„Für mich ist das ein Hilfeschrei“

Sport / 22.05.2024 • 18:50 Uhr
Interviewbilder von Pioneers-Präsident Pit Gleim
Pioneers-Vorarlberg-Präsident Pit Gleim im Interview in der Feldkircher Vorarlberghalle. Paulitsch

Die Bemer Pioneers Vorarlberg stehen vor einer ungewissen Zukunft, die Suche nach Sponsoren ist schwierig.

Feldkirch Pit Gleim sitzt in der Vorarlberghalle. Das Eis ist längst abgetaut, trotzdem zehrt der Präsident der Bemer Pioneers Vorarlberg noch von den Erinnerungen an die abgelaufene Saison. Doch sein Rückblick kommt nicht ohne Groll über das Geschehene aus.

Die Pioneers Vorarlberg haben in der vergangenen Saison sportlich überrascht. Wie blicken Sie als Präsident auf diese Spielzeit zurück?

Gleim Wir haben vor Beginn der Saison nicht mit diesem erfolgreichen Ende gerechnet. Für uns war das Erreichen der Pre-Play-offs das Ziel, alles Weitere war Zugabe.

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Die Bemer Pioneers Vorarlberg trafen im Viertelfinale auf den KAC. Gepa

Wie lässt sich der sportliche Erfolg erklären?

Gleim Unsere sportlich Verantwortlichen haben gute Arbeit geleistet, dazu war der Eishockeygott auf unserer Seite. Bei den Legionären haben wir einige gute Griffe getätigt. Alle haben ihren Job hervorragend erledigt. Ihre Klasse sieht man auch daran, dass sie zu Topklubs wechseln. Außerdem habe ich so einen Teamgeist in einer Mannschaft in den vergangenen 17 Jahren noch nicht erlebt. Das war sensationell. Wir hatten extrem viel Spaß in der Kabine.

Heimspiel Pioneers vs KAC
Pit Gleim auf der Trainerbank neben Co-Trainer Steven Birnstill. Serra

Sie kamen 2006 als Vizepräsident zur VEU Feldkirch und wurden kurze Zeit später Präsident. Waren die Play-off-Spiele gegen den KAC für Sie persönlich eine Belohnung für die jahrelange Arbeit?

Gleim Für mich war die Stimmung in der Vorarlberghalle Lob und Anerkennung für das, was wir geleistet haben. Es war sehr emotional, nach Spiel sechs war ich auf dem Eis relativ ruhig. Ich habe meine Jungs in den Arm genommen und den Moment genossen.

Pioneers Vorarlberg - KAC
Die Stimmung in der ausverkauften Vorarlberghalle. Pioneers/Rothmund

In den vergangenen Monaten gab es negative Schlagzeilen rund um den Verein und ihre Person. Es gab den Verdacht auf Abgabenhinterziehung während Ihrer Zeit bei der VEU.

Gleim Wir dürfen die VEU nicht mit den Pioneers vermischen. Dabei ging es nur um die VEU, dort hat eine Abgabenüberprüfung stattgefunden. Ob die Größe der Ermittlungen einem Amateurverein entsprachen, könnte man durchaus hinterfragen. Das Finanzamt hat aber seinen Job gemacht und fünf Jahre überprüft. Dabei sind Ungereimtheiten aufgetreten. Wir haben in dieser Zeit Fehler gemacht. Das Verfahren hat lange gedauert, weil unser Anwalt und unser Steuerberater den Sachverhalt anders gesehen hatten als das Finanzamt. Inzwischen ist das Verfahren erledigt, wir haben alle Abgaben nachbezahlt. Was mich an der Causa ärgert, ist, was in der Öffentlichkeit daraus gemacht wurde. In den Berichten wird der gesamte Vorstand als Schwerverbrecher hingestellt und eine Freiheitsstrafe in den Raum gestellt. Es ging dabei nie um Millionen.

Interviewbilder von Pioneers-Präsident Pit Gleim
Pit Gleim im VN-Interview. Paulitsch

Sprechen wir über die Pioneers, die im Gegensatz zur damaligen VEU ein Profiverein sind. Im Herbst wurde das Ende des Vertrages mit Hauptsponsor Bemer kolportiert, derzeit ist in den Aussendungen aber noch von den Bemer Pioneers Vorarlberg die Rede. Wie kam es dazu?

Gleim Noch läuft der Vertrag, aber in der kommenden Saison nicht mehr. Mein Vater hat das Unternehmen gegründet und ich habe von der ersten Stunde an mitgearbeitet. Zuletzt war ich als Präsident des Verwaltungsrates tätig, doch in der Wirtschaft ist es normal, dass es zu Umstrukturierungen kommt. Ich war nicht mit allem einverstanden und habe beschlossen, dass ich aus der Firma ausscheide. Ich habe mich von Bemer im Guten getrennt und geschäftlich mit der Firma nichts mehr zu tun. Meine Nachfolger haben schließlich darüber beraten, ob sie den Vertrag mit den Pioneers verlängern oder nicht. Das hätte ich auch offen gesagt, wenn der zuständige Journalist mit mir gesprochen hätte. Das hat er aber nicht getan. Auch aufgrund der negativen Berichterstattungen hat sich Bemer schließlich gegen eine Vertragsverlängerung entschieden.

Eishockey AHL VEU Feldkirch - Übergabe Meisterpokal 2017, Pokal und Medaillenübergabe an die Mannschaft der VEU Feldkirch als bestes österreichisches AHL-Team: president Pit Gleim (Feldkirch), Kapitaen Youssef Riener (Feldkirch), Vizepräsident für sportliche Angelegenheiten
Peter Schramm (ÖEHV) und head coach Michael Lampert (Feldkirch).
Pit Gleim (l.) mit dem Pokal des besten österreichischen AHL-Teams 2017. Lerch

Wie läuft die Suche nach einem neuen Hauptsponsor?

Gleim Gehen wir einen Schritt zurück. Wir befinden uns in schwierigen Zeiten, ich bin selbst Unternehmer. Die Auswirkungen der Corona-Krise sind spürbar, aufgrund der Wirtschaftskrise und der Teuerung sind die Unternehmen derzeit zurückhaltend. Dazu kommt die Hetzkampagne, wie ich es nenne, einer Zeitung gegen uns. Die Sponsorarbeit ist dadurch – das muss ich so klar sagen – tot. Das Projekt Pioneers muss wachsen, dazu braucht es Geld und das Bekenntnis zu den Pioneers aus der Wirtschaft und der Politik. Es hätte genügend Material gegeben, um auch positiv über uns zu berichten. Uns wird nun wieder unterstellt, wir würden die Opferrolle einnehmen. Und das stimmt, wir sind die Opfer einer Kampagne.

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Kann es angesichts dieser Vorzeichen mit den Pioneers weitergehen?

Gleim Ich glaube weiterhin daran, dass wir etwas Erfolgreiches aufbauen können. Der Erfolg war in der vergangenen Saison da, daran müssen wir anknüpfen. Im Umfeld ist der Aufschrei groß, warum ein Steven Owre oder ein Clayton Kirichenko nicht mehr da sind. Darauf muss ich klar antworten: Die haben für uns im Verhältnis für kleines Geld gespielt, weil sie sich in Europa etablieren wollten. Bei den neuen Vereinen verdienen diese Spieler das fünf- bis sechsfache. Da können wir aus wirtschaftlichen Gründen einfach nicht mithalten.

Warum sprechen Sie von einer Hetzkampagne?

Gleim Es hat in der Vorsaison früh begonnen und sich zu einem unendlichen Rattenschwanz entwickelt. Warum muss etwa die vernichtende Geschichte über den Ausstieg von Bemer genau am Tag unseres ersten Heimspiels erscheinen? Die Euphorie war groß, die Leute wollten die Halle besuchen. Am Spieltag wurden unsere Spieler angerufen und kamen voller Fragen in die Halle. Die Berichterstattung muss ehrlich sein und kann auch negativ ausfallen, aber das war vernichtend für uns.

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Es stört Sie also vor allem der Zeitpunkt?

Gleim Ja, unglaublich. Christian Groß arbeitet daran, neue Sponsoren zu finden. Wir hatten Zusagen von Firmen, die aufgrund der Berichterstattung von ihrem Vorhaben wieder Abstand genommen haben. Bestehende Sponsoren haben ihre Zahlungen zunächst auf Eis gelegt.

Wie haben Sie diese Lücken aufgefangen?

Gleim Ich habe selbst enorm viel Geld in den Verein gesteckt. Das mache ich schon, seit ich da bin. Zahlen möchte ich nicht nennen, aber die vergangenen beiden Jahren waren enorm.

Interviewbilder von Pioneers-Präsident Pit Gleim
Pit Gleim in “seiner” Vorarlberghalle. Paulitsch

Machen wir einen Schritt zurück zur Gründung der Pioneers. Wie kam es dazu, dass der Verein überhaupt in der Ice-Liga spielt?

Gleim Bereits vor einigen Jahren hat sich die Alps Hockey League in eine Richtung entwickelt, die so auf lange Sicht nicht finanzierbar sein würde. Für Sponsoren war die Aufmerksamkeit der Liga zu gering, andererseits gab es Vereine, die richtig viel Geld zur Verfügung hatten. Ich habe zuvor immer gesagt, mit einem Präsidenten Pit Gleim werde es keine 1. Liga geben, das tue ich mir nicht an.

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Warum gab es dann trotzdem den Schritt Richtung höchster Spielklasse?

Gleim Die Konstellation hatte sich verändert. In Dornbirn deutete sich der Ausstieg an, in dieser Zeit haben sich Gespräche zwischen Herbert Oberscheider vom EHC Lustenau, Alexander Kutzer vom DEC und uns entwickelt. Die Gesprächsbasis war damals sehr gut. Sowohl wir als auch Oberscheider, wie man jetzt gesehen hat, fühlten uns in der AHL nicht mehr wohl. Wir saßen zusammen und arbeiteten an einer gemeinsamen Lösung. Wir waren zweimal im Landhaus und haben unser Projekt Landesrätin Martina Rüscher vorgestellt. Oberscheider schied irgendwann aus dem Projekt aus, mit Kutzer waren wir uns einig. Am Tag des Abgabeschlusses hatten wir eine große Telefonkonferenz mit der Liga. Während des Gesprächs sagte Kutzer plötzlich, er würde die Nennung nicht unterschreiben. Da habe ich mir gedacht, dann machen wir es halt alleine. Das Land regte schließlich an, dass der Name Vorarlberg im neuen Team seinen Platz haben sollte. Auch die Liga legte uns nahe, nicht als VEU zu starten. Irgendwann tauchte der Name und das Logo der Pioneers auf.

eishockey, dec, dornbirn bulldogs, – GM Alexander Kutzer spricht über die Kampagne “Bulldogs Bites Corona” (Kennenlernen der Massnahmen und Vorschriften) – Mitverfolgen des Pre-Game-Skates der Mannschaft von der Tribüne – Fotomöglichkeit während dem Training (aus dem Publikumsbereich) – Head Coach Kai Suikkanen steht für Fragen zur Verfügung (Testlauf der distanzierten MixedZone)
Mit Alexander Kutzer von den Dornbirn Bulldogs schien alles klar zu sein. Steurer

Sie haben bereits in der Saison davor den Versuch unternommen, als VEU Feldkirch an der damaligen EBEL teilzunehmen. Warum?

Gleim Für uns war, wie für Oberscheider heute, klar, dass es so nicht weitergehen kann. Ich wollte eine Flucht nach vorne und schauen, was möglich ist. Zuvor hatten wir viele Gespräche mit unseren Sponsoren geführt, die auch gesagt haben, die Aufmerksamkeit durch das TV etc. wäre eine Möglichkeit, mehr Geld zu lukrieren. Damals kam aber die Absage der Liga an die VEU.

Von einigen Fans wird die Abkehr vom Namen VEU Feldkirch und die Schaffung eines neuen Projekts als größter Fehler der Verantwortlichen bezeichnet.

Gleim Ich hatte Vertreter des Südchaos mehrfach bei mir im Büro sitzen und habe ihnen die Situation erklärt. Dafür kann weder Michael Lampert noch ich etwas, der Druck kam von außen. Wenn man in Feldkirch Eishockey sehen will, darf der Name keine solch große Rolle spielen. Mir wäre es auch lieber gewesen, als VEU aufzusteigen, der Name ist uns heilig. Und wenn einer das Recht hat, den alten Zeiten nachzuweinen, dann ist es Michael Lampert.

Eishockey VEU Feldkirch Fans Südkurve Südchaos
Südchaos entschied sich für die Unterstützung der VEU, nicht der Pioneers. Kofler

Wie geht es bei den Pioneers weiter?

Gleim Uns wird derzeit eine schlechte Kommunikation vorgeworfen. Damit haben die Fans recht. Das nehme ich auf meine Kappe, weil ich die Jungs ständig bremse, weil ich derzeit die Schnauze voll habe. Ich arbeite hier seit 17 Jahren mit viel Herzblut und Energie. Dafür will ich mich nicht als Schwerverbrecher hinstellen lassen. Gewisse Aussagen in Foren wurmen mich. Wir müssen manchmal Entscheidungen treffen, die nicht jedem passen. Dafür aber persönlich angegriffen zu werden, ist nicht normal. Dass Lampert oder Gross, die hier mit Herzblut arbeiten, angefeindet werden, tut weh. Ich zahle viel Geld für die Pioneers und frage mich manchmal am Abend, warum ich das tue. Aus meiner Sicht hat die Berichterstattung den Eishockeysport in Feldkirch finanziell ruiniert. Wenn ich nicht da gewesen wäre, dann wäre es bereits während der vergangenen Saison vorbei gewesen.

STEVEN OWRE ICE-Liga-Spiels Pioneers Vorarlberg – Vienna Capitals
Pioneers-Angreifer Steven Owre wurde zum MVP der Liga gewählt. Stiplovsek

Und in der kommenden Saison?

Gleim Wir starten ins Ungewisse. Ich muss für mich die Antwort finden, ob ich als Pit Gleim das weiterhin mache. Dafür werde ich wohl gesteinigt, aber ich muss jetzt Klartext sprechen. Für mich ist das hier ein Hilfeschrei. Mir fehlt die Anerkennung für das, was wir hier geleistet haben. Mir wäre ein Fundament an vielen Sponsoren wichtiger als ein Großer, der bei einem Rückzug nicht kompensierbar wäre.

Was wäre das Best-Case-Szenario für die Pioneers in weiteren 17 Jahren?

Gleim Am wohlsten würde ich mich fühlen, wenn wir jedes Jahr ein sicheres Budget hätten und das müssen bei Weitem keine 10 Millionen Euro sein. So lange ich Präsident bin, ist der Weg vorgegeben: Die Jungen sollen ihre Chance bekommen, die restlichen Plätze sollen Ausländer einnehmen, die im Idealfall so einschlagen wie im Vorjahr. Diesen Weg wollen wir gehen. Dass es Talente gibt, sieht man an Marco Rossi oder Vinzenz Rohrer, die kommen ja von hier. Das haben die Jungs auch nie vergessen. Der Traum von mir wäre im Ausbildungsbereich professioneller zu werden. Es gibt die Vision einer Akademie in Feldkirch, dafür würde ich auch Geld in die Hand nehmen.

KEVIN MACIERZYNSKI Pioneers Vorarlberg – Asiago Hockey
Die Zukunft der Pioneers Vorarlberg ist ungewiss. Stiplovsek

Und das Worst-Case-Szenario?

Gleim Ich habe Michael Lampert und Christian Groß die Freigabe gegeben, die Saison zu planen. Wenn aber in den kommenden Wochen kein Zeichen von außen kommt, kann ich das nicht mehr alleine stemmen.

Dann ist auch die kommende Saison schwierig?

Gleim Ja, absolut. Wir haben bestehende Sponsoren, aber wir brauchen mehr. Wir wollen den Eishockeysport im Lande weiterbringen, nicht zerstören. Ich will bei meinen Jungs an der Bande stehen und gutes Eishockey sehen, das wäre mein größter Wunsch.

Interviewbilder von Pioneers-Präsident Pit Gleim
Pit Gleim hat den Vereine viele Jahre unterstützt. Paulitsch