Ein Älplerleben in völliger Abgeschiedenheit: „Wir wollen das Geld nicht mit dem Tourismus verdienen“

VN / 30.08.2025 • 07:30 Uhr
Alpe Fahren Ziersch
Hans Metzler, der im restlichen Jahr eine Tischlerei im Bregenzerwald führt, ist gerne für neun Wochen Älpler. Bilder: VN/JUN

Die Familie Metzler lebt neun Wochen auf der Alpe Fahren-Ziersch – ohne Menschen und Verkehr, dafür mit 136 Stück Vieh und fünf Hennen.

Vandans Neun Wochen in völliger Einsamkeit. Kein Verkehr, keine Menschen. Nur Hans, Kornelia und Sohn Clemens Metzler, zusammen mit 136 Stück Jungvieh, einem Kalb und fünf Hennen. Auf die Alpe Fahren-Ziersch kommt niemand zufällig vorbei. Weder Wanderweg noch Güterweg führen hier hoch. Sie ist nicht ausgeschildert – und das soll auch so bleiben. Denn genau wegen dieser Einsamkeit haben sich Kornelia und Hans für diese Alpe entschieden – und fühlen sich dennoch nicht einsam.

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Clemens mit einer der fünf Hennen, die auch gerne mal ausbüxen.
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Kornelia, Clemens und Hans leben neun Wochen auf der Alpe Fahren-Ziersch.

Auf der Alta Stofel, die neun Wochen ihr Zuhause ist, haben sie alles, was sie brauchen: fließend Wasser und dank PV-Anlage auch Strom – falls die Sonne scheint. Strom brauchen sie nur, um ihre Handys aufzuladen, für das Radio und Licht. Einen Kühlschrank gibt es nicht. Eine Dusche befindet sich draußen, gegenüber dem Hühnergehege, und die andere im Stall. In den neun Wochen steigen sie kein einziges Mal ins Tal ab.

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Die kleine, aber feine Hütte: Hier hat die Familie alles, was sie braucht.
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Johann Walch (l.) und Lorenz Büchel von der Alpinteressentschaft Fahren-Ziersch besuchen die Älpler-Familie regelmäßig in der Saison.

Seit dem 28. Juni sind die drei auf der Alpe. Für eine Handvoll Wanderer, die die Alpe bewusst ansteuern, um auf ihren Heimatort Vandans zu blicken, nehmen sich Hans und Kornelia gerne Zeit. Sie freuen sich über ihren Besuch, jedoch soll dies die Ausnahme bleiben.

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Auf der Alta Stofel sind sie im Sommer zu Hause.
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Eine Dusche befindet sich im Stall.

Hans wacht über 136 Stück Vieh. Eine Kuh samt Kalb grasen in der Nähe der Alta Stofel, da die Kuh für den Eigenbedarf gemolken wird. Mit der Milch macht Kornelia Butter, Joghurt, Topfen und Frischkäse. Die übrige Milch bekommt das Kalb. Nach dem Melken frühstückt die Familie. „Um 7 Uhr gehe ich zum Vieh und kontrolliere, ob sie gesund sind“, sagt Hans.

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Kuchenbacken mit Aussicht.
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Kornelia bereitet für das Mittagessen eine Kaspressknödelsuppe zu und kocht für den Nachtisch einen Schokoladenpudding.

Regenreicher Juli

Wenn das Wetter schlecht ist – so wie im Juli – sind mehr Kühe krank. Auch der August war regnerisch. „Im Juli hatten wir nur zwei Tage keinen Niederschlag. Das war der niederschlagsreichste Monat in den vergangenen zwölf Jahren.“ Zwölf Jahre schon bewirtschaften die Metzlers die Alpe Fahren-Ziersch, die zur Liechtensteiner Alpe gehört.

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Das Wappen von Ruggell, deren Alpinteressentschaft die Alpe gehört.
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Unverkennbar die Zimba im Hintergrund. Diese Aussicht hat Hans Metzler jeden Tag.

Bei Schlechtwetter muss Hans Metzler den ganzen Tag beim Vieh sein und darauf aufpassen. „Wenn es so viel regnet, ist es nicht fein. Dann hat man dreimal so viel Arbeit.“ Denn wenn der Boden durchnässt ist, können die Kühe nicht mehr schlafen, sind übermüdet und rutschen aus. Deshalb kam es heuer schon zu gefährlichen Situationen. Hans hat das Wetter immer genau im Blick. „Wenn es hinter der Zimba schwarz wird und das Wetter die Zimba überwindet, ist es innerhalb von 15 Minuten da.“

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Hans Metzler schaut nach den Kühen, die auf der Alpe Ziersch weiden.
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Die Vandanser Steinwand hebt viele Wetterumschwünge ab. Auf der Wiese darunter weiden die Kühe. Ein Wolf ist hier glücklicherweise noch nicht durchgezogen.

Hans muss mehrmals hin- und herlaufen, um alle Kühe zu sichten. „Ich erkenne jede Kuh.“ Es gebe nur wenige „Spezialisten“, die er sich genauer anschauen muss. Das Vieh von acht Vorarlberger Landwirten sömmert hier. Liechtensteiner Vieh ist schon seit 2014 nicht mehr auf der Alpe – aufgrund der TBC-Fälle im Montafon.

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Man bespricht sich, wann das Vieh auf die nächste Weide umzieht und wann es ins Tal hinunterkommt.
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Die Liechtensteiner Johann und Lorenz helfen Hans des Öfteren beim Zäunen und Viehtreiben.

Das Zäunen ist die meiste Arbeit

Bei schönem Wetter sind Clemens und Hans am Zäunen, denn alle Zäune, die sie aufbauen, müssen auch wieder abgebaut werden. „Das sind an die 20 Kilometer“, so Hans. Über tausend Stecken müssen sie in den Boden rammen. „Das Zäunen ist die Hauptarbeit neben dem Vieh.“ Da ist Hans froh, wenn er Hilfe bekommt – sei es von seinem Sohn Johannes, vom Wegewart Manfred Blenke oder von den Liechtensteinern, Alpmeister Lorenz Büchel und Kassier Johann Walch.

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Kornelia serviert ihre selbst gemachten Kaspressknödel.
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Gekocht wird mit dem Holzofen.

Lorenz wandert wöchentlich die 400 Höhenmeter zur Alpe hoch. Vor zwei Jahren hat er das Amt des Alpmeisters von Reinhard Büchler übernommen. „Früher war die Alpe existenziell gewesen, jetzt ist es mehr Tradition, Idealismus und Verantwortung gegenüber unseren Vorfahren, die Alpe weiterzuführen“, sagt Lorenz.

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20 Kilometer Zaun gilt es aufzustellen.
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Das Holzlager ist noch gut gefüllt, die Zaunrollen dagegen leer.

Ein Versorgungsflug

Wenn Besuch auf die Alta Stofel kommt, dann ist es ein ungeschriebenes Gesetz, Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse mit hochzunehmen und Müll und nicht mehr benötigte Utensilien herunterzutragen. Ansonsten hat Kornelia vor der Alpsaison vieles in Einweckgläsern haltbar gemacht – selbst Fleisch. Und frische Eier kommen von den Hühnern. Beim Versorgungsflug wird alles Nötige geliefert. Selbst Baumstämme werden auf die Alpe geflogen, damit Hans die Stämme sägen und Clemens sie scheiteln kann, denn geheizt wird mit Holz.

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Wenn Lorenz die Metzlers besuchen geht, hat er immer etwas für sie dabei. Dieses Mal war es Kuchen von der Bäckerei.
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Strom und fließend Wasser: Mehr brauchen die Metzlers an Luxus nicht.

„Das ist unsere Arbeit“, sagt Kornelia, während sie Schokoladenpudding kocht. Auf die Frage, warum sie keine Jausenstation betreiben, sagt Hans: „Wir wollen das Geld nicht mit dem Tourismus verdienen. Wir wollen das Leben auf der Alpe mit dem Vieh – und nicht mit den Leuten – verbringen.“

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Auch drinnen ist es gemütlich.
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Den Kompost essen die Hühner.
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Blick ins Klostertal
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Blick auf Schruns