„Wir würden es beide in Kauf nehmen zu sterben“ – So denken die Vorarlberger Gaza-Aktivisten

Die VN führte ein exklusives Gespräch mit der Frau des Bregenzers Erol Büyük, der nach Gaza segeln wollte.
Darum geht’s:
- Zwei Vorarlberger Aktivisten wurden von israelischen Kräften abgefangen.
- Erol Büyüks Frau misstraut Berichten über seine Sicherheit.
- Aktivisten bereit, für ihre Überzeugungen zu sterben.
Von Katja Grundner
Schwarzach Die zwei Vorarlberger Erol Büyük (36) und Maria-Sophie Hehle nahmen an der pro-palästinensischen Bewegung Global Sumud Flotilla teil und wurden von israelischen Sicherheitskräften abgefangen. Seit über 24 Stunden haben Angehörige nichts von ihnen gehört. Exklusiv in den VN meldet sich Büyüks Ehefrau zu Wort.

Das Leben geben
Am Mittwoch um 23 Uhr hörte Sabah Aydin (27) das letzte Mal von ihrem Mann Erol Büyük: „Ich kann gar nicht mehr stehen, so besorgt bin ich.“ Obwohl laut dem österreichischen Außenministerium alle vier festgesetzten österreichischen Staatsangehörigen unversehrt in Israel an Land gebracht wurden, traut Aydin diesen Angaben nicht. „Solange ich nicht mit ihm gesprochen habe, glaube ich gar nichts.“ Mitten im Interview mit den VN, bekam sie einen Anruf von der österreichischen Botschaft in Israel. Ihrem Mann ginge es gut – doch auch diesmal vertraut sie nicht auf das Gesagte.
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In Videos der Instagram-Seite „movementtogaza.austria“ erzählt Erol Büyük von sich: Er hatte einmal das KZ in Auschwitz besucht und dachte sich, wie der Mensch so ein Unmensch sein kann. Heute beziehe er diese Gedanken auf den Ministerpräsidenten Netanyahu, beziehungsweise die Politik Israels. „Ich kann nicht begreifen, wie man so viele Menschen töten kann und trotzdem schauen so viele weg“, meint der Bregenzer mit Wurzeln in der Türkei in einem seiner Videos.

Büyük schmerzte der Gedanke, einen Monat im Leben seiner Kinder verpasst zu haben. Fast täglich habe er mit ihnen telefoniert. „Meine Tochter ist vier Jahre alt, die redet schon wie eine Politikerin. Und mein Sohn will einfach mit mir schwimmen gehen. Meine Frau ist im siebten Monat schwanger.“
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Obwohl Aydin ihren Mann vermisst, ist sie dankbar und froh, dass er bei dem Auswahlverfahren für die Global Sumud Flotilla ausgewählt wurde. Auch sie wollte eigentlich auf die Flotte, doch es scheiterte an der Schwangerschaft. „Wir würden es beide in Kauf nehmen zu sterben, denn unser Leben ist nicht mehr wert als das Leben der Palästinenser.“ Sie würde nach der Geburt sofort auf eine neue Flottenmission mitfahren, auch wenn sie sterben und ihr Neugeborenes ohne Mutter zurücklassen würde. Jeder, der schweigt, ist für die frisch Verheirateten ein Mittäter. Ob ihr Mann genauso sprechen würde? „Er würde noch brutaler darüber reden als ich“, ist sich die 27-Jährige sicher.
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„Es ist eine Ehre“
In einem kürzlich veröffentlichten Instagram-Video auf „humansofgsf“ sprach die Hörbranzerin Maria-Sophie Hehle über ihren Entschluss, mit der Global Sumud Flotilla nach Gaza zu segeln: „Es ist eine große Ehre.“ Ihre Familie sei von der Entscheidung nicht überrascht gewesen. „Die Hauptreaktion war: ‚Es war klar, dass du so etwas einmal machen wirst.‘“
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Hehle habe gehofft, dass ihre Teilnahme mehr Aktivität bei anderen auslösen würde. Die gewünschte Resonanz sei bis zu diesem Zeitpunkt jedoch ausgeblieben, was sie auf eine schwache Demonstrations- beziehungsweise Aktivismuskultur in Österreich zurückführt.
Weitere Aktivisten
Insgesamt waren vier Österreicher Teil der Flotte, darunter Ashraf Abdelrahman und Ex-Skirennläufer Julian Schütter. Zu den bekanntesten internationalen Teilnehmern zählen die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die frühere Bürgermeisterin Barcelonas Ada Colau, die französisch-palästinensische Europaabgeordnete Rima Hassan und ein Enkel des Anti-Apartheid-Kämpfers Nelson Mandela, Mandla Mandela.

(VN)