Wiener Volksmusik bei den Festspielen

„Sehn‘s, das is‘ weanarisch“: Das Symphonische Schrammelquintett im Seestudio.
Bregenz Lilli Paasikivi hat nicht nur ein hochkarätiges Hochkultur-Programm zusammengestellt, sie hat auch Sinn für das Populäre: So kann man am 11.8. einen Abend mit finnischem Tango besuchen. Das Wiener Gegenstück, die Schrammelmusik, hat ebenfalls einen Platz bei den Festspielen gefunden. Und zwar erstmals, wie der Primgeiger Helmut Lackinger in seiner Moderation des Konzerts „Sehn‘s, das is‘ weanarisch“ betonte, das am Samstag im vollbesetzten Seestudio stattfand. Wie schon eine Woche zuvor mit den acht Hornisten trat wieder eine spezielle Formation der Wiener Symphoniker auf: das „Symphonische Schrammelquintett Wien“, das 1996 als „Wiener Symphonia Schrammeln“ gegründet wurde und seit 2011 den neuen Namen trägt. Das Quintett hat seit mehr als fünfundzwanzig Jahren eine Abonnementreihe im Wiener Konzerthaus und tritt in Original-Schrammelbesetzung auf: mit zwei Geigen und einer Kontragitarre, die mit einer Wiener Knöpfelharmonika oder einer hohen G-Klarinette (dem „picksüaßen Hölzl“) zu einem Quartett ergänzt werden oder auch als Quintett spielen kann.

Nicht nur wegen des ewigen Regenwetters war es ein seltenes Vergnügen und ein absoluter Lichtblick, „den Schrammeln“ in dieser exzellenten Besetzung eine Stunde lang zuzuhören: Helmut Lackinger und Alexandra Winkler an den Geigen, Kurt Franz Schmid an der Klarinette, Ingrid Eder an der Wiener Knöpfelharmonika und Heinz Hromada an der Kontragitarre. Das Programm umfasste nicht nur Kompositionen von Johann Schrammel, sondern auch von anderen Wiener Komponisten. Nach drei ebenso schwungvoll wie elegant vorgetragenen Tänzen im Schrammel-Stil erklang der „Neue Wiener Ländler“ des eine Generation älteren Joseph Lanner, der wegen seiner feinsinnigen Melodien der „Mozart der Wiener Tanzmusik“ genannt wurde. Auch Fritz Kreisler, dem legendären jüdischen Geiger, der sich trotz Einladung durch Wilhelm Furtwängler weigerte, im Dritten Reich aufzutreten, erwiesen die Musiker ihre Reverenz, mit dem berühmten Caprice Viennois, op. 2, bei dem Lackinger seine virtuosen Fähigkeiten zeigen konnte. Einer der Höhepunkte war der Walzer „Wiener Blut“ von Johann Strauß, 1873 zur Hochzeit von Erzherzogin Gisela mit Leopold von Bayern komponiert, in dem laut einem zeitgenössischen Zeitungsbericht „frisches, freies, echtes, rotes Wiener Blut“ fließe. Moderiert wurde das Konzert abwechselnd von Lackinger, Schmid und Eder, wobei auch Wiener Anekdoten erzählt wurden wie die Geschichte eines Fiakers, der einen Fußgänger mit allen groben, bildhaften Ausdrücken des Wiener Dialekts beschimpft, worauf dieser zu seinem Erstaunen ebenso grob antwortet oder die Geschichte eines Betrunkenen, der auf dem Heimweg stürzt, weil die Gemeinde das Geländer entfernt hat, an dem er sich immer abstützte. Das begeisterte Publikum erklatschte zwei Zugaben, die mit der gleichen Leichtigkeit und ebenso gemütvoll gespielt wurden wie das ganze Konzert.

Ältere Bregenzer und Bregenzerinnen erinnern sich noch, dass es an der hiesigen Musikschule einen Musiklehrer Fritz Schrammel gegeben hat, der Cello, Gitarre und Akkordeon unterrichtet hat und der tatsächlich ein Nachfahre eines der legendären Schrammel-Brüder war. Schon Ende der fünfziger Jahre hat ein Geiger der Wiener Symphoniker bei ihm nach Hinterlassenschaften seines prominenten Vorfahren gesucht. Insofern war dieses Konzert eigentlich ein „Heimspiel“ an einem Ort, an dem auch einmal ein Schrammel musikalisch gewirkt hat.
Ulrike Längle