Erschreckender Fall von Kinderkriminalität in Vorarlberger Ferienheim

VN / 24.08.2025 • 13:32 Uhr
Kinderschaukel
Was in einem Vorarlberger Ferienheim geschah, macht fassungslos. symbol/smith

„Gaskammerspiele“, Auspeitschen mit Gürtel und auf sexuelle Art gequält.

Dornbirn Ein brutaler Fall von Kindesmisshandlung beschäftigte das Bezirksgericht Dornbirn. Das Auffällige daran: Die “Täter” sind selbst noch Kinder. Ein Brüderpaar im Alter von elf und zwölf Jahren machte zwei jüngeren Kindern, die im selben Zimmer schliefen, das Leben zur Hölle. Die beiden sind nicht strafmündig, es geht um Schadenersatz für einen Siebenjährigen, der den Sadismus der beiden Buben in besonderem Ausmaß zu spüren bekam.

Das Gericht sprach ihm nach einem elfstündigen Beweisverfahren 23.000 Euro Schmerzengeld zu. Zahlen muss das Ferienheim, denn diesem wurden grobe Missstände in der Betreuung vorgeworfen. In der Einrichtung werden im Sommer pro Turnus rund 90 Kinder im Alter zwischen sechs und 13 Jahren aufgenommen. Im betreffenden Zeitraum waren es sogar 100 Kinder.

Opfer gezielt ausgesucht

Selbst der erfahrene Rechtsanwalt Stefan Denifl, er vertritt das Opfer, ist erschüttert, was das Brüderpaar mit dem Siebenjährigen aufführte. Der Junge ist klein, schmächtig und hat Sprachschwierigkeiten. Defizite, die ihn offenbar zum Opfer prädestinierten.

Opfervertreter Rechtsanwalt Stefan Denifl.
Rechtsanwalt Stefan Denifl vertrat das Opfer bei dem Verfahren. vn/gs

Ein weiteres Kind, ein kleiner, übergewichtiger Bub, war die zweite Zielscheibe. Relativ harmlos, dennoch gemein, war das Verstecken des Plüschtiers des Kindes. Der erste Bub wurde zudem beim sogenannten “Gaskammerspiel” in einen Spind gesperrt, danach sprühten die Buben Deos hinein. Ein anderes Mal wurde der Kleine ans Bett gefesselt und mit einem Gürtel ausgepeitscht. Auch musste sich der Bub gefallen lassen, dass man ihn mehrmals anal mit Fingern penetrierte. “Arschbohrer” nannten die Peiniger diese Beschäftigung. Das Opfer weinte während der Misshandlungen, doch das half ihm nicht. Dem zweiten Opfer wurde ein Stein in den After gesteckt, weshalb es wegen rektaler Blutungen sogar ins Spital musste. Kenntnis erlangte die Leitung erst am letzten Tag.

Wiederholte Übergriffe

Was erstaunt, ist, dass sich selbst nach Bekanntwerden der brutalen Übergriffe auf jüngere Zimmerkollegen in den nachfolgenden Turnussen desselben Jahres anale Penetrationen zwischen Kindern wiederholten. Dazu gibt es einen Akt beim Landesverwaltungsgericht Bregenz. Zwei Sachverständige beschäftigten sich mit der Zivilcausa. Da bei dem Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit Spät- und Dauerfolgen eintreten werden, wurde dem Ferienheim auch eine Haftung für künftige Schäden auferlegt.

Nachlässig

Auch wenn die Formulierungen der Gutachten sehr “wissenschaftlich” anmuten, auf den Punkt gebracht war man in der Einrichtung einfach zu nachlässig. Die Experten sprechen von Risikoanalyse, Machtdynamiken, Aufklärung und Empowerment. Richter Walter Schneider erkennt unabhängig davon klare Defizite. Nicht kausal, aber kritikwürdig, auch der Umstand, dass die Erwachsenen erheblich Alkohol konsumierten. Für die Kinder gab es weder eine Vertrauensperson, keinen anonymen Briefkasten noch regelmäßige Kontrollgänge. Gewisse Schutzmaßnahmen sind auch durch das Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz (KBBG) vorgeschrieben. Denifl kritisiert, dass man in der ganzen Angelegenheit seitens der Beklagten äußerst lasch und zögerlich agiert habe. Angesichts der Schwere der Übergriffe hätte man sich intensivere Bemühungen um die Opfer gewünscht. “Es geht nicht nur um einen finanziellen Ausgleich, sondern darum, dass die Vereinsverantwortlichen ihre Fehler nicht eingesehen, rasch von sich aus Verbesserungsmaßnahmen angestrebt und sogar noch den Eltern ein Mitverschulden gegeben haben. Ein rasches Handeln hätte auch verhindern können, dass es weitere Opfer bei späteren Turnussen gab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Dr. Reinhard Haller spricht über die psychologischen Kräfte Wertschätzung und Kränkung. vn/Paulitsch
Reinhard Haller: “Geht über Mobbing hinaus und ist hochgradig sadistisch.” vn/paulitsch

Gerichtspsychiater Reinhard Haller zum Thema Sadismus unter Kindern:

Warum quälen Kinder Kinder?

Reinhard Haller Ein gewisses Maß ist vermutlich normal. Aber da sprechen wir von den anderen an den Haaren ziehen oder ähnlich harmlosen Dingen.

In dem Fall, in den Sie nicht eingebunden waren, sind weit gröbere Misshandlungen passiert. Was kann man über das Verhalten des Brüderpaares sagen?

Haller Das geht weit über Mobbing hinaus und ist hochgradig sadistisch. Oft zeichnet sich in derartigem Verhalten spätere Delinquenz ab. Ich würde dringend empfehlen, bei derartigem Verhalten einen Kinderpsychiater oder -psychologen zu Rate zu ziehen.

Spielt es eine Rolle, dass die beiden Hauptakteure Brüder waren?

Haller Das ist gut möglich, sie wurden vermutlich ähnlich geprägt, haben sich unter Umständen hochgeschaukelt, jeder wollte der noch Grausamere sein und sich noch mehr trauen.