ändern sollte, war am Ende auch ein Verdienst eines Ex-Altachers. Christian Möckel, zwei Jahre Sportchef in Altach, lotste Hämmerle als “Head of Physio” zu Lok Moskau. “Meine schwierigste Entscheidung”, sagt er noch heute. “Ich musste alles was ich bis dorthin in Vorarlberg aufbauen durfte kündigen, die vielen betreuten Sportler, Freund, Familie „zurücklassen“, ein neues Land, ein großer Club, eine neue Sprache.

Damals habe ich wirklich gespürt, wie sich Psyche auf Ess- und Energieverhalten auswirkt. Die größte Komponente aber war Melanie, meine Frau. Sie stand voll dahinter und sagte: Jetzt können wir es machen, die Kinder sind noch nicht in der Schule. Leider ist es dann anders gekommen. Vor die Familie umziehen wollte, ist der Krieg ausgebrochen.” So blieb Hämmerle allein in Moskau, doch für den 40-Jährigen sollte es endgültig der Einstieg in den internationalen Fußball werden.

In Moskau kennengelernt
In der russischen Hauptstadt lernte Hämmerle auch den heutigen ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick kennen. Sein erster Eindruck vom damaligen Geschäftsführer Sport bei Lok Moskau? “Ein akribischer Arbeiter, extrem fordernd, ein absoluter Perfektionist bis ins kleinste Detail aber daneben ein unglaublich feiner Mensch” Allerdings spürte der Dornbirner auch, dass der 65-jährige Deutsche seinen Mitarbeitern “viel Freiheit lässt, wenn er das Vertrauen hat, dass du, so wie er, alles dafür tust”.

Ein Running Gag
Doch ein wenig anders verlief der personifizierte Einstieg von Rinderer ins A-Team im Spätsommer des Vorjahres. Denn den Namen kannten schon alle. “Das hat der Rinderer gesagt”, lautete der Running Gag beim Essen, wenn die Spieler bei ÖFB-Koch Fritz Grampelhuber nachfragten, warum verschiedenste sportgerechte Menükombinationen auch so gut schmecken. Als er dann da war, wurde er mit “Ah, das ist der Rinderer, den gibt es ja wirklich” begrüßt.

Auf einer Linie
Beiden Vorarlbergern ist im Gespräch eines gemeinsam: Sie brennen für die Arbeit im Nationalteam. Und sie betonen unisono, dass es der große Verdienst des gesamten Betreuerteams ist, die Spieler für neue Ideen zu begeistern. “Essen muss immer positiv sein”, bringt es Rinderer auf einen einfachen Punkt. “Die Dinge wurden ihnen nie aufgezwängt, vielmehr sind Dinge durch Know-how und das Spüren von Wertigkeit zur Selbstverständlichkeit geworden”, sagt Hämmerle ohne weitere Details zu nennen. Deshalb sei auch der Name “Teamgeist” für die aktuelle Dokumentation rund um das Nationalteam so treffend, weil: “Wir wissen, dass wir als Team in allen Belangen funktionieren müssen.” Zudem sei eines allen, die rund um die Mannschaft arbeiten, bewusst: “Der Spieler steht immer im Mittelpunkt. Das fordert der Teamchef ein.”
