Kommentar: Begleiten und nicht hinterherhecheln
Wladimir Putin und Donald Trump treffen sich, wir sind alle dabei. Mit Berichterstattung vorher, währenddessen, nachher. Diverse Liveticker werden schon im Vorfeld angeworfen, man weiß ja nie, keine Nachricht oder Spekulation ist zu unbedeutend, um nicht verbreitet zu werden. So können Menschen weltweit auch Details über das Treffen des amerikanischen und des russischen Präsidenten erfahren, ohne die sie ganz gut leben würden, bis hin zur Menükarte des Arbeitsessens. Konkrete Ergebnisse gibt es allerdings nicht zu berichten, die Pressekonferenz am Ende besteht vor allem aus Politikerstehsätzen und endet nach zwölf Minuten. Fragen der Presseleute vor Ort sind nicht zugelassen. Am Ende der Politshow weiß man nicht viel mehr als zuvor. Frei nach William Shakespeare: Much ado about something – viel Lärm um etwas.
Was vergangene Woche am Ukraine-Gipfel der beiden Herren in Alaska besonders gut abzulesen war: Für Medien ist es in einer von Social-Media-Plattformen angetriebenen Welt immer schwieriger, bei der Berichterstattung ein adäquates Maß zu finden. Natürlich ist es ein Ereignis von weltpolitischer Relevanz, wenn sich Trump und Putin in Sachen Ukraine-Krieg austauschen und einander erstmals nach sieben Jahren wieder persönlich begegnen. Und natürlich ist es Aufgabe von Nachrichtenmedien, die aktuell arbeiten, solche Ereignisse zu begleiten, einzuordnen und – wo möglich – Hintergründe zu erzählen. Es ist allerdings nicht unser Job als Medienschaffende, jeder Nicht-Erkenntnis hinterherzuhecheln und über jedes Stöckchen zu springen, das die Politik oder sonst wer uns hinhält. Und es ist auch nicht unser Job, aus jedem politischen Akt ein Event zu stilisieren.
Auf Rollensuche
Welche Rolle spielen herkömmliche Medien heute noch, welche Rolle wollen sie spielen? Freie Medien, die sorgfältigen Journalismus und seriöse Information anbieten, sind wichtig für das demokratische System. Aufklärung und Kontrolle gehören zu den Aufgaben von Medien, auch wenn wir Medienschaffende heute vor allem die Rolle der Kuratorinnen und Kuratoren des reißenden Informationsstroms haben. Wir sind keine allmächtigen „Gatekeeper“ mehr, die bestimmen, was die Menschen erfahren und was nicht.
Da draußen gibt es so viel Konkurrenz durch Digitalkonzerne, dass man sich anstrengen muss, um zu bestehen – obwohl diese Anbieter oftmals nicht durch Qualität überzeugen. Herkömmliche Medien müssen Kontakt zu den Mächtigen halten und dennoch gleichzeitig professionelle Distanz wahren, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Das sind traditionelle Regeln des medialen Betriebs, die heute helfen können, eine alte Tugend wieder besser leben zu können: Das Maßhalten.
Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und ist Redaktionsleiterin von ORF.at.
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