“Junge Wilde” treffen auf rot-weiß-roten Powerfußball

Sport / 01.07.2024 • 15:51 Uhr

Altachs Tormanntrainer Ramazan Özcan wagt vor dem Duell Österreich vs. Türkei keine Ergebnisprognose, doch er gibt einen kleinen Einblick in sein zerrissenes Fußballerherz.

Leipzig-Altach Gemeinsam haben sie 73 Länderspiele für Österreich bestritten, doch kein einziges Mal standen sie zusammen auf dem Feld. Die Rede ist von Altachs Trainertrio Joachim Standfest (44), Roman Wallner (42) und Ramazan Özcan. Letzterer hatte erst in der Vorwoche seinen 40. Geburtstag gefeiert. Zusammen mit Standfest war er 2008 beim Spiel in Nizza gegen Italien (2:2) vom damaligen Teamchef Karel Brückner eingewechselt worden.

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“Rambo”, wie er gerufen wird, hat als einziger Vorarlberger zwei Endrunden bei Europameisterschaften bestritten. Der langjährige Deutschland-Legionär kennt also die Mechanismen einer gemeinsamen Zeit nach einer langen Saison. Und er ist voll des Lobes für das rot-weiß-rote Team.

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Ramazan Özcan feierte dieser Tage seinen 40. Geburtstag. Meier

Dabei schlagen bei Altachs Tormanntrainer vor dem Achtelfinale zwischen Österreich und der Türkei (Dienstag, 21 Uhr) zwei Herzen in der Brust. Seine familiären Wurzeln sind in der Türkei, doch seine fußballerische Ausbildung hat er in Österreich genossen. Deshalb ist er vor dem Duell ein wenig hin- und hergerissen. Er selbst hat ein Länderspiel gegen seine Landsleute bestritten. 2016 in Wien unter Marcel Koller, als Österreich gegen die Türkei mit 1:2 verlor. Für die VN lässt der Familienvater tief in seine Seele blicken und spricht zudem über Stärken und Schwächen beider Nationalmannschaften.

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Wieder im täglichen Trainingsbetrieb. Meier

Unterschied. Ganz klar die Kompaktheit. Österreich hat mittlerweile eine klare Linie, eine richtige Spielkultur entwickelt. Die türkischen Spieler sind zwar technisch sehr versiert. Aber man hat in den Spielen gesehen, dass es immer wieder ein, zwei Akteure gab, die den vorgegebenen Plan nicht strikt eingehalten haben. Das führt dann zu Problemen.

"Junge Wilde" treffen auf rot-weiß-roten Powerfußball
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Rambo prüft noch einmal letzte Details vor dem Trainingsbeginn. Meier

Spielstil. Teamchef Ralf Rangnick fordert einen klaren Spielstil. Den hat er jedem Einzelnen, wie sagt man so schön, injiziert. Man sieht auch, dass die Mannschaft als Einheit funktioniert. Das zeigt sich an vielen Beispielen. Etwa, dass David Alaba, quasi als Motivator, über Wochen mit dabei ist. Oder das Eigentor von Maximilian Wöber. Die ganze Mannschaft hat ihn danach aufgefangen und er zeigt in dem so wichtigen Spiel gegen die Niederlande eine sehr gute Leistung. Das zeigt mir, dass die Hierarchie im Team absolut intakt ist. Das ist gerade bei so großen Turnieren enorm wichtig.

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Endrunde. Das Wichtigste in dieser Zeit ist der Zusammenhalt, neben einem klaren und strukturierten Plan. Es ist auch erforderlich, mit Rückschlägen gut umgehen zu können. Auch wenn sich die Niederlage gegen Frankreich für mich nicht als Rückschlag angefühlt hat. Was mir besonders imponiert: Selbst bei Gegentoren heißt es, Mund abputzen und weiter nach vorn spielen. Selbstvertrauen, Disziplin, Mut – das sind für mich die Tugenden, die bei einem Turnier, wo es alle drei, vier Tage ein Match gibt, ganz wichtig sind.

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Türkei. Die große Stärke ist sicherlich ihre Unberechenbarkeit. Am besten beschreibt man die Mannschaft als “junge Wilde”. Als Trainer kannst du immer davon ausgehen, dass der eine oder andere Mal aus der Reihe tanzt. Das kann sich auch positiv auswirken. Gerade in Deutschland, wo die Fan-Unterstützung für die Türkei riesig ist. Die sogenannte zweite Luft, der zwölfte Mann, kann enorm pushen. Die Mannschaft hat Potenzial für die Zukunft, doch es muss an der Stabilität und Konstanz gearbeitet werden.

Austria Soccer Euro 2008
Ramazan Özcan 2008 im EM-Teamtrainingslager mit Jürgen Macho. gepa

Torhüter Patrick Pentz. Ich war immer überzeugt, dass er diese Rolle ausfüllen kann. Ich kenne ihn aus Leverkusen und auch seine Familie und habe ihn auch zwei-, dreimal trainieren dürfen. Ich habe es ihm zugetraut, auch wenn es in Leverkusen nicht geklappt hat. Auch nicht jeder Formel-1-Bolide funktioniert auf jeder Rennstrecke gleich. Es war dann der Plan, im Winter nach Dänemark zu wechseln, um Spielpraxis zu sammeln. Patrick passt genau in die Philosophie von Ralf Rangnick, der einen spielerischen und auch mutigen Torhüter sehen will. Genau das verkörpert der Junge. Schön zu sehen, dass beim Thema Torhüter in Österreich einmal Ruhe einkehrt.

ABD0149_20160622 – PARIS – FRANKREICH: David Alaba und Tormann Ramazan …zcan nach dem EM-Spiel Island gegen …sterreich am Mittwoch, 22. Juni 2016, im Stade de France in Paris. – FOTO: APA/ROBERT JAEGER
Bei der EM 2016 in Frankreich tröstet Ramazan Özcan nach dem Aus seinen Teamkollegen David Alaba. apa

Erwartung für das Spiel. Österreich mit voller Offensive, mit vollem Engagement und voller Power. Aus Sicht der Türkei wird es ein sehr emotionales und hitziges Spiel. Am Ende wird es auch darauf ankommen, wer in diesen Situationen die Nerven besser unter Kontrolle hat.