Die Galoschen des Glücks

HEUTE • 12:05 Uhr
PK, Landestheater, Pressekonferenz anlässlich eines gemeinsamen Projekts mit dem Franz-Michael-Felder-Verein und Autor Felix Mitterer, Walter Fink und Stephanie Gräwe

VN-Kommentar von Walter Fink.

Es war im Jahre 1968, als am germanistischen Institut der Universität Innsbruck ein Gastprofessor aus Dänemark namens Börne (den Vornamen weiß ich leider nicht mehr) aus Dänemark eine Vorlesung über Hans Christian Andersen hielt. Der Andrang hielt sich in Grenzen. Gerade einmal eine Handvoll Studenten fanden sich in dem zu großen Raum – die paar Interessierten allerdings wurden reichlich belohnt. Denn Börne erzählte nicht nur spannend über den großen Märchendichter Andersen, sondern auch über seinen Kritiker, manchmal auch Freund, den Philosophen Søren Kierkegaard. Zu Andersen haben wir heuer zwei Gedenktage, nämlich den 220. Geburtstag und dann auch noch den 150. Todestag.

Andersen war seine Laufbahn nicht in die Wiege gelegt, er wurde in ärmlichen Verhältnissen als Sohn eines Schusters und einer Wäscherin im dänischen Odense geboren. Trotz der widrigen Verhältnisse schaffte sich sein Vater eine kleine Bibliothek an, las dem Kind auch gerne Märchen, etwa „Tausend und eine Nacht“, vor. Jahre versuchte er sich erfolglos als Schauspieler, er unternahm mehrere Reisen, unter anderem nach Deutschland und Italien. Dabei entstanden erste Entwürfe zur „Kleinen Seejungfrau“, einem der schönsten und traurigsten Märchen von Andersen. 1835 brachten zwei Märchenbände, darunter „Die Prinzessin auf der Erbse“, die ersten Erfolge.

Zu ähnlicher Zeit erschienen in Deutschland die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm. Sie wurden ein unglaublicher Erfolg, gehören heute zum Standard jeder Bibliothek und wurden 2005 in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen. Die Grimmschen Märchen waren eine Sammlung, die Märchen von Andersen allerdings Dichtung. Anders gesagt: Grimmsche Märchen waren mündlich überlieferte Geschichten, Andersen schrieb Kunstmärchen in einer Sprache, die auch das Volk verstand. Und er wurde damit zum dichterischen Helden Dänemarks. Seine Märchen, etwa „Des Kaisers neue Kleider“, „Die Schneekönigin“, „Däumelinchen“ oder „Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“, gehören noch heute zum Schatz einer jeden Märchensammlung. Nur: Man sollte sie nicht nur im Regal stehen haben, man sollte sie auch lesen.

Zurück zu Professor Börne, Andersen und Kierkegaard. Schon zu ihren Lebzeiten waren der Märchendichter und der Philosoph getrennt wie Sonne und Mond, sie konnten nicht zusammenfinden, aber keiner konnte ohne das Licht des anderen sein. Kierkegaard hatte den Märchendichter Bekannten gegenüber wiederholt als allzu sentimental, naiv und unmännlich bezeichnet. Andersen wiederum erzählte in seinem Märchen „Die Galoschen des Glücks“ von einem seltsamen Papagei, der philosophische Sprüche von sich gibt, die aber niemand so recht versteht. So manche Zeitgenossen meinten darin eine Karikatur Kierkegaards zu erkennen. Kirkegaard formulierte den Unterschied: „Andersen schreibt über die Galoschen des Glücks, ich aber schreibe davon, wo der Schuh drückt.“ Ein Wunder, dass man im Nachlass von Andersen trotzdem ein Buch von Kirkegaard mit Widmung gefunden hat.