Hochmairs „Jedermann” begeistert erneut

Welt / 20.07.2025 • 14:24 Uhr
Hochmairs „Jedermann” begeistert erneut
Philipp Hochmair ist auch in diesem Jahr wieder in der Rolle des „Jedermann“ zu sehen. APA/BARBARA GINDL

Premiere des Festspiel-Klassikers vor der beeindruckenden Kulisse des Salzburger Doms.

Salzburg In ihrem zweiten Jahr hat Carsens Inszenierung an Dynamik wie an Charakter gewonnen: Philipp Hochmair als Jedermann zeigte sich weniger manieriert, Deleila Piasko legte als selbstbestimmte Buhlschaft noch an Eigenständigkeit zu. Ansonsten blieb die Inszenierung das, was sie bereits im Vorjahr war: eine große Party ohne allegorischen Schnickschnack. Dominik Dos-Reis gab erneut als Tod einen fanatischen Geistlichen, der Glaube blieb eine Putzfrau und Jedermann streamte seine Ankunft auf seinem Anwesen live im Internet. Als Klammer dienen erneut an Pathos grenzende Massenszenen, beginnend mit den aus dem Dom strömenden Gläubigen als Spielansager, die sich flugs in eine bunte, queere Partygesellschaft verwandeln und am Ende in weißen Gewändern Jedermanns Begräbnis beiwohnen. Gemeinsam mit Co-Bühnenbildner Luis F. Carvalho setzt Carsen erneut auf reduzierte Bühnenelemente wie einen riesigen Rollrasen, Traverse mit Discokugeln oder eine Gartenbank samt Sonnenschirm, unter dem Jedermanns Mutter ihrem Sohn folgenlos ins Gewissen redet. All das geschieht vor der beeindruckenden Kulisse des Doms, den Hochmair sein Haus nennt und aus dem allerlei in Tracht, Gastro-Bekleidung oder Gärtner-Outfit gewandetes Hauspersonal auftritt.

Hochmairs „Jedermann” begeistert erneut
APA/BARBARA GINDL

Deleila Piasko, die ihre Buhlschaft im Vorjahr als selbstbewusstes It-Girl gab, ist deutlich erwachsen geworden und rückt früher als bisher von ihrer Schwärmerei für den älteren Mann ab. Sie ist eine kritische Co-Hausherrin, die in dieser sanft gestrafften Version der Inszenierung stets den Überblick behält – bis ihr Jedermann dem Tod ins Auge blickt. Die rund 90 Partygäste setzen auf Breakdance, Koks und Karaoke. Wie viel in der ersten Stunde getanzt und gesungen wird, ist nach wie vor etwas befremdlich. Dass sich hier die Reichsten der Reichen in einem heutigen Paralleluniversum begegnen, wird besonders deutlich, wenn Arthur Klemt als von Polizisten eskortierter und von Journalisten umringter Schuldknecht in Anzug und Sonnenbrille vor Jedermann tritt, dem er bis vor kurzem in einer Welt der spekulierenden Immobilien-Haie wohl noch ebenbürtig gewesen war. Aktuelle Bezüge zu einer berühmten Mega-Pleite lassen immer noch grüßen.

Hochmairs „Jedermann” begeistert erneut
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Hochmair unterhält die Meute auf seiner exklusiven Gartenparty via Mikrofon und tanzt mit seiner Geliebten Tango auf dem Tisch. Im zweiten Teil des auf 100 Minuten gekürzten Abends kann Hochmair jenen Wahnsinn ausspielen, der ihm am besten liegt, fährt ihn jedoch im Vergleich zu Vorjahr deutlich zurück.
Geblieben ist auch die an Jesus erinnernde Szene, in der der Jedermann die Füße der Statisten wäscht und küsst, nachdem der Glaube als Putzfrau Jedermann einen Lappen in die Hand drückt. Juliette Larat füllt die Rolle hervorragend aus. Dass der Teufel in jedem von uns steckt, verdeutlicht einmal mehr Christoph Luser, der für seine Doppelrolle als Guter Gesell und Teufel im Vorjahr einen Nestroy-Preis erhielt. Erneut stark ist Kristof Van Boven als Mammon, der als modetechnischer Klon Jedermanns aus dem Kofferraum des goldenen Cabrios springt und nicht nur mit Jedermanns Geldkoffern, sondern auch mit dessen absurd teurer Kunstsammlung das Weite sucht.