Leben und Leiden mit den gefräßigen Kormoranen

VN / 07.05.2024 • 15:03 Uhr
Leben und Leiden mit den gefräßigen Kormoranen
Kormorane auf einer Baumgruppe. Ihr Kot verwandelt die Bäume in eine graue Masse. Vor allem die Fischer wollen ihren Bestand regulieren. dpa

Ein großer Vogel hat den Bodensee erobert. Und damit für anhaltende Konflikte in allen Anrainerländern gesorgt.

Bregenz, Höchst Dass der Kormoran am Vorarlberger Ufer des Bodensees vielleicht bald noch umfangreicher bejagt werden darf, stößt Johanna Kronberger von Bird Life Österreich sauer auf. „Eine Bejagung darf nur das allerletzte Mittel sein.  Das ist noch nicht der Fall. Es fehlt an einer Alternativexpertise. Und auch am Beleg dafür, dass diese Maßnahmen wirken“, bezieht Kronberger unmissverständlich Stellung. Ihrer Meinung nach ist der Kormoran auch nicht schuld am dramatischen Rückgang der Felchen. „Der frisst keine Felchen, sondern andere Fische“, sagt Kronberger. 

Johanna Kronberger: stunde der Wintervšgel, rheinholz
Johanna Kronberger von Bird Life sind großzügige Abschussgenehmigungen für Kormorane ein Dorn im Auge. VN/Steurer

Härteres Vorgehen gefordert

Indes stapft Franz Blum jr. entschlossen Richtung Landhaus zum Termin mit dem Vorarlberger Agrarlandesrat Christian Gantner. „Es reicht“, schimpft Blum. „Wenn wir jetzt nicht Möglichkeiten bekommen, rigoros und viel schärfer als bisher einzugreifen, dann müssen wir vor dem Kormoran kapitulieren.“ Blum spricht von den Jungfischen in Ufernähe, die im Winter von 700 Kormoranen zusammengefressen würden. „Da bleibt nichts mehr übrig. Man kann sich vorstellen, was solche Ereignisse für die kommenden Jahre bedeuten. 

Fischerserie Portrait der Fischer-Dynastie Blum
Franz Blum will umfassende Maßnahmen gegen die Kormorane. “Das was wir jetzt machen dürfen, ist einfach zu wenig.” VN/Serra

Blum lobt die Behörde. „Immerhin ist es uns gelungen, die Zahl der Brutnester konstant zu halten und Vögel im Herbst zu vertreiben. Aber das ist eben nicht genug.“ Er fordert regionale Maßnahmen, wenn schon länderübergreifend nichts geschieht. 

Immer mehr Kormorane

Stichwort länderübergreifend. Nikolaus Schotzko, Leiter der Abteilung Fischerei im Vorarlberger Landhaus, nennt Zahlen, erhoben bei der letzten Vogelzählung im Vorjahr. „Wir registrierten zu jenem Zeitpunkt 1560 Brutpaare am gesamten Seeufer und 7000 Kormorane insgesamt.“  Allein 791 Brutpaare hielten sich im allgäuischen Lipbach auf, 342 waren es bei der Brutkolonie Egnach in der Schweiz. Zum Vergleich: 2022 wurden am ganzen Bodenseeufer 1200 Brutpaare gezählt, 2021 waren es 900 und 2020 betrug deren Zahl 660. „Fakt ist“, sagt Schotzko, „die Kormorane werden ständig mehr, einem regionalen Management sind Grenzen gesetzt.“ 

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Kormorane ziehen viel Fisch aus dem Bodensee. Mehr, als die Fischer der drei Anrainerländer aus dem Wasser holen. dpa

Kooperation ja, aber …

Tatsächlich kommen die Versuche eines Kormoranmanagements in der Schweiz und Deutschland zu schleppend voran. Adrian Äschlimann, Leiter des nationalen Kompetenzzentrums Fischerei in der Schweiz erklärt: „Wir hatten früher ein sehr belastetes Verhältnis zwischen Fischerei und Vogelschutz. Da wurden Meinungsverschiedenheiten fast ausschließlich über den Gerichtsweg ausgetragen. Seit 2022 gibt es nun aber einen konstruktiven Dialog. Das bisherige Ergebnis dieses Dialogs: Es werden Leitlinien für ein Kormoranmanagement ausgearbeitet.“ Natürlich müsse das im Rahmen von Schweizer Recht geschehen. Die Plattform Seenfischerei, in der Vertreter von Kantonen, Berufsfischer, Angelfischer und Vogelschützer vertreten sind, bemühe sich auch beim Thema Kormoran um Lösungen. Freilich ist die konkrete Umsetzung von Maßnahmen, gerade auch im Zusammenspiel mit Deutschland und Österreich noch nicht abzusehen. 

Leben und Leiden mit den gefräßigen Kormoranen
Schon vor 16 Jahren gab es Besichtigungen der Kormoran-Hotspots in der Fußacher Bucht durch Vertreter von Politik, Behörden und Fischerei. VN

Zentralismus

Das hat auch mit den komplizierten Verfahrenswegen in Baden-Württemberg zu tun. „Ich habe bereits 2004 eine erste Expertise zum Kormoranmanagement geschrieben. Doch die zentralistisch ausgerichtete Behandlung dieses Thema macht alles sehr kompliziert“, berichtet Peter Rey, Fischereibiologe in Konstanz. Man fühle sich in Stuttgart der EU-Vogelschutzrichtlinie strikt verbunden. „Und der Kormoran gilt europaweit eben immer noch als geschützt.“ 

Leben und Leiden mit den gefräßigen Kormoranen
Nikolaus Schotzko ist im Land für die Fischeri zuständig. Seiner Meinung nach stößt das Kormoranmanagement mit den jetzigen Möglichkeiten an seine Grenzen. Land

Im Rahmen der Internationalen Bodenseekonferenz gibt es dennoch ein Gremium, das sich mit „Grundlagen und Möglichkeiten eines koordinierten Kormoranmanagement“ beschäftigt und 2017 eine Studie veröffentlichte. Weitere Versuche zu einem koordinierten Vorgehen in Sachen Kormoran sind im Gang. Was am Ende steht, ist freilich ungewiss. Und bis dahin wird sich einer wie Franz Blum jr. wohl nur auf Regulierungsmaßnahmen, verordnet durch die regionale Behörde in Vorarlberg, verlassen können.