Darum nimmt die Zahl der Scheinfirmen zu

VN / 01.11.2021 • 19:00 Uhr
Darum nimmt die Zahl der Scheinfirmen zu
Wenn sich der Verdachtsfall einer Scheinfirma bei der Finanzpolizei bestätigt, wird sie nach einem Bescheid in ein öffentliches Register des BMF eingetragen. BMF/Finanzpolizei

Mehr Schein als Sein: Im Jahr 2021 wurden österreichweit bereits 83 rechtskräftig bestätigt. Was steckt hinter diesen Schattenfirmen?

Schwarzach Erst kürzlich wurde mit der Opteryx GmbH eine Scheinfirma in Bregenz aufgedeckt: laut österreichischem Firmenbuch hat das Unternehmen binnen vier Jahren fünfmal seinen Firmensitz und den Geschäftszweig geändert. Zudem ist es ein Tochterunternehmen der Opteryx Security Solution Steingasse 6a LTD in London. Die Rechtsform Limited findet hauptsächlich im Vereinigten Königreich statt und ist der GmbH relativ ähnlich: die Gesellschafter haften lediglich mit der Höhe ihrer Einlage und nicht mit ihrem Privatvermögen. Ein Vorteil gegenüber der GmbH ist aber, dass bei der Einlage des Stammkapitals keine bestimmte Höhe gefordert ist. Das macht diese Rechtsform anfällig für Scheinfirmen.

Die klassische Branche für Scheinfirmen ist der Baubereich. Das System der Sub- und Sub-Sub-Vergabe von Aufträgen sei nahezu perfekt dazu geeignet, derartige Scheinfirmenkonstrukte aufzuziehen. Am Beispiel der Opteryx GmbH ist aber zu sehen, dass es nicht ausschließlich diese Branche betrifft. Nach einem Einstieg in den Food-Bereich kümmert sich diese Scheinfirma mittlerweile um Projektentwicklung von Immobilien. Laut Stefan Trittner, Stv. Sprecher des Bundesministeriums für Finanzen, ist auch der Security- oder Reinigungsbereich gut dafür geeignet. Grundsätzlich aber wohl jeder, bei dem viel Personal und keine hohe Qualifikation benötigt wird.

Zweck einer Scheinfirma

Den meisten Ertrag holen sich Scheinfirmen, indem sie bei Steuern und Abgaben sparen. Beispielsweise indem Dienstnehmer nicht angemeldet werden und keine Lohnsteuer bezahlt wird oder durch Weitergabe im B2B-Bereich die Vorsteuer zwar kassiert aber die Umsatzsteuer nicht abgeführt wird. Da die Umsatzsteuer EU-weit großteils einheitlich behandelt wird, können sich diese Organisationen über beinahe ganz Europa erstrecken.

Die Zahl der Scheinfirmen ist steigend, seit 2018 gibt es eine eigene Taskforce für die Sozialbetrugsbekämpfung, die aber auch missbräuchliche Verwendung von Privatpersonen aufdeckt. Das beinhaltet zum Beispiel den widerrechtlichen Erhalt der Familienbeihilfe oder Notstandshilfe. Im Jahr 2020 gab es österreichweit 73 rechtskräftig bestätigte Scheinfirmen, im Jahr 2021 beläuft sich diese Zahl bereits per Mitte Oktober auf 83. Diese Erhöhung ist nach der steigenden Kontinuität der letzten Jahre aber auch nicht nur auf die Pandemie zu schieben. In Vorarlberg sind es dieses Jahr erst drei Stück. Laut Trittner ist es für Scheinfirmen einfacher, sich in der Anonymität der Großstadt wie Wien anzusiedeln, als in Vorarlberg.

Verdachtsfälle und BMF-Liste

Die Finanzpolizei werde üblicherweise im Zuge ihrer regulären Kontrollen auf solche Konstrukte aufmerksam. Bei einem Verdachtsfall wird dann beispielsweise geklärt, ob es sich bei der Adresse nur um eine Postkartenadresse handelt und der Geschäftsführer geprüft. Wenn sich der Verdacht erhärtet, wird unter Einbindung von Juristen innerhalb der Finanzpolizei ein Bescheid erstellt und zugestellt. Sobald dieser rechtskräftig ist, wird die Scheinfirma in ein öffentlich einsehbares Register des BMF eingetragen. Per dato sind in dieser Liste 506 Unternehmen vorhanden.

Im Falle des eingetragenen Bregenzer Unternehmens werden nun das Finanzamt und die ÖGK informiert und bestehende Arbeitsverhältnisse geprüft. Dabei wird festgestellt, ob es Dienstnehmer gibt und wer der tatsächliche Dienstgeber ist. Laut Rose-Marie Mennel, ÖGK Pressestelle Vorarlberg, ist dies ein oft schwieriges und vor allem langwieriges Verfahren. Kann niemand ausfindig gemacht werden, werden die Dienstnehmer mit Datum der Eintragung in der Liste des BMF abgemeldet. Im Falle des laufenden Verfahrens der Opteryx GmbH gibt die ÖGK keine Stellungnahme ab. Ob die schlussendlich fälligen Steuern und Abgaben aber bei den wahren Machthabern einbringlich gemacht werden können, darf durchaus in Frage gestellt werden.