Mit dem Flügel in den Händen übers Wasser gleiten

Wem gehört der Bodensee? Teil 14: Wingfoil ist der neueste Trend am Bodensee
Julia Baumann
Lindau Wer Wassersport liebt, kommt am Bodensee voll auf seine Kosten. Bei gutem Wetter tummeln sich dort Schwimmer und Menschen auf Stand-Up-Paddel-Boards, trainieren Wasserballer, Ruderer und Kanuten. Wenn Sturm aufzieht und es den meisten zu ungemütlich wird, wird der See für andere erst interessant.
Timm Stade ist Profi-Windsurfer. 1992 trat er sogar bei den olympischen Spielen an. Doch seit einiger Zeit bleibt sein Surfbrett immer häufiger an Land. Der 56-jährige Lindauer ist im Foil-Fieber.

Kompakte Ausrüstung
Der neueste Wassersporttrend am Bodensee heißt Wingfoilen. Die Ausrüstung ist so kompakt, dass sie in jeden Kombi passt: Der aufblasbare Flügel (Wing) wird in den Händen gehalten, die Füße stehen auf einem kompakten Brett, an dessen Unterseite eine Tragflügelkonstruktion (Foil) befestigt ist.
Gestartet wird in etwas tieferem Wasser, damit die Tragflügelkonstruktion nicht am Seegrund schrammt. Sobald sich der Wind in den Flügel drückt, setzt sich das Brett in Bewegung – und hebt ab. Der Sportler gleitet geräuschlos übers Wasser.
„Man spürt die Wellen nicht, alles fühlt sich ganz sanft an“, schwärmt Stade. Ganz neu ist die Foil-Technik nicht. Schon alte Tragflügelboote funktionierten nach diesem Prinzip, auch Segler und Surfer nutzen die Konstruktion, um übers Wasser zu gleiten. Vor ein paar Jahren sei das Wingfoilen von Hawaii nach Europa gekommen, erzählt Stade. Mehrere Surfschulen am Bodensee bieten Kurse an.
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Wenig Wind notwendig
Dass fürs Wingfoilen weniger Wind nötig ist als fürs Windsurfen, ist am Bodensee ein Vorteil. Denn die Tage, an denen es dort richtig windet, sind rar. Bei Sturmwarnung zeigen Windsurfer, Kitesurfer – also Surfer, die sich von einem Drachen ziehen lassen – und Wingfoiler ihre spektakulären Sprünge und Saltos. Touristen und Spaziergänger stehen fasziniert am Ufer und schauen zu.
„Die Windsurfer wurden erst von den Kitern abgelöst, und dann kamen die Wingfoiler“, sagt Thomas Burger. Er arbeitet seit 30 Jahren beim Schifffahrtsamt im Bodenseekreis, vergibt Patente, stellt Sondergenehmigungen aus – und kennt jeden Wassersport-Trend.

Eigentlich verboten
Die ersten Kitesurfer seien schon vor etwa 20 Jahren an den Bodensee gekommen. Damals habe er gemeinsam mit Sportlern und Naturschützern nach geeigneten Gebieten gesucht, erzählt Burger. Denn nach der Bodensee-Schifffahrtsordnung ist der Sport eigentlich verboten.
Im Bodenseekreis und im Landkreis Konstanz können sich Kiter aber beim Schifffahrtsamt eine Ausnahmegenehmigung holen. In Österreich ist der Sport mit Genehmigung nur in ganz bestimmten Bereichen erlaubt, ebenso wie in der Schweiz, wo allerdings kein Antrag nötig ist. Am bayerischen Ufer ist Kitesurfen verboten.
Sind heute mehr Sportler auf dem See unterwegs als noch vor 30 Jahren? „Ja“, sagt Burger, „das hat sich massiv verändert.“ Allein 100-120 Segel-Regatten finden pro Jahr auf dem Bodensee statt, schätzt er. Allerdings sei die Zahl der Segler eher rückläufig, die Anzahl der Motorboote hingegen nehme zu, sagt er.

Seequerungen beliebt
Wer tauchen will, geht meist nach Überlingen oder Meersburg, überall sind Ruderer, Kanuten, Stand-Up-Paddler und Motorboote unterwegs, die manchmal Wasserskifahrer hinter sich her ziehen.
Immer mehr im Kommen seien auch Seequerungen, bei denen sich Schwimmer in große Gruppen zusammenschließen und gemeinsam weite Strecken zurücklegen. „Und dann haben wir noch Forschungsprojekte, Filmaufnahmen und Wasserflugzeuge, die auf dem Bodensee landen wollen.“
Damit all das reibungslos funktioniere, brauche es Rücksicht. Aufeinander, aber zum Beispiel auch auf die, die auf dem Bodensee ihren Lebensunterhalt verdienen: Von den Bojen, an denen die Netze der Berufsfischer hängen, sollten Freizeitsportler Abstand halten.

Störung der Tiere
Ebenso wie von Naturschutzgebieten und Schilfgürteln. Mit der Zunahme des Wassersports nehme auch unvermeidlich die Störung der Tierwelt zu, sagt Markus Bürgisser, Geschäftsführer der Schweizer Naturschutzorganisation Pro Natura in Thurgau. Unvorsichtige Paddler zum Beispiel stören brütende Vögel in Schilfgebieten. „Kitesurfer erschrecken mit ihren Schirmen im Bodensee überwinternde Wasservögel.“ Dies könne zu einem lebensbedrohenden Energieverlust führen. Darum sollte laut Bürgisser zwischen Oktober und März nicht gekited werden. Insbesondere im Uferbereich sollte zudem langsam gefahren werden, damit zum Beispiel Motorboote nicht die Flora im Flachwasser zerstören, die für die Fischbrut wichtig ist.
In Bregenz gibt es etwas, das es sonst am ganzen Bodensee nicht gibt: Im ehemaligen Militärbad „Mili“ trainieren die Spieler des Wasserball-Vereins „Pelikan Bregenz“. Allerdings nicht in einem Becken, sondern direkt im See. Dort findet Mitte Juli auch der Bodenseecup statt, den der Verein jedes Jahr ausrichtet. „Ein Spaßturnier mit hohem Niveau“, sagt Obmann Wolfgang Längle.

Deutsche Bundesliga dabei
Unter den Mannschaften, die sich bereits angemeldet haben, seien zum Beispiel deutsche Bundesligamannschaften wie die aus Berlin Neukölln. „Sogar eine Mannschaft aus London ist mit dabei.“ Etwa 300 Zuschauer dürften zum Cup in das denkmalgeschützte Bad kommen, das 1825 gebaut wurde und ursprünglich der Ausbildung von Rekruten diente. „Das Turnier ist das absolute Highlight der Saison“, sagt Längle.
Was es für die Sportler besonders macht, sind die Bedingungen: Wetter, Wassertemperatur und Pegelstand sind unberechenbar. Da haben die Bregenzer natürlich einen Heimvorteil.
Die Serie ist eine Coproduktion von VN, St. Galler Tagblatt, Thurgauer Zeitung und Schwäbischer Zeitung. Text: Julia Baumann, St. Galler Tagblatt