Demenz: Das allmähliche Vergessen

VN / 19.09.2024 • 11:36 Uhr
Klaus Amann
Klaus A. Amanns Buch „Wir lagen vor Madagaskar“ zeigt auf dem Cover ein Portrait seines Vaters. CRO

Klaus A. Amann liest im Demenz-Monat September aus seinem Buch „Wir lagen vor Madagaskar“.

Lesung Was hat Klaus A. Amann mit Arno Geiger und Petra Pellini gemeinsam? Der gebürtige Rankweiler Professor für Musik, Englisch und Spanisch hat auch ein Buch zum Thema Demenz geschrieben. Erschienen unter dem Titel „Wir lagen vor Madagaskar“ im niederösterreichischen Verlag der Provinz, unterscheidet es sich dadurch, dass der 67-jährige pensionierte Lehrer auch die emotionale Ebene der Angehörigen beleuchtet. „Mir war es wichtig zu zeigen, wie schwer sich die Familie auch mit der Akzeptanz tut“, sagt der Autor. Dabei geht es nicht in erster Linie um die Gedächtniseinbuße, sondern vor allem um die Veränderungen im Verhalten des Vaters. Und die wurden besonders deutlich, wenn die Familie gemeinsam am Tisch saß bei Kaffee und Kuchen und der alte Mann zusammenhanglos Strophen des Matrosenlieds zitierte. Dieses Lied zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und knüpft in jede Zeile an eine Erinnerung an.

Madagaskar wird außerdem zum Synonym für den Ort an den sich sein Vater immer mehr zurückzieht und den er eines Tages nicht mehr verlassen wird. Das macht besonders deutlich, dass Demenz weitaus mehr als eine Gedächtnisstörung ist. Vielmehr erschüttert sie das ganze Sein des Menschen – seine Wahrnehmung, sein Verhalten und sein Erleben und bringt auch die Familie sowie das Familienleben beträchtlich ins Wanken. „Papa war sehr geschickt im Überspielen, zum Beispiel wenn ihn Menschen ansprachen von denen er nicht mehr wusste wie sie heißen oder wer sie sind“, erzählt der zweifache Vater rückblickend. „in dieser Hinsicht hat er mich sehr beeindrckt.“ Auch, weil er immer eine Ruhe und Zufriedenheit ausstrahlte, ja geradzu gelassen wirkte. „Vergessen macht ihn glücklich, es hat ja auch eine Schokoladenseite, das Demente. Vielleicht ist sein Zustand eine Art mnemonisches Nirvana, ein wunsch-, freud-, leid- und gefühlloser Zustand, nicht mehr gewinnorientiert und einfach auf dem Fluss Nys dahintreibend. Keine Verbesserungen mehr, keine Beschäftigungen mehr brauchend, keine Sinnsuche, bestenfalls auf der Suche nach einem Stück Schokolade, nach einem vertrauten Gesicht, dem er Madagaskar und die Heimat, nach der sich jeder sehnt, ein Stück näher bringen könnte.“

Der Auszug aus dem Buch steht für die innere Zerrissenheit und die Verlorenheit des Betroffenen, aber auch das Annehmen des Ausweglosen, im feinsinnigen Begleiten ohne Druck und ohne Gereiztheit, ob der schweren Nachvollziehbarkeit. In dieser Zeit nahm sich der Sohn vor, die Insel vor der Südostküste Afrikas zu bereisen. Das tat er auch nach dem Tod des Vaters. Als ihn dort eine junge Frau ansprach, sie wolle als Aupair für ein Jahr nach Deutschland, half er ihr. Er bezahlte einen Teil der Reisekosten aus dem Honorar seiner ersten Lesung. Der Kontakt besteht bis heute.

CRO

Facts

Lesungen:
Freitag, 20. September, 19 Uhr im TiK Dornbirn
Dienstag, 24. September, 19 Uhr im vogelfreiRAUM Rankweil
Donnerstag, 26. September, 20 Uhr, Metro Kino – Buchvorstellung nach dem Film „Die guten Jahre“
Samstag, 28. September, 19 Uhr, ehemaligen Salvatorkolleg Hörbranz
Musik: Männerchor Hörbranz


Klaus Amann
Geboren: 10. Jänner 1957 in Hohenems
Familienstand: verheiratet, 2 Töchter
Beruf: pensionierter Lehrer, Autor
Hobbys: Reisen, Kino, Lesen, Musik

CoverKlaus A. Amann, Wir lagen vor Madagaskar. Eine Vernehmlassung, Verlag Bibliothek der Provinz, 192 Seiten