Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

Platz 29

VN / 09.05.2023 • 06:30 Uhr

Diesen wenig schmeichelhaften Platz belegt Österreich in dem kürzlich von der Organisation Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Bericht zur Lage der journalistischen Freiheit. Dass Länder wie Ungarn oder Bulgarien noch weiter hinten liegen, ist ein schwacher Trost. Die meisten europäischen Länder liegen vor uns, an der Spitze die skandinavischen Staaten. Hierzulande gibt es zwar keine staatlichen Übergriffe gegenüber Journalisten, aber die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen werden offenbar kritisch beurteilt. So spielt beispielsweise eine Rolle, dass Österreich als einziges Land in der EU kein zeitgemäßes Informationsfreiheitsgesetz hat, darüber wird zwar schon jahrelang verhandelt, aber die Regierung kommt nicht vom Fleck.

„Die Inseratenkorruption ist nur ein Teil des Problems.“

Die durch die Chats des früheren türkisen Spitzenbeamten Thomas Schmid bekannt gewordene Inseratenkorruption ist nur ein Teil des Problems. Dass es trotz eines Fortschritts mit dem neuen Medientransparenzgesetz beispielsweise nach wie vor keine Deckelung von Inseratenaufträgen und keine Vergabe von Werbeaufträgen nach sachlichen, überprüfbaren Kriterien gibt, fällt ebenso ins Gewicht wie der Umstand, dass einige führende Journalisten wegen Verhaberung ihren Abschied nehmen mussten. Dabei ist in das Ranking noch gar nicht eingeflossen, dass die Bundesregierung durch die Einstellung der ihr gehörenden Wiener Zeitung die Tageszeitungsvielfalt einschränkt und die Journalistenausbildung indirekt selbst in die Hand nehmen will. Eine Bedrohung der Medienvielfalt sehen nahezu alle Zeitungsherausgeber in der bevorstehenden Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den ORF. Künftig werden nicht nur Fernseh- oder Radiokonsumenten, sondern der Einfachheit halber alle Haushalte zur Kasse gebeten. Eine auch privaten Unternehmen zugute kommende wirksame und transparente Medienförderung lässt hingegen weiter auf sich warten. Während in Deutschland oder in der Schweiz die Rundfunkanstalten im Internet keine den blauen Seiten des ORF vergleichbaren papierlosen Zeitungsinhalte haben, kann der ORF auch weiterhin (nur geringfügig eingebremst) mit öffentlichen Mitteln als Mitbewerber auftreten.

In einem Aufwaschen wird vor allem am politisch rechten Rand gegen die öffentliche Finanzierung des ORF Stimmung gemacht, er komme schlichtweg zu teuer. Das übersieht allerdings, dass es bei uns ein im Vergleich beispielsweise zur Schweiz wesentlich vielfältigeres Programmangebot gibt und die Regionalprogramme des ORF in Radio und Fernsehen einen Stellenwert haben, den man kaum irgendwo anders findet – von den privaten Fernsehsendern ganz zu schweigen. Dass das gerade in einem kleinen Land wie Österreich verhältnismäßig viel kostet, liegt auf der Hand und sollte bei der Finanzierungsdiskussion nicht vergessen werden.

Jürgen Weiss

juergen.weiss@vn.at

Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.

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