Protektor oder Airbag

Das große Thema im Speed-Bereich sind zurzeit die Airbags. Laut FIS, das „Aller-Heilsmittel“ gegen die vielen Verletzungen in den Speed-Disziplinen.
Auf den ersten Blick erscheint es sinnvoll, die Abfahrer:innen mit aufblasbaren Polstern auszustatten, um die knallharten Pisten zu entschärfen.
Im Labor werden Protektoren und Airbags seit vielen Jahren getestet und dort scheinen sie zu funktionieren. Vorbild dafür waren die Motorradfahrer, die mit annähernd 300 km/h um die Rundkurse preschen. Eigentlich logisch, dass unsere Speed-Cracks auch diese Möglichkeit nutzen. Nur sind Abfahrtsläufer nicht mit Profi-Bikern zu vergleichen. Die Motorradfahrer mit ihrer Durchschnittsgröße von 170 cm und 60 kg Gewicht sitzen praktisch unbeweglich auf ihrem Bock. Sie rutschen bestenfalls ein wenig auf ihrem Sattel hin und her, wenn sie mit extremer Schräglage in den Kurven liegen.
Bei den Abfahrtsläufern reden wir von Athleten von 190 cm Größe und 100 kg und mehr Gewicht. Auch in der Abfahrt und im Super-G sind die Schräglagen ähnlich wie bei den Bikern und die Geschwindigkeiten genauso hoch. Im Skisport ist man ständig bemüht, seine Position zu korrigieren. Schläge, Löcher, Buckel und riskante Sprünge wechseln sich ununterbrochen ab. Meist im Schatten und bei schlechter Sicht. Der Athlet ist deshalb ständig gezwungen, reflexartig seine Fahrt auszutarieren, um Stürze zu vermeiden.
Ich kann mich noch an die ersten Protektoren Anfang der 90er Jahre erinnern, als auch ich die ersten Rückenpanzer selbst ausprobierte. Anfangs war es unangenehm und ein Gefühl, es störe die Konzentration während der Fahrt. Schlussendlich hat sich der Protektor bei allen Athleten durchgesetzt, und das war auch sinnvoll.
Mit den Airbags ist jetzt die Weiterentwicklung der Protektoren angekommen. Eng am Körper anliegend, mit einer Patrone am Rücken, soll dieser, in Millisekunden aufblasbar, den Sturz des Läufers dämpfen. Mit der Konsequenz, dass der Athlet nicht mehr dieselbe Bewegungsfreiheit hat wie früher. Das könnte in bestimmten Rennsituationen die Reflexe beeinträchtigen und dadurch einen Sturz sogar provozieren. Ganz abgesehen davon, dass ein Airbag durch eine ungünstige Stangenberührung – auch mal ungewollt – aktiviert werden kann.
Ein konkreter Schutz ist der Airbag in jedem Fall nur dann, wenn der Athlet beim Sturz dort aufschlägt, wo ein Airbag am Körper platziert ist. Schulter, Rücken und Becken.
Für Knieverletzungen ist sowohl der Airbag als auch der Protektor völlig irrelevant.
Ein Für und Wider hat es bei Erneuerungen immer schon gegeben.
Ich halte es da wie der deutsche Alpinchef Wolfgang Meier der mit Recht sagt, „man soll doch bitte den Athleten etwas Selbstbestimmungsrecht gewähren“.