Weil er ein Ladekabel besorgte: Patient wegen Beihilfe zum Suizid-Versuch angeklagt

VN / 16.05.2024 • 15:14 Uhr
Gericht
Der Angeklagte selbst war im Landeskrankenhaus Rankweil Mitpatient einer lebensmüden jungen Frau. Eckert (3)

22-Jähriger wusste nicht, dass von ihm besorgtes Kabel für eine versuchte Selbsttötung verwendet werden sollte.

Feldkirch 2021 lernten sich im Landeskrankenhaus Rankweil zwei junge Patienten kennen. Ein heute 22-jähriger Mann und eine 20-jährige Frau. Beide waren wegen ihrer Borderline-Persönlichkeitsstörung in Behandlung. Beide hatten geritzte Arme, die damals 20-Jährige war insgesamt bereits rund 20 Mal stationär in Behandlung. „Sie war bei uns quasi Dauerpatientin“, erinnert sich eine Krankenschwester im Zeugenstand beim Prozess am Landesgericht Feldkirch.

Immer wieder kam es zu Selbstverletzungen, immer wieder musste sie auf die Akutstation E1. Der 22-Jährige und die junge Frau unterhielten sich gerne miteinander und waren befreundet. Dass sie jedoch erneut beabsichtigte, sich das Leben zu nehmen, ahnte der Mitpatient nach eigener Aussage nicht, dieses Thema kam nicht zur Sprache. 

Ahnungslos

Als sie ihn fragte, ob er ein iPhone-Handy-Ladekabel hätte, chatteten sie eine Weile hin und her, dann brachte er ihr einfach aus Hilfsbereitschaft beim nächsten Ausgang ein solches Kabel vom Mediamarkt mit. Der Patient dachte sich nichts dabei und wusste, wie wichtig ein Handy für die sozialen Kontakte ist. Als die Mitbewohnerin der Psychiatrie ihm am nächsten Tag via Handy schrieb, dass sie wieder in der Akutstation ist, weil sie versucht hatte, sich mit dem Kabel zu strangulieren, war er geschockt.

Er räumt allerdings ein, dass er seiner Bekannten einmal eine Rasierklinge besorgt und vor die Türe gelegt hatte, doch dies ist nicht Gegenstand der Anklage. Ein Pfleger hatte das „Ritzinstrument“ versteckt zwischen Gummibärchen in der Süßigkeitenverpackung gefunden und rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Beide der jungen Leute haben zahlreiche Narben an den Armen. Umbringen wollten sich jedoch beide mit der Rasierklinge nicht. Bei dem Angeklagten gehört das „Ritzen“ längst der Vergangenheit an. Er ist auf einem guten Weg.

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Überwunden

Zweieinhalb Jahren arbeitete der junge Mann, der einst von Amoklaufgedanken und Zwängen heimgesucht wurde, an seiner diagnostizierten „Borderlinerkrankung“. Und es ging aufwärts mit ihm, heute ist er nicht mehr wegen dieser Persönlichkeitsstörung in Behandlung, sondern nun geht es mehr um Ängste, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörung. Doch auch diesbezüglich ist der Mann auf bestem Wege.

Er steht kurz vor seinem Lehrabschluss in einem sehr anspruchsvollen technischen Beruf, arbeitet in einer großen Handelskette, ist sozial und in einem Verein integriert und geht regelmäßig in Psychotherapie. Er weiß, was zu tun ist, wenn sein Zustand sich verschlechtern sollte. „Ich empfehle dringend, die Therapie zwei bis drei Jahre weiterzuführen“, empfiehlt Gerichtspsychiater Reinhard Haller dennoch. „Das macht mein Mandant freiwillig, wichtig ist, eine Vorstrafeneintragung zu vermeiden. Er wusste damals einfach nicht, was seine Mitpatientin mit dem Kabel vorhatte“, so Verteidiger Josef Lercher.

Freispruch

Und er kann den Senat von der Unschuld des Lehrlings überzeugen. Der 22-Jährige wird freigesprochen. „Nun steht seinem beruflichen Werdegang keine Vorstrafe im Wege“, freut sich Lercher mit seinem Mandanten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Staatsanwältin Melanie Wörle gab vorerst keine Erklärung ab.

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