Ein Duell auf des Messers Schneide

Zum zweiten Mal binnen drei Jahren lautet das NFL-Finalduell Chiefs vs Eagles.
New Orleans Wenn am Sonntag um 17.30 Uhr Ortszeit (Montag 0.30 MEZ) in New Orleans der Kick-off zu Super Bowl 59 erfolgt, dann wird dieser Moment in mehrerlei Hinsicht historisch sein. Einerseits, weil mit US-Präsident Trump zum ersten Mal in der Geschichte des Endspiels um die Krone im American Football ein amtierendes US-Staatsoberhaupt dem Reigen beiwohnen wird, andererseits, weil sich die Kansas City Chiefs anschicken mit einem Sieg zu der dynastischen Mannschaft in der Geschichte der National Football League (NFL) zu avancieren.

Noch nie gelang einer NFL-Mannschaft ein Titel-Hattrick. Und das, obwohl die Liga mittlerweile über 100 Jahre alt ist. Das letzte Aufeinandertreffen der beiden Teams im Endspiel vor erst zwei Jahren ging mit lediglich drei Punkten Unterschied aus. Für die Buchmacher sind die Chiefs aktuell „Favorit“ mit einem Punkt Vorsprung. Nach vielen Interviews und Gesprächen, die ich im Verlauf der Woche in New Orleans führen durfte, offeriere ich Ihnen den VN-Super-Bowl-Check.

Das spricht für Kansas City
Routine, Abgeklärtheit und vor allem der Mann, der die #15 für die Chiefs trägt. Quarterback (QB) Patrick Mahomes ist der wohl dominanteste Spieler auf der wichtigsten Position im American Football seit einem gewissen Tom Brady. Dass Mahomes in seiner gesamten Karriere als Stammspieler seit 2018 immer mindestens ins Halbfinale der NFL gekommen ist, wäre die eine Sache. Die andere ist, dass er sich zum vierten Mal binnen sechs Jahren zum Champion küren könnte. Etwas, das Brady in seiner illustren Karriere so nie gelungen ist. Egal, was gegnerische Verteidigungen probieren, seine unnachahmliche Weise den offenen Passfänger zu finden, seine beeindruckende Fähigkeit Druck auszuweichen und sein beispielloses Improvisationstalent – besonders was seine Läufe anbelangt – waren und sind die Grundpfeiler für den immensen Chiefs-Erfolg der letzten Jahre.
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Wenn man einen der besten Quarterbacks in der NFL sein Eigen nennt, dann sind die Spieler drumherum nicht ganz so relevant wie bei manch anderem Team, das auf der QB-Position vielleicht eine qualitative Lücke klaffen hat. Auch deswegen hat Kansas City die vergangenen Jahre viele Ressourcen in die Defensive investieren können. Investments, die sich in dieser Saison bezahlt machten. Chiefs Defensive Coordinator (DC) Steve Spagnuolo – bereits jetzt mit vier Super-Bowl-Siegen als DC ausgestattet (kein Coach in der NFL-Geschichte verfügt über mehr) – wird am Sonntag sicher erneut kreative Pläne parat haben müssen, um der mächtigen Eagles-Laufoffensive Einhalt zu gebieten. Sollte Spagnuolos Defense dies tatsächlich bewerkstelligen können, dann würde die Chance auf den Titel enorm steigen.

Das spricht für Philadelphia
Der Star ist das Kollektiv. Und das ist in der Tat kein Tippfehler. Denn normalerweise sind es die ganz großen Quarterbacks, die ihre Teams – manchmal auch im Alleingang – auf die größte Bühne im American Football-Sport hieven. Bei Eagles QB Jalen Hurts wird Zeit seiner Karriere eine vielleicht unfaire Messlatte angelegt, aber der Ruf, dass er das ganz große Spiel eben nicht gewinnen kann, haftet ihm hartnäckig an. Das hängt auch mit einem Narrativ aus seiner College-Karriere zusammen. Dort führte er sein College-Team Alabama zwar ins Endspiel, wurde nach einem 0:13-Halbzeitrückstand aber ausgewechselt. Sein Ersatzmann drehte und gewann prompt die Partie.

Hurts wurde trotzdem hoch gedraftet und zum Starting Quarterback der Eagles. Eine verlorene Super Bowl vor zwei Jahren gegen die Chiefs hat die Bluthunde innerhalb der NFL-Medienmeute darum nur weiter hinterfragen lassen, ob Hurts das ganze große Spiel auch wirklich gewinnen kann. Seine Chancen darauf standen jedenfalls noch nie so gut wie heuer: Seine Offensive Line – seine Beschützer – gilt als die beste in der NFL, mit Saquon Barkley hat er einen historisch guten Running Back neben sich, die Defense Philadelphias ist in vielen Kategorien die klare #1 der NFL. Keines der 32 Teams ist auch nur annähernd so tief und talentiert besetzt wie Philadelphia. Außer auf der Quarterback-Position. Wenn sich dieser Umstand am Super-Bowl-Sunday weitestgehend kaschieren lässt, dann sollte der Sieger der 59. Endspiel-Auflage Philadelphia heißen.

Lesen Sie am Dienstag: meine sehr persönliche Rückschau auf Super Bowl 59
Martin Pfanner ist selbstständiger Journalist, TV-Kommentator und Sendungsproduzent. Er arbeitet unter anderem für Puls 24 und das Streaming-Portal DAZN. American Football und Eishockey sind seine großen Passionen.