Elfjährige angeblich sexuell missbraucht: So entschied das Gericht

33-Jähriger soll sich zwei Mal an einer Minderjährigen vergangenen haben. Ein Fall mit Widersprüchen.
Feldkirch Dieses Mal muss sich der Schöffensenat am Landesgericht Feldkirch unter dem Vorsitz von Richterin Lisa Pfeifer mit zwei angeblichen sexuellen Übergriffen auf ein Mädchen beschäftigen. Angeklagt ist ein 33-jähriger Frühpensionist aus Bregenz. Er steht in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu der damals 11-Jährigen. Es handelt sich um das Kind von Bekannten. Er selbst bekennt sich von Beginn der Verhandlung für nicht schuldig.
Zwei Vorwürfe
Die Staatsanwaltschaft klagte folgenden Sachverhalt an: „Einmal vor zwei Jahren ergab es sich, dass der Mann bei den Bekannten übernachtete. Danach benutzte der Bregenzer denselben Bus, mit dem auch die Tochter der Bekannten zur Schule fuhr. Während dieser Fahrt berührte der Mann den Teenager im Intimbereich. Der zweite Vorfall ereignete sich in der Wohnung des Angeklagten. Die Mutter des Teenagers hatte bei ihm übernachtet. Mit ihr ihre beiden Kinder, die Tochter und ein kleiner Bub. Der Sohn hatte sein Kuscheltier bei seiner Oma vergessen, das ging die Mutter rasch holen. Diese Gelegenheit nutzte der fünffach Vorbestrafte aus und begrapschte das Mädchen an den Brüsten“. Doch am Ende des Beweisverfahrens spricht der Schöffensenat den Mann frei. „Im Zweifel“ wie es heißt.
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Desolate Familienverhältnisse
Die Staatsanwaltschaft räumt ein, dass das Mädchen aus desolaten Familienverhältnissen stamme und Vater und Mutter schwer drogensüchtig seien. Dennoch, in der Einvernahme habe der Teenager einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Verteidiger German Bertsch betont, dass die Anzeige erst rund ein Jahr nach den angeblichen Vorfällen erstattet worden sei. Dieser Umstand spreche dafür, dass die behaupteten Vorfälle nie stattgefunden hätten.

Schlussendlich ergeht ein Freispruch. „Der Umstand der schwierigen Familienverhältnisse spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin. Es gab aber einfach zu viele Widersprüche, sowohl in den Aussagen des Mädchens als auch in den Aussagen der Eltern“, so die Vorsitzende Lisa Pfeifer. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Anzeige nach Jahren
Der Richter und Pressesprecher des Landesgerichtes Feldkirch, Dietmar Nußbaumer, zum Fall: „Immer wieder greifen Verteidiger den Zeitpunkt einer späten Anzeigenerstattung als Argument für die Unglaubwürdigkeit von Opfern auf. Manchmal erstatten Opfer von sexueller Gewalt unmittelbar nach der Tat Anzeige, häufig aber auch Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre später. Die Verteidigung stellt häufig den Zusammenhang her: ,Dann erstatte ich doch sofort Anzeige und nicht erst so viel später.` Ein Zusammenhang, der so nicht stimmt.“ In einem Zivilprozess um Entschädigung von Missbrauchsopfern im Fall „Mehrerau“ bestätigte der Psychologe Salvatore Giacomuzzi sogar, dass es glaubwürdig sei, dass ein Betroffener erst Jahrzehnte nach den Vorfällen von seiner Vergangenheit eingeholt wurde und fähig war, eine Initiative zu ergreifen und zu klagen.
Auch Pressesprecher Nußbaumer kann keinen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Anzeigenerstattung und der Glaubwürdigkeit eines Opfers herstellen: „Ich würde sagen, es gibt beides“, so der erfahrene Strafrichter.