Feierliche Eröffnung des 28. Philosophicum Lech

„Internationales Zentrum für philosophische, kultur- und sozialwissenschaftliche Reflexion“.
lech Mit einem Festakt im Kultur- und Kongresshaus Lechwelten wurde das 28. Philosophicum Lech am Donnerstag eröffnet. Unter dem Jahresthema „Abenteuer. Lob der Unverfügbarkeit“ lädt die transdisziplinäre Tagung bis Sonntag zu Vorträgen und Diskussionen mit Stimmen aus Philosophie, Sozial- und Kulturwissenschaften ein. Die Themen reichen von Astrophysik über Extrembergsteigen bis zur Literatur.

Der traditionelle Festakt leitete das Symposium ein und mündete in das Impulsreferat der Intendanz, das dieses Jahr von Co-Intendant Konrad Paul Liessmann gehalten wurde. In ihren Willkommensworten unterstrichen zuvor der Lecher Bürgermeister Gerhard Lucian und der Vereinsvorsitzende Ludwig Muxel die besondere Rolle Lechs als Ort des Nachdenkens, der Begegnung und des Austauschs. Lech lebe nicht von Planbarkeit, sagte Lucian, sondern von seinem alpinen Charakter – das heurige Thema treffe das Wesen der Berge.
Ludwig Muxel: „Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, dann waren es immer die Abenteuer, die mich geprägt haben – und oft auch Mut und Überwindung verlangten“, und dankte der Intendanz, Barbara Bleisch und Konrad Paul Liessmann, für deren klaren Blick und die intellektuelle Leidenschaft.

Landeshauptmann Markus Wallner hob die Bedeutung des Philosophicums als „internationales Zentrum für philosophische, kultur- und sozialwissenschaftliche Reflexion“ hervor. Abenteuer erforderten den Mut, Grenzen zu überschreiten, aber ebenso Verantwortungsbewusstsein, denn ohne Verantwortung drohe Chaos. In Zeiten tiefgreifender Veränderung gelte es, das Unverfügbare als Chance zu begreifen und Verantwortung zu übernehmen.

Der Veranstaltungssaal der Lechwelten war zur Eröffnung bis auf den letzten Platz gefüllt. Seit vielen Jahren zählt das Philosophicum mehr als 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Seit seiner Gründung im Jahr 1997 hat es sich mit seiner transdisziplinären Ausrichtung als herausragender Ort intellektueller Auseinandersetzung etabliert. Musikalisch umrahmte das Vokalensemble Tannberg der Musikschule Lech den Festakt.

Unter dem Titel „Das Abenteuer. Lob der Unverfügbarkeit“ spannte Liessmann beim Impulsreferat einen Bogen von den Anfangsversen des Nibelungenlieds, die er als „veritable Theorie des Abenteuers“ deutete, zu den Herausforderungen der Moderne. Abenteuer, so Liessmann, meine die Bereitschaft, sich Gefahr und Unabwägbarem, Unbekanntem und Unverfügbarem auszusetzen – eine bewusste Suche nach Unbestimmtheit. In Anlehnung an Georg Simmel beschrieb er das Abenteuer als Verdichtung zweier Grunderfahrungen: die Einheit von Souveränität und Ausgeliefertsein, einen besonderen Moment, eine Insel im Dasein. Gerade diese Erfahrung passe, so die Diagnose, immer weniger in eine Lebensform, die das Unberechenbare und Unverfügbare systematisch zu minimieren versucht. Mit einem Seitenblick auf Martin Heidegger beschrieb Liessmann den modernen Anspruch, die Welt in Zuhandenheit zu überführen, bis hin zur Idee, Sterben und Tod durch Konzepte der Longevity kontrollierbar zu machen. Einzig die Geburt entziehe sich prinzipiell jedem Verfügungsanspruch; unser bloßes Da-Sein sei „der große und letzte Skandal der Moderne“.

Im Rückgriff auf Rudolf Bultmann erinnerte Liessmann an den Doppelsinn von Unverfügbarkeit: Gott entziehe sich menschlichen Zugriffen und es gebe Dinge, über die wir nicht verfügen können – und solche, über die wir nicht verfügen dürfen. Die Würde des Menschen beruhe auf der Einsicht, dass der Verfügbarkeit Grenzen gesetzt sind – gegenüber uns selbst wie gegenüber anderen.

Zum Schluss formulierte Liessmann eine programmatische Einladung an die Debattenkultur und die Öffentlichkeit: Was wäre, wenn Menschen mit grundlegend verschiedenen Weltanschauungen – Mächtige und Ohnmächtige, Alte und Junge, Linke und Rechte – sich auf das gleichermaßen Unverfügbare besinnen und darüber ins Gespräch kommen würden? Dafür bräuchte es ein Herz für das Abenteuer, „eine Ausfahrt ins Ungewisse“.
Die kommenden Vorträge des Symposiums werden diesen Fragen nachspüren – dem Unverfügbaren, das sich ebenso entzieht, wie es Horizonte des Denkens öffnet.