“Man merkt schon den Wien-Blick”

Schullandesrätin Barbara Schöbi-Fink im VN-Interview über die Zusammenarbeit mit dem neuen Minister.
Bregenz Für 56.000 Schülerinnen und Schüler in Vorarlberg wird es am Montag wieder ernst. Das Schuljahr 2025/2026 beginnt. Während der neue Bildungsminister Christoph Wiederkehr seinen ersten Schulstart als zuständiger Minister erlebt, ist Vorarlbergs zuständige Landesrätin Barbara Schöbi-Fink schon routiniert. Im VN-Interview zum Schulstart erzählt sie, was sie vom neuen Bildungsminister und dessen Ideen hält, wie es um den Lehrermangel steht und was aus der Aufregung um Stunden für schulische Assistenz geworden ist.
Im Frühjahr sorgte der Amoklauf in Graz für einen Schock in allen Schulen Österreichs. Fühlt man sich in den Schulen mittlerweile wieder sicher?
Barbara Schöbi-Fink Damals ist die Bildungsdirektion sofort aktiv geworden, sie arbeitet immer sehr eng mit der Polizeidirektion zusammen. Jede Schule hat einen Notfallplan, der wurde noch einmal aktualisiert. Mein Eindruck ist, dass es sich sehr beruhigt hat, Gott sei Dank. Die Schulen starten mit einem guten Gefühl der Sicherheit.
Am Mittwoch fanden die Eröffnungskonferenzen mit den Schulleitern statt. Haben die Direktoren genug Personal?
Schöbi-Fink Es deutet alles auf eine leichte Entspannung hin. Wir haben alle klassenführenden Stellen besetzen können. Bei über 5000 Lehrerinnen und Lehrern sind noch wenige Vollzeitäquivalente offen. Das sind einzelne Stunden, keine volle Stelle an einer Schule.

Warum hat sich die Situation etwas entspannt?
Schöbi-Fink Das Maßnahmenpaket, das wir vor vier Jahren beschlossen haben, fruchtet. Viele unserer Maßnahmen hat jetzt der Bund übernommen. Was sicher auch gewirkt hat, ist die Steigerung der Attraktivität der Ausbildung. Und auch die Quereinsteiger helfen. Ausschlaggebend ist zudem, dass es die Direktorinnen und Direktoren geschafft haben, dass manche im Kollegium ihre Teilzeitbeschäftigung aufstocken.
Wie viele Lehrer konnten aus anderen Bundesländern abgeworben werden?
Schöbi-Fink Für dieses Jahr weiß ich es noch nicht. In den letzten Jahren waren es immer zwischen 20 und 30. Aber die anderen Bundesländer haben seit zwei Jahren auch einen Lehrermangel, vorher waren wir mehr oder weniger alleine.
Auch Quereinsteiger bleiben wichtig. Bildungsminister Christoph Wiederkehr möchte sie ebenfalls in der Volksschule ermöglichen. Was halten Sie davon?
Schöbi-Fink Das ist ein komplexeres Thema, in der Volksschule gibt es keinen Fächerunterricht. Ein Chemiker, der Didaktik und Pädagogik an der PH nach lernt, ist immer noch ein Chemiker. An der Volksschule brauchen wir vor allem Didaktik und Pädagogik. Deshalb halte ich die Idee für herausfordernd. Ich bin aber gespannt, wie die Vorschläge aussehen. Ich kenne das Modell, das er sich vorstellt, noch nicht.

Vor den Ferien brach eine große Diskussion über die Stunden für schulische Assistenz in den Schulen aus. Manche Eltern und Direktoren berichteten von starken Kürzungen. Sie hielten entgegen, dass die Zahl der Stunden gleich geblieben ist, nur umverteilt wurde. Hat sich die Aufregung gelegt?
Schöbi-Fink Ich bin mir eigentlich sicher, dass sich die Situation beruhigt hat. Man hat sich die Situation bei jedem einzelnen Kind in jeder betroffenen Schule noch einmal ganz genau angeschaut. Ich stehe hinter dem Modell. Aber nach dem massiven Ausbau letztes Jahr haben Experten gesagt, dass es alleine mit einem quantitativen Ausbau nicht besser wird. Man muss zielgenauer schauen, was die Klasse und das Kind genau benötigen.
Wir haben bereits über den neuen Bildungsminister gesprochen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Schöbi-Fink Die Zusammenarbeit funktioniert grundsätzlich gut. Was ich mit Freude zur Kenntnis nehme, ist, dass viele Vorhaben, die der Minister jetzt auf der Agenda hat, bereits in Vorarlberg umgesetzt wurden. Die Mittelzuwendung über einen Sozialindex machen wir seit drei Jahren. Auch den Wunsch nach einer Flexibilisierung der Deutschförderung teilen wir.

Christoph Wiederkehr war zuvor Bildungslandesrat in Wien. Blickt er nun also nicht mehr mit Wiener Brille auf die Bildungspolitik?
Schöbi-Fink Er hat schon sehr deutlich die Situation in Wien im Blick. Obwohl wir weit weg sind und auch ländliche Regionen haben, teilen wir manche Situationen mit Wien. Was die Zahl der außerordentlichen Schüler und jener mit nicht deutscher Muttersprache anbelangt, liegen wir hinter Wien an zweiter Stelle. Ich merke aber schon den Wien-Blick. Wir sind erst am Anfang der Zusammenarbeit und ich hoffe, dass er die Situation der Länder auch ernst nimmt.
Wie merken Sie den Wien-Blick? An Zentralisierungstendenzen?
Schöbi-Fink Genau. Die anderen Bundesländer, da bin ich nicht alleine, schauen genau darauf, dass er registriert, wofür die Länder zuständig sind und was besser wohnortnah und in der Region gelöst werden kann.
Derzeit laufen dazu Reformgespräche.
Schöbi-Fink Ein wichtiger Reformschritt wäre es, die komplexen Finanzierungsströme und Anstellungsverhältnisse in den Schulen zu vereinfachen. Dass alle denselben Dienstgeber haben. Ein Papier dazu liegt in einer Schublade im Ministerium. Es wurde kurz vor den Wahlen aber nicht mehr umgesetzt, warum auch immer. Aber das muss man angehen.
Das Programm der Bundesregierung sieht auch vor, Modellversuche zu vereinfachen. Würde das auch den Versuch einer gemeinsamen Schule ermöglichen?
Schöbi-Fink So wie die Gesetzeslage derzeit ist, ist ein Modellversuch in der Praxis nicht umsetzbar. Deshalb begrüße ich es, wenn der Minister oder der Bund die Gesetzeslage verändert. Jetzt ist der Bund am Zug. Wir haben das mehrfach deponiert, aber wir haben so viele wichtige und dringende Themen in der Schule und im Bildungssystem zu lösen, dass wir keine leeren Kilometer machen wollen.
Sie haben also auch keinen Versuch mehr unternommen, ein Pilotprojekt aufzustellen?
Schöbi-Fink Vor den Wahlen hat eine Arbeitsgruppe in der Bildungsdirektion ein konkretes Projekt ausgearbeitet. Auf die darauf folgende Einladung an AHS-Schulen war die Antwort, dass keine AHS die Haltung verändert hat. Sie bleiben bei der Ablehnung. Daraus schlussfolgerten wir, dass wir unsere Energie lieber dort einsetzen, wo es um strukturelle Verbesserungen geht und wir auch die Kompetenz dazu haben.
Die Sommerschule soll kommendes Jahr für alle außerordentlichen Schüler verpflichtend werden. Halten Sie das für eine gute Idee?
Schöbi-Fink Wir haben zu wenig außerordentliche Schüler in der Sommerschule. Es wäre aber wichtig, dass mehr dabei sind. Derzeit funktioniert es so, dass der Lehrer die Schüler einlädt, wenn er glaubt, der Schüler braucht es. Wir warten jetzt auf den Vorschlag des Ministers. Wenn alle außerordentlichen Schüler dazukommen, wird sich die Teilnehmerzahl in der Sommerschule verdoppeln. Problematisch wäre es trotzdem, Lehrer dazu zu verpflichten.
Wird es ohne Verpflichtung der Lehrer genug Personal geben?
Schöbi-Fink Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir mit Freiwilligkeit sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Es war dieses und letztes Jahr kein Problem, genügend Lehrer zu finden. Wenn die Verpflichtung aufkommt, ändert sich vieles. Auch der Blick auf die Sommerschule. Ich bin gespannt, wie sich der Minister das vorstellt.
Zahlen und Daten zum Schulstart
56.029 Schülerinnen und Schüler starten am Montag ins Schuljahr. Das sind 461 mehr als im Schuljahr zuvor.
7047 Lehrerinnen und Lehrer nehmen die Arbeit auf
5576 Kinder und 335 Lehrerinnen und Lehrer sind erstmals dabei
5032 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten an den Landesschulen (Pflicht- und Berufsschulen). Sechs Stellen (vier VZÄ) sind noch offen.
2015 Lehrerinnen und Lehrer arbeiten an den Bundesschulen (AHS und BMHS). Zehn Stellen (bzw. drei VZÄ) sind unbesetzt.
164 Pflichtschulen bieten eine ganztägige Betreuung an. 11.700 Schülerinnen und Schüler nehmen die Nachmittagsbetreuung in Anspruch.
14 Standorte bieten 62 verschränkte Ganztagsklassen für 1012 Schülerinnen und Schüler an.
57 Deutschförderklassen sind geplant. Die spezielle Deutschförderklasse in Bludesch-Gais wird fortgeführt.