Streiflicht: Man hat gesagt
„Du bist gemeint!“ Nun soll man ja nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute zeigen, aber die Frau geht zielstrebig auf den Mann zu, bleibt vor ihm stehen, blickt ihn unverwandt an, hebt den Zeigefinger und sagt: „Du bist gemeint!“ Dann schweigt sie. Wie klingt das? Bedrohlich? Der ausgestreckte Zeigefinger durchbohrt die Luft. Oder zugewandt? Dann schmeichelt sich unausgesprochen ein „nur“ dazu: „Nur Du bist gemeint!“ Jedenfalls schließt der Satz alle anderen aus, die im selben Raum stehen und zu erfühlen suchen, was eben geschah. Sie nehmen an einem Seminar teil. Es war nur eine Übung. Trockenschwimmen. Aber mit Nachhall.
So etwas passiert halt selten. Meistens vermeiden Menschen so viel Klarheit. Schon das Schulkind rechtfertigte seine Freiheiten vor den fragenden Augen des Lehrers mit der vagen Begründung: „Aber man hat doch gesagt…“ „Wer ist man? “, polterte dann die Stimme des erfahrenen Pädagogen und entlarvte die fadenscheinige Begründung.
Bis heute sagen wir zu oft „man hat gesagt“ statt „Du bist gemeint“. Und fühlen uns sicher. Denn das unbestimmte Fürwort hat den großen Vorteil, dass es niemanden in die Pflicht nimmt. Am allerwenigsten den Sprecher.
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