Vier Verantwortliche, vier verschiedene Auskünfte: Wann die Silvretta Hochalpenstraße wieder öffnen wird, weiß keiner so genau

Der Geologe, der Projektleiter, der Polier und der Pressesprecher der illwerke vkw sind sich uneins darüber, wann die Silvretta Hochalpenstraße wieder geöffnet werden kann. Während Heiner Bertle und Andreas Batlogg guter Dinge sind, denken Markus Metzler und Andreas Neuhauser eher pessimistisch. Aber immerhin in einem Punkt sind sich alle einig: Das Wetter hat zum Schluss das Sagen.
Gaschurn Die Aufräumarbeiten nach dem Felssturz auf der Silvretta Hochalpenstraße sind weiterhin im vollen Gange. Ganze Felsblöcke müssen weggesprengt werden, damit die Bagger diese im Anschluss auch verräumen können. „Wir müssen 25.000 Kubikmeter an Material umlagern“, erklärt Projektleiter Andreas Batlogg. Denn das Material wird als Untergrund für die neue Straße gebraucht, die 15 Meter vom Hang entfernt neu angelegt wird.


„Der Block da vorne ist neu heruntergekommen.“ Andreas Batlogg deutet auf einen tonnenschweren Felsblock kurz oberhalb der verschütteten Straße. Am 16. August kam erneut loses Gestein herunter, nachdem es wieder stark geregnet hatte. Die Folge war eine erneute Totalsperre. Mittlerweile fährt der Shuttlebus für Wanderer bei Schönwetter wieder. Geologe Heiner Bertle versichert, dass von oben, also von der Abbruchkante, nichts mehr nachkommen wird. Von weiter unten jedoch schon, denn das bereits lose Material kann leicht in Rutschen geraten, wenn es anfängt zu regnen. Der Geologe erklärt: Der Boden nimmt bei Starkregen das Wasser auf und wird weich. „Die Felsblöcke schwimmen dann auf dem teigigen Untergrund und rutschen runter.“


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„Wir haben einen sechs bis sieben Meter breiten Auffangraum gehabt, doch der war innerhalb von Sekunden gefüllt“, schildert Heiner Bertle. Deswegen wird ein 60 bis 70 Meter breiter Damm gebaut, der die Felsblöcke (rund 50.000 Kubikmeter waren es jetzt) in Zukunft auffangen soll. Ein Felsbrocken, der herunterkam, hatte einen Durchmesser von sechs bis sieben Metern. „Der hat den bestehenden Damm bis zu eineinhalb Meter hineingedrückt“, sagt Bertle.



Das Schicksal der Berge
Heiner Bertle zeigt auf den Wald, oder das, was nach dem Felssturz noch davon übrig ist. „Vor 500 bis 1000 Jahren ereignete sich an der gleichen Stelle ebenfalls ein Felssturz. Die Berge sind dazu verurteilt, flach zu werden. Das ist die Schwerkraft. Überall und zu jeder Zeit kann etwas herunterkommen. Ich gehe davon aus, dass die Felsplatte daneben auch herunterrutschen wird.“ Er zeigt auf die Felsen neben der Abbruchkante.


Im Jänner gab es bis auf 1500 Meter Regen, was dazu führte, dass sich die Hohlräume in den Felsen mit Wasser füllten. Wenn dann nochmal ein Starkregen kommt, obwohl die Hohlräume schon voll mit Wasser sind, dann „platzen“ die Felsen förmlich. „Der Permafrost hat da keine Rolle gespielt“, betont Heiner Bertle. Anders als bei einer Mure, die durch starken Niederschlag ausgelöst wird, könne man einen Felssturz kaum vorhersagen. Jetzt wurde bei der Abbruchkante eine Messstation, ein Fissurometer, angebracht, das Bewegungen des Felsens aufzeichnet.



Zu spekulativ
Nachdem das Material unterhalb des Dammes am Hang abgetragen, der Damm selbst errichtet und die Straße verlegt und neu asphaltiert wurde, könnte man rein theoretisch die Silvretta Hochalpenstraße wieder öffnen. Doch es sind noch zu viele Unsicherheitsfaktoren offen, allen voran das Wetter. Während Heiner Bertle keine Einwände gegen eine Öffnung Ende dieser Woche hätte, Andreas Batlogg stattdessen Anfang bis Mitte September anpeilt, der Polier Markus Metzler aber sicher nicht mit einer Öffnung vor Ende September rechnet, will Andreas Neuhauser, Pressesprecher der illwerke vkw, gar keine Prognose darüber abgeben, ob die Silvretta Hochalpenstraße überhaupt noch dieses Jahr wieder für den Verkehr freigegeben werden kann.



Worin sich aber alle einig sind: Das Wetter hat die Zügel in der Hand. Die Arbeiten können nur bei trockenem Wetter fortgesetzt werden. Die Silvretta Hochalpenstraße wird nur dann geöffnet, wenn es bis Ende September keine signifikanten Niederschläge mehr in diesem Gebiet gibt. Aber selbst wenn die Arbeiten abgeschlossen werden können, ist es wahrscheinlich, dass die Silvretta Hochalpenstraße – genau wie jetzt – nur an Schönwettertagen offen haben wird. Wie genau das schöne Wetter definiert wird, wie hoch die Regen- und Gewitterwahrscheinlichkeit für den Tag liegen darf, ist noch völlig ungeklärt.


