Marc Girardelli über Levi als Bewährungsprobe

Wie jeden Winter steigt nach Sölden das Slalom-Wochenende in Levi. Heuer, mit winterlichen Temperaturen, waren auch die Pistenverhältnisse ziemlich eisig. Das verlangte den Frauen wie auch den Männern ihr gesamtes Können ab. Und am besten kam bei den Damen Mikaela Shiffrin damit klar. Wer denn sonst? Könnte man die Zeit am TV ausblenden, wäre die Fahrt von Kathi Liensberger wirklich gut gewesen. Das zeigt auch ihr Rückstand aufs Podium, der nur 6/10 Sekunden betrug. Vor allem im zweiten Lauf sah man Aggressivität, Kampfgeist und technisch sehr schöne Passagen.
Trotzdem muss man sich fragen, wie es die US-Amerikanerin schafft, der Weltelite so viel Zeit abzunehmen. Liegt es etwa am Spezialtraining in einer deutschen Skihalle, wo sich der weibliche Ski-Alien ganze vier Wochen lang vorbereitet hat? Ganz sicher lag es nicht am finanziellen Aufwand, zumal sie sich eine Reise nach Neuseeland erspart hat. Vom Start weg war auch optisch zu sehen, dass sie gleich einem “Schnellzug” unterwegs ist. Shiffrin wird immer schneller, wo die anderen langsamer werden. Im Steilen setzt sie den Ski genau einmal auf das Eis und zieht die Kurve durch. Es wirbelt kein Staub auf, wie bei den meisten anderen, die zwei- bis dreimal die Kanten ins Eis hacken, bis sie dann endlich um die Stange “holpern”. Nur gut, dass in Levi keine Sonne schien, denn die Strahlen könnten in der Staubwolke hinter manchen Läuferinnen einen Regenbogen bilden.
Bei den Herren lag das Feld viel enger beisammen. Der Sieg war hart umkämpft und Braathen, der Neu-Brasilianer, hat völlig verdient den Slalom in Levi gewonnen.
Vom Wintermärchen aus Sölden waren die Österreicher dieses Mal weit entfernt, doch die Mannschaftsleistung insgesamt war positiv. Marco Schwarz ließ anfangs auf mehr hoffen, konnte aber das Bravourstück vom Rettenbachferner nicht wiederholen. Wenn auch “nur” Platz 24, so war es für Johannes Strolz doch ein erfolgreicher Start in den Winter. Mit 2,5 Sekunden Rückstand auf den Sieger legte er eine gute Basis, auf die er aufbauen kann. Im letzten Jahr war er bekanntlich zweimal hintereinander ausgefallen und kam dadurch erheblich unter Druck. Strolz riskierte bei Weitem nicht alles und hatte überall noch Reserven. Klar, dass die Kanteneinsätze dann nicht so präzise und kurz kommen wie bei Clément Noel oder Lucas Pinheiro Braathen. Und wir können uns nach dem ersten Slalom glücklich schätzen, die Schweizer klar im Griff zu haben.